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hosea ratschiller und das duo radeschnig mit konfetti

Peter Sihorsch

FM4 Bücherei

Hosea Ratschiller ist lustig und kann keine langen Bücher lesen

Nicht aus mangelnder Geduld, sondern weil er ein Buch nur schwer aus der Hand geben kann. In der FM4 Bücherei empfiehlt der Kabarettist und Wortlautjuror dafür gleich sechs Bücher.

von Zita Bereuter

Hosea Ratschiller ist lustig. Ausgezeichnet lustig: Am 6. Mai erhielt er beispielsweise den Salzburger Stier für das Programm „Der allerletzte Tag der Menschheit – jetzt ist wirklich Schluss“, das er gemeinsam mit dem Duo RaDeschnigg aufführt.

Hosea Ratschiller und das Duo Radeschnigg mit Sekt

Peter Sihorsch

Wenn das kein Grund zum Feiern ist - der Salzburger Stier für Hosea Ratschiller und das Duo RaDeschnigg!

Hosea Ratschiller liest lustige Texte. Laut und öffentlich: Einmal im Monat bei der „Letzten Wiener Lesebühne“ mit Stefanie Sargnagel, Severin Groebner und ausgewählten Gästen.

Hosea Ratschiller stellt lustige Menschen vor: Im Standup-Commedy Club „Stand Up Fluc“, der unter „Pratersterne“ Dienstags auf ORF 1 so gegen 23:00 Uhr (nach „Willkommen Österreich“) ausgestrahlt wird. Beim Standup gefällt ihm die Verknappung. In wenigen Sätzen würde da oft mehr oder so viel gesagt werden, als ein Roman erzählen kann. „Standup ist wie Lyrik mit Pointe.“

Hosea Ratschiller ist der FM4-Ombudsmann.
Als solcher bereinigt er Widerstände.
Schon als Kind hat er gerne alte Leute gespielt. "Mir gefällt an der Rolle, dass er so renitent ist und nicht nachgeben will und die ganze Zeit das Gefühl hat, er befindet sich im Kampf gegen irgendwelche Windmühlen. So eine mürrische „Don Quichote"-Figur.“ Außerdem sei es immer schön, wenn man das totale Gegenteil von sich selbt spielen könne. „Ich bin so ein feiger Hund im privaten und ich wär gern ein bisschen mehr wie der Ombudsmann, der sich so viel traut. Das ist bei mir nicht so.“

verschiedene FM4 Büchereiausweise

Zita Bereuter

Die FM4 Bücherei ist keine herkömmliche Bücherei, in der man Bücher ausleiht, sondern eine, in der Bücher vorgestellt werden.

Der oder die BesucherIn der FM4 Bücherei stellt seine oder ihre drei Lieblingsbücher vor bzw. Bücher, die man lesen sollte.

Am Sonntag, 7. Mai von 15 bis 16 Uhr in Connected.

und 7 Tage zum Nachhören im FM4 Player

Hosea Ratschiller ist heuer auch Wortlautjuror. Bei Kurzgeschichten ist Humor generell günstig. Aber auch die Abwesenheit empfindet er nicht störend. „Was ich eher unangenehm finde ist, wenn jemand die ganze Zeit ausstrahlt oder behauptet, man dürfe keinen Humor haben. Selbstmittleid und schlechtes Gewissen finde ich ganz schwierig.
Humor ist eine gute Lösung für schlechtes Gewissen.“

Hosea Ratschiller liest sehr gern. Aber nur schmale Bücher. Sein Problem mit dicken Werken – er muss sie in einem durchlesen. Ein Zwang, der ihn letztlich auch vom Studieren abhielt.

Hin und wieder besucht er eine Bücherei - seiner Tochter zu Liebe. Als Jugendlicher war er zwar selbst sehr gerne in den Wiener Büchereien „Weil man dort in Ruhe sein konnte“ - mittlerweile besucht er die vor allem seiner Tochter zu Liebe. „Allein, dass es so viele Bücher gibt auf der Welt war für sie irre.“

In die FM4 Bücherei kommt er dann auch mit sechs Büchern. Weil er so gerne Bücher ausgesucht hat. Also hat er drei Kategorien geschaffen, wo ein Buch es jeweils knapp nicht geschafft hat und das andere Buch stellt er im Folgenden vor.

büchereikartei nr 31 hosea ratschiller

Zita Bereuter

Kategorie 1: Jemand versucht anzufangen auf der Welt zu sein

  • (Emmanuel Bove: Meine Freunde. Aus dem Französischen von Peter Handke, Suhrkamp 1981)
  • Jean-Philippe Toussaint: Das Badezimmer. Aus dem Französischen von Joachim Unseld. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2004

"Ein junger Mann, der Kunsthistoriker ist, beschließt, seine Badewanne nicht mehr zu verlassen und lebt darin. Seine Freundin findet das in Ordnung.
An einem Tag steigt er vollkommen unvermittelt aus der Badewanne und fährt nach Venedig. Dort ist er erst mal verschwunden und nach mehreren Verwirrungen beschließt er wieder zurück in die Badewanne zu gehen.

