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The Handmaiden

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Keine Schönheit ohne Gefahr

In dem stylischen Erotikthriller „The Handmaiden - Die Taschendiebin“ feiert Park Chan-Wook erneut starke Frauen mit dunklen Geheimnissen.

von Christian Fuchs

Wenn ein Film an der Oberfläche glitzert und funkelt wie ein Juwel, dann schrillen bei vielen Kritikern die Alarmglocken. Von Style over Substance ist dann schnell einmal die Rede und die Inhalte werden entschieden weniger ernst genommen. Vor allem im deutschsprachigen Raum, wo die aus der Steinzeit stammende Trennung zwischen „Ernsthaftigkeit“ und „Unterhaltung“ noch immer herumgeistert, fürchtet man sich vor visuell berauschenden Szenarien.

Dabei gibt es großartige Regisseure wie den südkoreanischen Bilderstürmer Park Chan-Wook, die künstlerisch ganz bewusst mit purer, gleißender Schönheit arbeiten. Allerdings, wie in seinem neuesten Erotikthriller „The Handmaiden“, nur um einen gähnenden, gruseligen Abgrund hinter all dem überwältigenden Zauber zu offenbaren.

Poppige Ambivalenz statt schroffer Härte

Wer dabei an die Filme von David Lynch denkt oder an die Kunstrichtung der Schwarzen Romantik, die Ende des 18. Jahrhunderts aufkam und schwülstigen Ästhetizismus mit koketter Todesfaszination vereinte, liegt beim hochkultivierten Park Chan-Wook wohl richtig. Auch die dekadenten Auswüchse des Jugendstil passen assoziativ zu diesem opulenten Film. „Keine Schönheit ohne Gefahr“ lautet einer meiner Lieblingssongtitel der Einstürzenden Neubauten, der mir im Kinosaal ebenfalls in den Sinn gekommen ist.

Weil jetzt gerade der Name einer legendärer Industrialband gefallen ist, die zuerst für brachialen Lärm und Bohrmaschinen auf der Bühne stand und später zu feinziselierten Balladen wechselte: Man kann die Karriere von Park Chan-Wook vielleicht überhaupt mit dem Aufstieg einer wüsten Rockcombo vergleichen. Am Anfang stehen auch bei dem koreanischen Regisseur gnadenlose Härte und die schroffe Verweigerung der Welt. Dann werden die Filme, parallel zu Songs der Neubauten oder Nine Inch Nails, aber poppiger, ambivalenter, zärtlicher.

Der Schöpfer grimmiger, hoffnungsloser Männer-Epen wie „Sympathy For Mr. Vengeance“ und „Oldboy“ verwandelte sich im Laufe der Jahre auch in einen Filmemacher, der starke Frauen in den Mittelpunkt stellt. Frauen, die ihre eigene verstörende Vergangenheit ebenso hinter sich lassen müssen wie diverse Gegner, um sich einen Platz im existentiellen Haifischbecken zu erkämpfen.

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Leidenschaftliche, fiebrige Beziehungen

Nach seinem durchaus gelungenen Hollywood-Regieausflug „Stoker“, mit Mia Wasikowska und Nicole Kidman, präsentiert Park Chan-Wook erneut ein pittoreskes, bizarres Drama rund um eine schrecklich unnette Familie. „The Handmaiden“ spielt aber im Korea der 30er Jahre, als das Land von den Japanern besetzt ist. Die junge Taschendiebin Soo-Hee (Kim Tae-ri) wird von einem Heiratsschwindler überredet, eine reiche japanische Erbin um ihr Vermögen bringen. Als persönliche Dienerin von Lady Hideko (Kim Min-Hee) soll sie sich deren Vertrauen erkämpfen.

„The Handmaiden“, bei uns „Die Taschendiebin“ betitelt, betört, wie gesagt, mit erlesenen Bildkompositionen, edlen Dekors, prächtigen Kostümen. Aber dieser höchst elegante Film, in dem viel geflüstert und getuschelt wird, verbirgt nicht weniger drastische Inhalte als die frühen Schocker von Park Chan-Wook. Die puppenhaft wirkende Hideko wird von ihrem Bruder gewalttätig unterdrückt, einem manischen Büchersammler, der sie zwingt sadomasochistische Texte vor geifernden Männerrunden vorzulesen. Soo-Hee wiederum muss sich gegen ihren schmierigen Ganovenkumpan wehren, der ihr immer mehr Druck macht. Erst als die zwei jungen Frauen auf intime Weise zueinanderfinden, nimmt der Film eine radikale Wendung ein.

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Überhaupt ist es die leidenschaftliche, fiebrige Beziehung von Soo-Hee und Hideko, die den Film zusammenhält, selbst wenn er in seiner bewussten Überkandideltheit bisweilen auseinanderzufallen droht. Waren Park Chan-Wooks frühe Werke brutale Absagen an jede Form von Menschlichkeit, sagt uns „Die Taschendiebin“ jetzt ganz sentimental: Gerade aus dem tiefsten Schrecken kann echte Schönheit erblühen, Liebe und Sex schaffen es zusammen den Horror zu überwinden.

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