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Rauchende Frau und ein Junge, 20th Century Women

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Wehmut & Euphorie

Mit der bittersüßen Coming-Of-Age-Story „20th Century Women“ gelingt Regisseur Mike Mills erneut ein kleines Meisterwerk.

von Christian Fuchs

Es gibt sie immer wieder, glücklicherweise. Diese ganz besonderen Kinomomente. Diese Augenblicke, wo Filme wie ein grandioser Popsong wirken oder wie ein besonders gutes Konzert. Wo man diese spezielle Mischung aus Euphorie und Melancholie spürt und danach betört ins Freie taumelt.

Mike Mills ist ein Garant für solche außergewöhnlichen Filmerlebnisse. Der Grafikkünstler, der zum Regisseur mutierte, dreht ganz persönliche Werke, die mitten ins Herz treffen, auf höchst leichtfüßige Weise, aber auch gleichzeitig gesellschaftliche Stimmungen aufgreifen. In seinem letzten Streifen „Beginners“, mit Ewan McGregor und Christopher Plummer, hat Mills das Verhältnis zu seinem Vater aufgearbeitet, zum Heulen schön. In seinem neuen Werk „20th Century Women“, deutscher Titel „Jahrhundertfrauen“, lässt der Regisseur Erinnerungen an seine Mutter und die eigene Kindheit einfließen.

Mike Mills wuchs in Kalifornien auf, infiziert vom Aufbruchs-Spirit des Punk. Er entwarf als Grafik-Designer in den 90er Jahren legendäre Plattencover für Bands wie die Beastie Boys oder Jon Spencer Blues Explosion, begann dann auch bald Musikvideos für Freunde wie Air und Moby zu drehen. Mit seinem Debütfilm „Thumbsucker“ (2005) gewann der amerikanische Künstler diverse Festivalpreise, seitdem agiert er als Regisseur im Grenzbereich von Indie-Kino und Hollywood.

Kalifornische Generationskonflikte

Annette Bening spielt mitreißend eine Frau, die zwischen den Generationen steht. Aufgewachsen in der amerikanischen Depression der Dreißiger Jahre hat sie sich einen emotionalen Schutzpanzer aufgebaut, der Gefühle oft abprallen lässt. Mike Mills wunderbarer Film setzt im Jahr 1979 an, lockere Unbeschwertheit liegt in der kalifornischen Luft und Dorothea Fields fühlt sich fremd in der Welt der jungen, befreit wirkenden Leute. Dabei wohnen drei davon in ihrem Haus in Santa Barbara.

Mädchen sitzt auf einem felsen, 20th Century Women

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Da ist zunächst ihr Sohn Jamie (der Newcomer Lucas Jade Zumann), ein sensibler Teenager, der zwischen Skateboard-Abenteuern und ersten Liebeserlebnissen durch den Alltag treibt. Neben der schroffen Mama wird er von Abbie geprägt, einer freigeistigen Künstlerin mit Punkrock-Plattensammlung (Greta Gerwig, mit rothaariger New-Wave-Frisur, in einer ihrer besten Rollen) und auch von der jungen Julie (die immer grandiose Elle Fanning), seiner platonischen, besten Freundin.

Die jungen Frauen leben mit Dorothea, Jamie und dem hippieesken, etwas älteren Mitbewohner William (Billy Crudup) in einem kommunenartigen Haus zusammen. Streitgespräche und Spannungen über diverse Beziehungsfragen, den offenen Umgang mit Menstruation oder über die Lyrics von Black-Flag-Songs sind vorprogrammiert, feministische Standpunkte kollidieren mit dem knochentrockenen Pragmatismus der WG-Mutter.

All Mtglieder am WG-Tisch, 20th Century Women

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Verbeugung vor dem Leben

Wie schon in seinem tragikomischen Debütstreifen „Thumbsucker“ und vor allem in „Beginners“ verwebt Mike Mills neben den Charakterstudien spielerisch Reflexionen über die Vergangenheit und Gegenwart in seinen Film. Mit eingestreuten, poppigen Montagen bringt er jüngeren Zusehern die Ära der ausgehenden Siebziger näher und löst bei Zeitzeugen wehmütiges Seufzen aus. Banale Nostalgie-Knöpfe, auf die es die diversen Vertreter der grassierenden Retro-Filme und Serien abgesehen haben, drückt Mills aber nie. Er erinnert als punktgenauer Chronist schlicht an ein utopisches Amerika, das kurze Zeit greifbar schien.

Besonders großartig diesbezüglich: Eine Szene, in der die versammelte Patchwork-Familie einer berühmten TV-Ansprache des damals schwer unterschätzten US-Präsidenten Jimmy Carter lauscht. Wenn dieser darin vom Auseinanderdriften der Gesellschaft spricht, den Konsumwahn attackiert und zwischenmenschliche Solidarität einfordert, dann mutet das im eiskalten politischen Hier und Jetzt bizarr und berührend gleichzeitig an.

zwei Junge Frauen, eine fotografiert, 20th Century Women

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„20th Century Women“, dieser sanft dahinschwebende und dann wieder tief packende Film, ist vieles gleichzeitig. Ein Coming Of Age-Drama. Ein Werk über weibliche Selbstbestimmung, männliche Selbstfindung und menschliches Zusammenleben. Eine Verbeugung vor tollen Frauen, tollen Männern, vor dem Leben selbst.

Gewinn Tickets!

Wir zeigen „20th Century Women“ in einer exklusiven FM4 Kinopremiere.

Wir verlosen 48x2 Tickets für 20th century women, OmU, 119 Minuten, am 17.5.2017 um 20 Uhr im Votiv Kino unter all jenen, die uns folgende Frage beantworten können:

Welche Künstlerin hat 1979 einen Tisch für eine feministische „Dinnerparty“ gedeckt?

Die Verlosung ist bereits beendet, Judy Chicago war die richtige Antwort. Die GewinnerInnen wurden bereits per Mail verständigt.

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