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Donaufestival, zweites Wochenende: Silver Apples

David Visnjic

Donaufestival

Bitte oszillieren Sie!

Auch am zweiten Wochenende ist das Donaufestival ein sinnlicher Krautgarten. Musik von Silver Apples, Actress, The Bug und mehr.

von Philipp L’heritier

Der Kosmos surrt. Am Freitag, dem Eröffnungstag des zweiten Wochenendes des Festivals, gab es beim Donaufestival in Krems am frühen Abend in der Minoritenkirche einen Künstler zu erleben, den man – ausnahmsweise jetzt einmal wirklich – eine „Legende“ nennen darf. Man kann beim Donaufestival auch immer wieder hören, wo das alles herkommt.

Auch wenn gar nicht so viele Menschen ihn kennen, ist er so sehr Legende, dass er oft bloß unter seinem Vornamen firmiert. Simeon. Schon seit den späten 60ern hat Simeon mit seinem Partner Dan Tayor im Duo Silver Apples die ärgste Musik gemacht. Man konnte sie nicht verstehen.

Silver Apples erfanden an Drums, einem selbstgebauten Synthesizer (er nennt sich „The Simeon“), diversen Sperrmüllmaschinen und Oszillator rätselhafte und wunderbare elektronische Musik vom verbotenen Planeten.

Kosmisches Knistern

Bald schön lösten sich die Silver Apples auf – es war seinerzeit mit so etwas kein Geld zu verdienen. Anfang der 2000er Jahre erstarkte das Interesse an den vergessenen Pionieren, es folgte eine gemeinsame Rückkehr und die endgültige Kanonisierung.

Seit dem Tod von Schlagzeuger Dan Taylor im Jahr 2005 ist Simeon alleine unter dem Namen Silver Apples unterwegs. Es summte also am Freitag in der Kremser Minoritenkirche, es zwitscherte psychedelisch, es rumpelte, es schepperte.

Donaufestival, zweites Wochenende: Silver Apples

David Visnjic

Silver Apples

Simeon stand hinter seinem Pult voller Geräte, Kabel und Knöpfe und beschwor die Trance herauf. Diese Musik hat deutschen Krautrock beeinflusst, Techno, den Schrottplatz-Elektronikpunk des New Yorker Duos Suicide und hat die süßen Computer-Kinderlieder von Kraftwerk vorausgedacht.

Das funktioniert auch live. Simeon war schamanistischer Dirigent, flüsterte und sang verschwörerische Beat-Poesie ins Mikrofon, auf der Bühne blinkte es an nie gesehenen Lichterorgeln, die der gute Mann in den 60ern wohl vom Set eines Science-Fiction-C-Movies gestohlen hat. Silver Apples bringt die Hypnose.

Schmerzen auf der Tretmühle

Später des Abends gab es dann auf dem Festivalhauptgelände hingegen die Bestrafung mit der Bassdrum. Die ursprünglich eingeplante irische Neo-Postpunk-Gruppe Girl Band hatte leider kurzfristig abgesagt, stattdessen holte man schnell ein Projekt der Musikerin und Künstlerin Gazelle Twin ins Programm.

Auf ihren Platten erzählt Gazelle Twin vom Verfall des Fleisches, dazu läuft hässliche, zauberhafte Todeselektronik. Beim Donaufestival jedoch gab es kein Konzert, sondern Kunst. „Kingdom Come“ nennt sich die Unternehmung, konzipiert von Gazelle Twin – anwesend war sie selbst nicht.

Eine audiovisuelle Hauch- und Fauch-Performance zu digitalem Gebrumm aus dem Off, zwei Menschen auf Laufbändern, die man aus dem Fitnessstudio kennt, trugen ausdruckslose, blanke Masken, ganz ähnlich, wie sie Gazelle Twin selbst gerne trägt. Eine eher theoretische Experience, anhand derer man sich immerhin Gedanken über Identität und Authentizität in der Musik machen kann: Gazelle Twin, Blue Man Group, Deichkind – Kunst als Franchise.

Donaufestival, zweites Wochenende: "Kingdom Come"

David Visnjic

„Kingdom Come“

Bass

Danach aber Feuer: Der englische Produzent Actress produzierte im Nebel die Musik für das Ende der Welt. Dystopie-Techno und morscher Dubstep aus den Ruinen des Kapitalismus. Metallene Claps und scharfe Kanten, ein Bass aus dem hintersten Ende des Bergwerks, wo noch keiner gewesen ist.

Ein Geflecht aus Partikeln und Sounds, böses Granulat, ein langsam, langsam sich aufschaukelnder Groove, Silver Apples in einer Fabrikshalle in Detroit, lange schon verlassen. Ein Highlight.

Donaufestival, zweites Wochenende: Actress

David Visnjic

Actress

Danach: Das jamaikansche Produzenten-Duo Equiknoxx holt auf seinem ausgezeichneten Album „Bird Sound Power“ Dancehall mit enormem Punch in die Zukunft: tiefer Bass, harte Schnitte, Vogelgezwitscher, Samples auch von, ja, den Silver Apples.

In der Live-Darbietung gestaltete sich die Musik von Equiknoxx mit Sängerin ein wenig saftlos und arbeitete feierlaunig dünnen Gute-Stimmung-Klischees zu. „Austria! Austria! Austria!“ Dennoch: Man möge Equiknoxx hören, man wird etwas lernen.

Wie das geht, mit dem digitalen Dancehall, konnte zum Schluss noch der englische Produzent The Bug zeigen. Mit Druck, mit Lärm, mit Bass aus der tiefsten Echokammer. Und mit der Sängerin, Rapperin, Entertainment-Großmacht Miss Red am Mikrofon. Sonic Warfare, Party, Leuchten.

Donaufestival, zweites Wochenende: Equiknoxx

David Visnjic

Equiknoxx

Donaufestival, zweites Wochenende: The Bug feat. Red

David Visnjic

The Bug feat. Miss Red

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