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Generation Grundeinkommen

Seit Januar 2017 gibt es den Verein Generation Grundeinkommen. Ich treffe den Vereinsgründer Helmo Pape in einem Bahnhofscafé südlich von Wien. Hier erzählt er, wie er hauptberuflicher Grundeinkommenslobbyist wurde.

Von Lukas Tagwerker

Nach der HTL schlägt Helmos Herz für das Material Holz. Als Tischlergeselle ist es nicht leicht, Geld zu verdienen. So absolviert Helmo eine bautechnische Ausbildung und findet anschließend einen Arbeitsplatz in einer Baufirma. „Ich fühlte mich eigentlich komplett am richtigen Platz“. Ein Jahr nach seinem Berufseinstieg kommt es zu einer Firmenfusion, die Baufirma wird von einer größeren Baufirma übernommen. Helmo erlebt, wie es ist, bei einer Firmenfusion zu verlieren. Er wird arbeitslos.

„Warum ich? Ich bin gut ausgebildet, bin günstig, bin jung. Wie kann das passieren?“

Die Zeit ist schlecht für die Baubranche. Helmo findet nichts und muss die Branche wechseln. 1998 beginnt er in der Finanzbranche. „Von alleine wäre ich dort nicht hingegangen.“ Höhen, Tiefen, Ortswechsel und Spezialisierungen führen ihn zehn Jahre später - pünktlich zum Beginn der Finanzkrise - in eine Derivat-Handel-Etage einer Wiener Großbank.

Transparent "What would you work if your income were taken care of?"

__CC BY 2.0(https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)__

Enno Schmidt (CC BY 2.0)

Hier prasseln täglich Nachrichten auf Helmo ein: Geldhäuser implodieren, Währungen zittern, Staaten schwanken. Der Info-Flow gibt Helmo zu denken. „Ich hatte wirklich Schwierigkeiten, mir vorzustellen, wohin wird denn das noch führen? An jedem Stammtisch war innerhalb von zwei Minuten Konsens, dass es so wie es jetzt geht, nicht mehr lange weitergeht. Aber auf die Frage ‚Wie soll es denn weitergehen?‘ kamen dann die leeren Gesichter. Auch bei mir. Und das war ein Zustand, den ich nicht akzeptieren konnte für mich.“

Helmo liest sich in Systemtheorie und Gesellschaftsformen ein und kommt per Zufall – an den er nicht glaubt – auf das Buch des Ruderers, Unternehmers und Anthroposophen Götz Werner, „Einkommen für alle“.

„Du bekommst ein Grundeinkommen und hast damit die Möglichkeit, ja, die Bringschuld, deine Talente in der Gesellschaft wirksam werden zu lassen.“ Götz Werner

Zuerst hält Helmo die Idee des Grundeinkommens bloß für einen weiteren Aufguss der Sozialhilfe. Die größtmögliche Gießkanne, weder zielgerichtet noch sozial, weil alle es bekommen, auch die, die es nicht brauchen. Dann erfasst er den konzeptionellen Unterschied zwischen sozialer Abfederung, wie es beispielsweise eine bedarfsorientierte Mindestsicherung ist und einem Grundeinkommen. Statt um nackte Existenzsicherung geht es beim Grundeinkommen um Teilhabesicherung, um die Möglichkeit, sich durch ein Grundeinkommen in der Gesellschaft sinnvoll einbringen zu können. Als garantiertes Grundrecht.

Transparent "What would you work if your income were taken care of?" mit Menschen drauf

__CC BY 2.0(https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/)__

Enno Schmidt (CC BY 2.0)

2014 ist Helmos Mutter pflegebedürftig. Das Paradigma, das er vorfindet: „Ich soll in meiner Tätigkeit als Bankangestellter mein Einkommen voll versteuern. Davon dann einen Pfleger oder eine Pflegerin bezahlen. Die soll ihr Einkommen dann auch voll versteuern und von dem Rest gut leben. Nur damit meine Mutter von jemandem, den sie nicht kennt, betreut wird. Da habe ich mir gedacht: Das ist doch nicht sinnvoll. Ich würde meine Mutter in den letzten Jahren, die ihr noch gegeben sind, gerne selber aus dem Leben begleiten. Viele Kinder denken sich das, auch viele Eltern, die ihre Kinder ins Leben begleiten wollen.“ Helmo verlässt die Wiener Großbank und kümmert sich unbezahlt um seine pflegebedürfige Mutter. Er erkennt dabei: Diese Arbeit kann gar nicht bezahlt werden, sie kann nur ermöglicht werden.

Zur Höhe des Grundeinkommens, zu steuerlichen Quellen und zu den Schritten aus einer „Sklavenhaltermentalität“ (Enno Schmidt) zu einem Bewusstsein sozialer Innovation gibt es zahlreiche unterschiedliche Ansätze. Die Kritik am Grundeinkommen kommt von links wie rechts. Der Filmemacher Christian Tod, dessen Doku „Free Lunch Society“ diese Woche in die Kinos kommt, sagt: „Ich bin 100% sicher, dass das Grundeinkommen kommt. Die Frage ist nur: in welcher Form?“

Was hätte Helmo Pape - Jahrgang 1972 - anders gemacht, wenn es so ein Grundeinkommen zu seiner Geburt bereits gegeben hätte? „Ich wäre vielleicht von meiner Ausbildung her, weil mir das als Tischler gefallen hat, beim Holz geblieben. Vielleicht aber auch nicht. Das, was das Grundeinkommen ermöglicht, ist ja auch, Dinge auszuprobieren, und wenn sie nicht funktionieren, kannst du ohne Angst auch wieder zurücktreten.“

FM4 Auf Laut

mit Elisabeth Scharang

Dienstag, 2. Mai 2017, 21 bis 22 Uhr, und anschließend für 7 Tage im FM4 Player

Sorglos arbeiten. Ist das Grundeinkommen unausweichlich?

Der Mittelstand zerbröselt. Die Reallöhne stagnieren. Es kann also nur mehr besser kommen, sagen die Befürworter des bedingungslosen Grundeinkommens und probieren es in Pilotprojekten an uns Bürgern und Bürgerinnen aus. In Finnland, den Niederlanden, in Alaska und auch in Deutschland gibt es das Grundeinkommen, allerdings dort nur für die, die bei einer Grundeinkommenslotterie gezogen werden. Das Geld kommt aus einer Crowdfunding-Aktion.

Was passiert, wenn die Existenzangst sich schleicht und den Raum frei macht für – ja, wofür eigentlich? Zum Beispiel für die Freiheit, Nein zu sagen? Zum Beispiel für attraktivere Löhne und attraktivere Arbeitsplätze, weil die Menschen nicht mehr zu 100% abhängig sind von den Jobs, die man ihnen anbietet?

Elisabeth Scharang diskutiert in FM4 Auf Laut mit dem Arbeitspsychologen Ralph Sichler und dem Filmemacher Christian Tod, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen unsere Gesellschaft von Grund auf verändern würde, und fragt HörerInnen, was sorglos arbeiten und leben für sie bedeutet.

  • Anrufen und Mitdiskutieren kannst du unter 0880 226 996

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