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Szene aus Guardians of the Galaxy 2

Marvel Studios

Mehr ist weniger

Über die Sackgasse des Bigger & Louder, am Beispiel von „Guardians of the Galaxy Vol. 2“.

von Christian Fuchs

Wir wissen mittlerweile längst, was wir von einem Marvel-Film erwarten können: Prahlerische Superhelden, persönliche Tragödien, ein Dauerfeuerwerk aus ironischen Onelinern. Und unvermeidlich: Einen bis zum Anschlag mit protzigen Computereffekten überladenen Showdown, der gefühlt niemals aufhört, bei dem sich irgendein verdammtes Portal in eine andere Dimension öffnet und Monster und/oder Aliens ausgespuckt werden, bis einem als halbwegs erwachsenem Menschen im Zuschauerraum die Augen zufallen und die Ohren schmerzen.

Guardians of the Galaxy“ fühlte sich vor drei Jahren so erfrischend an, weil hier endlich jemand nicht nach diesen strikten Marvel-Regeln spielte. Der für seine fiesen kleinen Genre-Arbeiten bekannte James Gunn nutzte den Freiraum, den ihm die Firma bei der Leinwand-Adaption ihrer bis dahin unpopulärsten Comictruppe gewährte.

Als Autor und Regisseur in Personalunion schuf er einen Blockbuster, der dezidiert kein farbenprächtiger Film über Superhelden mit gestörten Persönlichkeiten sein wollte. Dieses bis zum Anschlag knallbunte Weltraumabenteuer feierte Antihelden, die als stolze Kleinkriminelle durch das All düsten. Statt endlosen öden Schlachtszenen wurde am Schluss das Böse mit einer charmanten Tanzeinlage von Comedykasperl Chris Pratt besiegt.

Guardians of the Galaxy 2

Marvel Studios

Größer, lauter, mainstreamiger

Aber Marvel ist Marvel und die Gesetze des Sci-fi-Sequels müssen unter dem Imperator Kevin Feige wohl streng eingehalten werden. Also ist diese Fortsetzung leider größer und lärmender geworden, inklusive jenem unvermeidlichen Finale, bei dem man irgendwann entnervt auf die Uhr blickt. Die ganzen Post-Credit-Teaser-Sequenzen, inklusive mittlerweile völlig belangloser Nerd-Ostereier-Suche, kommen natürlich noch dazu und lassen auch das teuerste IMAX-Epos wie eine TV-Episode wirken.

Man merkt, der Schreiber dieser Zeilen ist leicht eingeschnappt, gerade weil der Originalfilm dermaßen lässig dahinswingte, dem Beat der Tarantino-Kennmelodie „Hooked On A Feeling“ folgend. Diesmal ist aber auch das Mixtape in Starlords Walkman einen Tick zu mainstreamig geraten. Dem Dauertrend zum Retrofuturismus gehorchend möchte Marvel die Millenials-Zielgruppe anscheinend mit wohligen Nostalgie-Gefühlen einlullen. Oder eben gleich überrollen. Denn es gibt mehr von allem in „Guardians Of The Galaxy Vol.2“: Mehr 80ies-Retro-Referenzen, mehr Drama, mehr Witze, mehr Weltraumschlachten, mehr Farbe. Hat es nicht mal geheißen, weniger ist mehr?

Filmszene

Marvel Studios

Zumindest die Chemie stimmt

Spiele ich hier den beleidigten Fanboy? Ganz so schlimm ist es nun wieder auch nicht, denn die gute Nachricht lautet: Die umwerfende Chemie zwischen dem Erdling Peter Quill und seinen außerirdischen Buddies Gamora (grantiger denn je: Zoe Saldana), Drax the Destroyer (Dave Bautista stiehlt sich die besten Szenen in dem Film), dem geschrumpften Baumwesen Baby Groot (wieviel Zeit hat Vin Diesel wirklich im Synchro-Studio verbracht?) und dem brilliant animierten Waschbären Rocket aka Bradley Cooper (der diesmal ernsthaft verbittert wirkt) funktioniert immer noch prächtig. Diesen kosmischen Outlaws könnte man auch bei völlig belanglosen Aktivitäten zusehen und es würde Spaß machen.

Rasend spannend ist die Story, in der der halbirdische Peter auf seinen Göttervater Ego trifft, auch nicht. Kurt Russell, der im Look eines Achtziger-Jahre-Friseurs einen lebenden Planeten verkörpert, hat ein paar einprägsame Auftritte. Aber im letzten Drittel versinkt die Auseinandersetzung zwischen dem gigantomanischen Papa und dem bodenständigen Sohn in einer CGI-Orgie und vom unschuldigen Charme des Originals ist engültig verschwunden.

Waschbär

Marvel Studios

Mit Schrecken denke ich an die nähere Marvel-Zukunft und Overkill-Spektakel wie „Avengers: Infinity Wars“ in denen um die zwanzig Superhelden um die Aufmerksamkeit des Zusehers buhlen werden und wo jetzt schon die Rechner rotieren. Dass der kapitalistische Drang zum Bigger and Louder zu den fatalsten Sackgassen des 21. Jahrhunderts zählt, sollte man US-Präsidenten und Hollywood-Studiobossen ins Notizbuch schreiben.

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