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Viva México

Seht euch „Ingobernable“ an, während ihr auf die neue Staffel „House Of Cards“ wartet. Ein sehr sehenswerter, mexikanischer Politthriller im Serienformat.

von Lisa Schneider

Das erste Mal in der Geschichte Mexikos will sich die First Lady scheiden lassen: Emilia Urquiza hat ihren Mann, den Präsidenten Diego Nava, endgültig satt. Aber schon in der ersten, atemlos geschilderten Folge kommt dieser ums Leben, noch bevor sich seine Gattin tatsächlich von ihm trennen kann.

Emilia erwacht, durchnässt und in strömendem Regen auf dem Balkon liegend, nachts aus der Ohnmacht. Sie kann sich nicht erinnern, was passiert ist. Doch mehrere Stöcke unter ihr liegt tot auf dem Dach eines Vans ihr Ehemann.

Emilia gilt sofort als die Hauptverdächtige und ist von nun an auf der Flucht vor den Behörden. Diese fällt ihr nicht allzu schwer: In der 16-Millionen-Metropole Mexico City gelingt es ihr schnell unterzutauchen. Sie findet Zuflucht bei einer Gruppe von Leuten, denen sie im Zuge ihrer Menschenrechtsaktivitäten geholfen hat.

Anfangs noch durch gegenseitige, skeptische Beobachtung geprägt, wächst die Gruppe schnell mit der gemeinsamen Aufgabe zusammen. Längst geht es nicht mehr nur um die Ermordung des Präsidenten oder darum, die Unschuld der First Lady zu beweisen. Vielmehr überschlagen sich die Ereignisse und mehr und mehr verheerende Intrigen der gesamten Regierung kommen ans Licht. Seltsam an der so schnell erzählten Geschichte ist nur das Gefühl, Emilia Urquiza habe ihr neues Schicksal als Verstoßene gar zu schnell angenommen. Sie beklagt zwar noch teilweise ihre beiden zurückgelassenen Kinder, die sie natürlich nicht kontaktieren darf.

Nach und nach erschließen sich die Fäden, die im Hintergrund alles zusammenhalten. Anhand von Flashbacks erfährt man, wie sich die Situation in den letzten beiden Jahren ihrer Ehe, politisch und privat, so zuspitzen konnte. In einem Rückblick zischt Emilia etwa: „Du hast nicht das Recht, dich zu beklagen, Diego. Du hast das gesamte Land betrogen!“

Als Diego zwei Jahre zuvor zum Präsidenten ernannt wird, schwört sich das Ehepaar, gemeinsam gegen den brutalen Drogenkrieg in Mexiko und die damit zusammenhängende Korruption zu kämpfen. Während die sehr ausdrucksstark von Kate del Castillo, die in ihrem Heimatland ein Fernsehstar ist, gespielte Emilia Urquiza sich an ihre moralischen Pflichten zu halten versucht, deckt sie immer mehr erschreckende Geheimnisse der Regierung auf. Vor allem an den Händen des Militärs klebt mehr als nur Blut: Sie erhält Informationen zu illegalen Verhaftungen und Gefangenenlagern, die man als Zuseherin auch von innen zu sehen bekommt. Allen voran ist der Oberbefehlshaber und Verteidigungsminister ein wichtiger Player im Spiel gegen die Drogenkartelle (oder doch eher mit ihnen?), die er vorgeblich in Schach zu halten versucht.

Auch wenn die Serie mit einem scheinbar klassischen Ehestreit beginnt, ist nach den rasanten ersten Folgen klar, dass die diskutierten Probleme viel tiefer wurzeln – und vor allem viele mehr als nur zwei Menschen betreffen. Welche Rolle hat der ermordete Präsident Diego Nova bei den Staatsverbrechen gespielt? Was wusste er von den Machenschaften des Militärs? Die Frage, wer ihn getötet hat, wird da zu einer unter sehr vielen.

Die erste Staffel von „Ingobernable“ ist auf Netflix zu sehen.

Schon mit der Serie „Narcos“ hat Netflix eine hochspannende Geschichte um die Verstrickungen von korrupter Regierung und Drogenkartellen – in diesem Fall in Kolumbien – produziert. Doch „Ingobernable“ will mehr als nur aufregend unterhalten: Für Hauptdarstellerin Kate del Castillo zeigt die Serie viele Seiten Mexikos - vom wohlhabenden Leben im Weißen Haus bis hin zu den Slums, wo die Ärmsten leben - nicht nur die, die die Amerikaner zu kennen glauben. Die Geschichte von „Ingobernable“ ist eine rein fiktionale, weist aber durchaus Parallelen zur mexikanischen Realität - wenn auch eher der der Klatschspalten - auf. So gab es etwa 2015 wilde Spekulationen darüber, ob Präsident Enrique Pena Nieto und seine Frau Angelica Rivera sich scheiden ließen.

Überraschend offen ist die Szene, als der Präsident vor laufender Kamera den USA die Schuld an den blutigen Problemen Mexikos bezüglich des Drogenkrieges gibt. Spannend natürlich auch in Hinblick auf die jetzige US-Regierung, die sich, wie bekannt ist, gerne mit einer Mauer komplett vom Nachbarland abschotten würde.

Das einzige Manko der sonst sehr guten Serie ist die leider missglückte englische Synchronisierung. Auch wenn es anstrengender ist, folgender Tipp: unbedingt auf Spanisch ansehen, wenn nötig, mit englischen Untertiteln. Die rasante Handlung, die Brisanz des Themas, der Zorn und die Angst stellen einem in gezischtem Spanisch die Gänsehaut nämlich doppelt auf.

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