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Die Band The New Pornographers

Caroline International

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The New Pornographers still going strong

Zuallererst Freunde. Das kanadische Bandkollektiv The New Pornographers mit seinem siebten Album „Whiteout Conditions“. Zusammenhalt auch noch nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten.

von Eva Umbauer

Zuallererst sind wir Freunde, sagt Carl Newman von den New Pornographers im FM4-Interview via Telefon aus seinem Zuhause in Woodstock nördlich von New York, wo der Kanadier mittlerweile ansässig ist. Die Freundschaft ist also die Basis für die Langlebigkeit einer Band. Dan Bejar ist am neuen Album der New Pornographers zwar nicht mehr dabei, aber nicht im Streit geschieden, er genießt einfach mit seinem eigenen Bandprojekt Destroyer Erfolge. Weiters hilft, so Newman, dass die New Pornographers keine Band sind, die acht Monate des Jahres auf Tour verbringen und sich da vielleicht in den Pelz geraten würden.

Auswandern wegen Trump?

Die New Pornographers hatten immer so viel Erfolg, dass die Zukunft mit jedem Album gesichert war. „Und ich kann ja sonst nichts Anderes als Musik zu machen“, lacht Carl Newman via Telefonleitung aus Upstate New York, wo er mittlerweile mit Frau und Sohn lebt. Newman baute sich dort ein neues Leben, er kann sich aber schon auch vorstellen, wieder nach Vancouver zu ziehen, wo die New Pornographers vor fast zwei Jahrzehnten von ihm ins Leben gerufen wurden. Es ist US-Präsident Trump, der ihn ans Weggehen denken lässt, aber eigentlich will Carl Newman ja gar nicht weg aus Woodstock und den Staaten, wo die New Pornographers ja auch ein Publikum haben, das sie auch schon bis in die US-Charts getragen hat.

In Depressionen verfallen möchte Carl Newman wegen Trump nicht, denn das mit den Depressionen kennt er nur zu gut, und dort möchte er nicht mehr hin, auch wenn er das neue New Pornographers Album „Whiteout Conditions“ nennt und damit auf die Depressionen Bezug nimmt.

Whiteout Conditions

Das Wort „whiteout“ ist ein Begriff für einen Zustand, der im Hochgebirge oder am Polarkreis auftreten kann, und bei dem bei schneebedecktem Boden Himmel und Erde durch bestimmte Lichtverhältnisse verschmelzen, und dadurch der Horizont nicht mehr sichtbar ist, was durchaus so richtig beklemmende Auswirkungen haben kann auf einen Menschen, der sich gerade dort befindet.

Speeding through

„Whiteout Conditions“ ist aber insgesamt kein beklemmendes Album geworden, auch kein Winteralbum, nein, es ist ganz schön sommerlich, wie die Band sich da so mit mehr als etwas beschwingter Geschwindigkeit durch das Album spielt. Die Band saust richtig durch - vom Opener „Play Money“ über „Darling Shade“ bis zu „Clockwise“, nur am Schluss wird es etwas langsamer, beim Song „Avalanche Alley“, der mit hübscher akustischer Gitarre beginnt und in dem von „news from the future“ die Rede ist. „Avalanche Alley“ hat zwar 180 Beats per Minute, wird aber trotzdem von der akustischen Gitarre geleitet. Genau diesen Vibe wollte Newman für das Album. Eine gute Geschwindigkeit - Carl Newman nennt das „speeding through“ -, aber auch gleichzeitig eine leichte Atmosphäre sollte der Longplayer haben. Mission accomplished.

Carl Newman: „If we did an album that was just nothing but very quiet ballads, I would think, this isn´t right. If we were trying to sound like Bon Iver, I´d think, no, this is not what we´re supposed to be doing.“

Noch enger zusammenrücken

Außerdem wollte Carl Newman dieses siebte Album der New Pornographers - seine armen Eltern müssen heute noch erklären, dass ihr Sohn niemanden provozieren wolle mit dem Bandnamen - zusammenhängender gestalten, „more cohesive“, wie er sagt. Das bedeutet, dass alle Bandmitglieder noch näher zusammenrücken, dass etwa die Vocals nicht mehr so stark aufgeteilt werden, sondern oft fast wie im Chor daherkommen. Das ergibt ein tolles, poppiges Girl/Boy-Gesangsgefühl. Anstatt dass etwa Carl einen Song singt, den nächsten Neko Case, den darauffolgenden wieder Carl, singen sie diesmal verstärkt zusammen oder schupfen sich die Zeilen zu, wie bei einem höchst amüsanten Ping-Pong-Spiel. Schimmernde Gitarren und Synthies machen den Rest.

Plattencover

Caroline Records

„Whiteout Conditions“ von den New Pornographers ist bei Caroline erschienen.

Das funktioniert hervorragend etwa beim leicht sehnsuchtsvollen Song „We´ve Been Here Before“ oder bei „Clockwise“, einem Song über den Carl Newman sagt: „Something I´ve always done is trying to be sort of meta with lyrics. When you are a musician, sometimes you feel like you live in a closed off bubble. So that´s what I was thinking about when I wrote that - trying to write a folk song about some place, and the only place I could think of is a place that´s filled with nothing but lead singers. And I just liked to put the words ‚lead singer‘ in a chorus that you´re singing lead on. It comes back to the communication theory that the medium you use is so loaded, it´s hard for the message to escape that.“

Schlaf und gesellschaftliche Akzeptanz

Worüber macht sich Carl Newman sonst noch Gedanken? Im Song „Second Sleep“ geht es um das Schlafen in Tranchen. Man legt sich etwa von Mitternacht bis drei Uhr früh hin, wacht auf, steht auf und macht etwas - lesen, die Wäsche zusammenlegen, das Porzellan abstauben, oder einen Song schreiben -, ja, und dann geht man wieder zu Bett und schläft weitere Stunden. Dieser „second sleep“ ist in unserer Gesellschaft nicht akzeptiert, wo der Zwang des Durchschlafens gilt. in früheren Zeiten, als es noch kein elektrisches Licht gab, wurde diese Art zu schlafen durchaus praktiziert. Man sagt uns, dass etwas nicht mit uns stimmt, wenn wir nicht durchschlafen, meint Carl Newman, obwohl das eigentlich nicht wahr ist.

Im Song „Play Money“ macht sich Carl Newman hingegen Gedanken, wie es wäre ein Rockstar zu sein, anstatt ein „working musician“. Nicht, dass er Ersteres tatsächlich sein möchte, aber so weit ist er ja eigentlich gar nicht vom Rockstar entfernt: Dieser spielt für Geld, und er, Carl Newman, wird auch bezahlt für das Musikmachen.

Gefährliche Zeiten

Mit Carl Newman könnte man endlos reden, auch wenn es nur mittels eine knacksende Telefonleitung aus Upstaste New York ist. Dennoch müssen wir das Gespräch langsam beenden, nicht ohne aber dass ich Carl bitte, sich nicht - wegen Donald Trump - aus Woodstock vertreiben zu lassen, wo er soviel Zeit, Geld und Liebe in sein Haus und Studio dort investiert hat. Im Song „High Ticket Attractions“ aber geht es um Politik.

Carl Newman: „This song was written before Trump won the election, although there was already a lot of anxiety. Sometimes in the past I´ve been very flippant about writing about the end of the world, or society falling apart, or revolution, just as iconography to dabble in. So it´s strange to get to a point where we´re seriously concerned about things like that and feel these are dangerous times.“

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