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American Gods

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Was dürfen wir glauben?

Die auf dem gleichnamigen Erfolgsroman von Neil Gaiman basierende Show „American Gods“ glüht in allen Farben. Absurde Existenzphilophie.

von Philipp L’heritier

Irgendwann in der zweiten Episode der kürzlich angelaufenen Show „American Gods“ spricht die Hauptfigur mit dem schönen, kryptischen Namen Shadow Moon nach langem, langem Zaudern und Zögern und Warten einige wutentbrannte Worte: Er habe keinen fucking clue was denn hier los sei, er wolle jetzt aber doch endlich einen fucking clue haben, so sagt er zu einem zwielichtigen Gegenüber.

Und klarerweise spricht die Serie „American Gods“ hier schelmisch zum Zuseher, dem Zuseher aus der Seele. Nach zwei opulenten, farbenmächtigen, psychedelisch geladenen Episoden ist hier noch kaum auszumachen, worum es in dieser Serie denn gehen könnte. Es macht nichts.

Supercinemascope

„American Gods“ ist ein abenteuerlicher Ritt, ein großer Spaß und großer Quatsch, steil überzuckert und geil, brutal, hart und albern. Die Verhandlung und Abklopfung von Religion, Politik, Geschichte, die Drehung und Verbiegung von Science Fiction, Fantasy, Horror und cartoonhaftem Slapstick.

„American Gods“ basiert auf dem gleichnamigen, wahnsinnigen Bestseller des britischen Autors Neil Gaiman aus dem Jahr 2001, mit Produzent Bryan Fuller hat sich ein mehr als passender Mann für die filmische Umsetzung dieses üppigen, themenreichen und rätselhaften Buches gefunden.

Fuller war Hauptverantwortlicher hinter der 2013 bis 2015 gelaufenen Serie „Hannibal“ und hat da drei Staffeln lang die ungesunde Bromance zwischen hyperintelligentem Serienkiller und FBI-Profiler als deftig dampfende Schlachtplatte inszeniert, als überbordenden Ölschinken und detailreiche Kunstinstallation.

Bei „American Gods“ würzt er noch einmal deutlich nach und drückt drei Tuben Fettglanz dazu. Und webt Humor in die ganze Pracht.

Gott ist nicht tot

Auch wenn es in der Show bislang noch kaum herauszulesen ist – der Plot von „American Gods“ baut auf folgendem Konzept auf: Wenn Einwanderer in die USA kommen, dann bringen sie ihre Gottheiten mit. Ägyptische, nordische, irische. Die leben dann in Menschengestalt auf Erden und müssen auch ihre Miete bezahlen, haben Jobs, trinken, schlägern sich und haben Sex. Nebenbei müssen sie daran arbeiten, dass die Menschen weiterhin an sie glauben – andernfalls würden sie verblassen und aufhören zu existieren.

Im Zentrum steht der gutherzige Muskelberg Shadow Moon. Ein Ex-Sträfling, der bei einem Unfall seine Frau verloren hat und jetzt nicht mehr weiß, was er mit diesem Leben anfangen soll.

Widerwillig gerät er in die Dienste des mysteriösen Mr. Wednesday: ein schlingelhafter Trickser und Betrüger, der sich später als Gott Odin entpuppen wird. Schauspieler Ian McShane ist Idealbesetzung für diesen wieseligen, undurchsichtigen, schon auch irgendwie liebenswerten Halunken.

Shadow Moon wird Bodyguard, Chauffeur, Mann fürs Grobe und Mädchen für alles von Mr. Wednesay. In einem alten amerikanischen Wagen cruisen sie durch die Staaten, um andere Götter zu rekrutieren, für den großen, großen Kampf gegen die neuen Gottheiten der Moderne: Technologie, Medien. Davon weiß Shadow aber noch nichts. Davon, dass er sich in einer absurden, bizarren, wild mäandernden Geschichte mit hunderten von Seiten befindet.

American Gods

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American Dream

Bislang funktioniert „American Gods“ als Verkettung von Szenen und Bildern und Schauwerten. Von fein geschnitzen Dialogen und pompösen Monologen. Dramaturgie und die große Geschichte sind nicht wichtig, bislang.

„American Gods“ ist ein Mosaik und eine Irrfahrt, ein Roadmovie zwischen Motels, Landstraßen und kaputten Neonlichtern. Americana, Folklore, Elektronik, Industrie, Geschichte und Zukunft.

Die erste Episode beginnt, schrill in Szene gesetzt, mit der Ankunft der ersten Wikinger in Nordamerika. Warum? Die zweite Episode wiederum startet im Bauch eines niederländischen Segelschiffs, das unterwegs ist, um Sklaven aus Afrika nach Amerika zu bringen.

„American Gods“ ist Historienroman und quietschbunter Trash, blutiger Schock-Comic und elegische Reflexion zu den monumentalen Themen. Was wollen wir glauben und wozu?

Wir treffen auf Pablo Schreiber („Orange is the new Black“) als irischen Kobold und den üblich mürrischen Peter Stormare als slawischen Gott der Finsternis, der die guten Zeiten vermisst, in denen man als Schlachtmeister das Vieh noch mit einem gigantischen Schlachthammer erschlagen durfte.

Auf Orlando Jones als gewieften afrikanischen Gott Anansi und auf Gillian Anderson als Göttin der Technologie, die im Elektronikfachmarkt von Fernseh-Bildschirmen zu unserem armen, verwirrten Shadow spricht.

„American Gods“ sprudelt über, auch nicht uneitel. Coen Brothers und Tarantino, Monty Python und Expressionismus im Andenken an Friedrich Murnau. Unfug und Philosophie, Tradition, Explosion, Hyperreality.

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