Der ganz alltägliche Horror
Von Lisa Schneider
„Ich hab mich zu ihm runtergebeugt und seinen Kopf weiter auf den Boden geschlagen, ganz methodisch. Dann ist sein Kopf am Türrahmen zerplatzt.“
Wer spricht hier? Ein Mörder? Nein, es ist die stockende Stimme des Polizisten Yoann Peeters (Yoann Blanc). Er schildert seine schockierenden Träume einer namenlosen Psychologin (Jasmina Douieb). Dass er selbst mehr Angst davor hat als die, die sie zu hören bekommen, merkt man an seinem starren Gesichtsausdruck, an der schwerfälligen Mimik. Vor kurzem ist er mit seiner Tochter Camille (Sophie Breyer) von Brüssel zurück in seinen Heimatort gezogen.
Heiderfeld ist ein verschlafenes Nest mitten in den belgischen Ardennen, wo der Nadelwald kein Ende erkennen lässt. Der Umzug hatte vor allem einen Grund: Yoann muss den Tod seiner Frau, die erst vor kurzem verstorben ist, verwinden.
Die Therapiesitzungen, die den Rahmen der Serie „The Break“ bilden, rollen die Geschichte von hinten auf. Dabei greifen sie tief in die Vergangenheit des Polizisten ein: Er wird für das blutige Scheitern eines Polizeieinsatzes in Brüssel, bei dem vier Männer ums Leben kamen, verantwortlich gemacht. Die oben geschilderte Szene, in der er einen Postboten quasi zu Brei schlägt, sind die Nachwehen dieses traumatischen Erlebnisses.
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Vom Regen... in die Traufe
Die dringend benötigte Ruhe jedenfalls ist Yoann nicht lange vergönnt: Schon am Tag seiner Ankunft wird die Leiche des aus Togo stammenden, schwarzen Fußballspielers Driss Assani in den Ausläufen des Flusses angespült. Der Polizeichef des Ortes ist taktisch bemüht, die ganze Affäre als Selbstmord abzutun – Obduktion und weitere Untersuchungen seien nicht im Budget der örtlichen Polizei veranschlagt. Yoann, einmal die Fährte erschnuppert, hat sich wie ein Terrier am Fußbein festgebissen und lässt nicht locker.
Aufnahmen wie die der „Selbstmordbrücke“, von der der Fußballspieler gesprungen sein soll, könnten genauso gut einer hochqualitativen Naturdokumentation entnommen sein. Ausufernde Kameraschwenks und Aufnahmen aus der Vogelperspektive von grün-türkis schimmernden Wald- und Flusslandschaften lassen die Menschen schrumpfen.
Ihr seid allein mit der Natur, allein in diesem seltsamen, geheimnisvollen Örtchen.
Die fantastischen Aufnahmen sind von einem gräulichen Schleier überzogen, man sieht ihn weniger, als man ihn spürt, eine bedrückende Atmosphäre, die die Spannung schürt. Hier stimmt etwas ganz und gar nicht.
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Genie oder Wahnsinn
Der erste Verdächtige, der am Fluss in einem verwahrlosten Wohnwagen haust, ist Jeff, von allen „der Indianer“ genannt. Yoann Peeters und sein ihm an die Seite gestellter Partner Sébastian Drummer (Guillaume Kerbush) streifen durch den Blätterwald, um ihn zu befragen. Schaurig präzise fährt die Kamera hier ins Detail: Marienstatuen, deren Farbe längst abgeblättert ist, Babypuppen oder, besser gesagt, deren Einzelteile, liegen verstreut herum. Einer der Momente erinnert sehr stark an die genreähnliche Serie True Detective, als seltsame Äste-Konstruktionen ins Blickfeld schwanken.
Jeff ist „völlig durchgedreht“, seit seine kleine Tochter vor vier Jahren umgekommen ist. Er selbst gibt der Jungfrau von St. Anne die Schuld. Ein Spinner, der aber etwas weiß, ahnt Yoann. Es gilt, ihn zum Reden zu bringen.
Die erste Staffel von „The Break - Jeder kann töten“ kann man auf Sky Atlantic sehen.
Im Zuge seiner nicht immer ganz orthodoxen Ermittlungen deckt Polizist Peeters immer mehr Geheimnisse der DorfbewohnerInnen auf. Da wäre etwa die Bürgermeisterin, die sich für keine Art von Lobbying zu schade ist, um die Errichtung eines Dammes zu erwirken. Während sie mit ihren eigenen Intrigen beschäftigt ist, schläft ihr Sohn währenddessen mit dem Hausmädchen – wenn er nicht gerade dabei ist, Gras zu verkaufen. Die Tochter von Peeters kommt der Drogenszene (ja, die gibt es sogar in Heiderberg) gefährlich nahe. Aber der Wunsch nach Anschluss lässt eben alle anderen Gedanken verblassen.
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Die Heiderberg’sche Fassade ist intakt, dahinter grummelt und brodelt es. Illegale Sadomaso-Spielchen, körperlicher und sexueller Missbrauch und Inzest inklusive.
Niemand weiß, wer der perverse Anrufer ist, hinter welchem Baumstamm er sich versteckt. Der Mordfall Driss löst eine Lawine aus, jede Episode ist ein Teilchen, das das Horrorpuzzle am Ende komplett macht.
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Alltagshorror
„The Man Who Owns The Place“ singt Balthazar-Sänger Maarten Devoldere im perfekt ausgesuchten Theme-Song. Wem gehört er, dieser Platz, dieser entrückte, seltsame Ort? Wer regiert hier? Wessen Gesetze herrschen? Wie ein Spinnennetz verwoben sind die Geheimnisse, und nur langsam sieht man die zusammenhängenden Fäden.
Verglichen mit Genregenossen wie „Twin Peaks“ oder „True Detective“ zeichnet sich die Serie „The Break“ (Originaltitel: La Trêve) durch ihren gnadenlosen Realismus aus. Die Sadomaso-Spiele finden im Hühnerstall statt, gleich um die Ecke. Jeder versteckt etwas, und ist dabei gleichzeitig so nahbar, dass es einem die Nackenhaare aufstellt.
Oder weißt du, was deine Nachbarin so treibt, abends, wenn das Licht aus ist?
Publiziert am 21.05.2017