Das Buch ist für mich auch so toll, weil es darum geht: Wie schreibt man über das Denken? Wie kann man literarisch über das Denken schreiben? Weil Denken ja immer damit zu tun hat, sich vom Aktuellen zu distanzieren oder sich von der Gegenwart rauszunehmen und mal zu schauen – was ist so los in meinem Kopf.

Das Buch ist eine Parallelaktion zu ‚Der Mann ohne Eigenschaften‘ von Robert Musil. Es gibt ganz viele Verweise auf diesen Riesenwahnsinnsroman, wo auch jemand nicht weiß, was er anfangen soll mit seinem Denken.

Es ist Lustig, es ist eine irrsinnig schöne Sprache und ich ärger mich die ganze Zeit beim Lesen, dass ich nicht g‘scheid Französisch kann, weil ich würde es gern im Original lesen."

Kategorie 2: Österreichbeschreibungen ohne nostalgischem Grundton

  • (Georg Kreisler: Letzte Lieder: Autobiographie. Arche Verlag 2009)
  • Ruth Klüger: weiter leben. Eine Jugend. Wallstein 1992

"Eine Gemeinsamkeit der beiden Bücher ist, dass beide von aus Österreich vertriebenen Menschen geschrieben worden sind und es in beiden Bücher auch teilweise um Österreichbeschreibungen geht, die aber nicht diesen nostalgischen Grundton anschlagen, der von Thomas Bernhard abwärts überall so ein bisschen drin ist, wo alles so erdig udn schwerfällig ist, sondern die sind sehr weltläufig im Ton.

In ‚weiter leben‘ geht es um Ruth Klügers Erlebnisse in Konzentrationslagern und auch um die Zeit danach und wie mit Erinnerungskultur umgegangen wird.
Der Teil des Buches, der in Wien spielt in der Zwischenkriegszeit, der beschreibt die Stadt auf eine Art und Weise, die ich sonst noch nirgends gelesen habe. Es war für mich eine sehr gute Erholung von diesem dumpfen, aggressiven, nostalgischen, sentimentalen Ton, der oft angeschlagen wird, wenn über Österreich gesprochen wird.

‚weiter leben‘ habe ich glaub ich schon drei mal gelesen, weil ich es so klasse finde. Es gibt kaum ein sinnvolleres Leseerlebnis."

Kategorie 3: Sich spielerisch in Beziehung zur Welt setzen

  • (Franz Jung: Das Trottelbuch. Faber und Faber, Leipzig 2004)
  • Alan Alexander Milne: Pu der Bär. Übersetzung von Harry Rowohlt, Dressler Verlag 2009

"Das les ich mit meiner Tochter gerade.
So Sitcoms, die ich schätze, wie ‚Seinfeld‘ oder ‚Curb Your Enthusiasm‘ oder ‚The Office‘ – wo es auch so um diesess Narzissmusproblem geht. Also wer bin ich eigentlich und wie treffe ich auf die Welt? Das wird in ‚Pu, der Bär‘ extrem gut beschrieben. Also die ganzen Viecher, die er da im Wald trifft und wie die miteinander reden, das sind unglaublich gut geschriebene Dialoge. Und ich finde auch, dass die Übersetzung von Harry Rowohlt das Einzige ist, was ich kenne in Deutscher Sprache, was so an diese Sachen wie ‚Curb Your Enthusiasm‘ oder so heranreicht.

Was ich an ‚Pu der Bär‘ auch noch toll finde, ist wie schön da dargestellt wird, dass man immer mehrere ist, mehrere Rollen hat. Also die Figuren, die darin vorkommen – der depressive Esel, das Ferkel, die Eule – das ist alles eine Person und der Bär. Das ist wie so ein Kinderspiel, wo man so tut, als wär man wer anderer.
Und was in dem Buch super beschrieben ist, dass man diese nicht gleichzeitig ist – also im Sinne von verrückt sein – sondern immer hintereinander. Und dass die im Dialog miteinander sind – diese verschiedenen Ichs. Das ist eine sehr schöne Kinderweltbeschreibung, aber eben auch was Spielen eigentlich ist."

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