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LCD Soundsystem performs at the Panorama Music Festival in New York. July 2016

KENA BETANCUR / AFP

Der Song zum Sonntag

Dream, Baby, Dream

Der Song zum Sonntag: LCD System - „American Dream“

Von Philipp L’heritier

James Murphy singt immer wieder davon, wie ihm der süße Vogel Jugend davonfliegt. Aber vielleicht ist es auch okay. In den Stücken von Murphys Projekt LCD Soundsystem geht es nicht selten ums Altern, ums Müdewerden, aber vielleicht auch ein bisschen ums Ruhiger- und Ausgeglichenerwerden.

Schon im ersten Track des LCD Soundsystem, „Losing My Edge“, der auch schon, wer glaubt es, 15 Jahre auf dem Buckel hat, erzählte James Murphy als abgebrühtes Musiklexikon von der Angst vorm schrittweise Verblassen seiner Hipness. Die coolen, jüngeren Kids aus Frankreich und London schleichen sich von hinten mit ihren schmalen Lederjäckchen an Murphy heran und überholen ihn. Da war Murphy 32 Jahre alt.

James Murphy von LCD Soundsystem

CC BY-SA 4.0, Tore Sætre, Wikicommons

CC BY-SA 4.0, Tore Sætre, Wikicommons

Im Meisterstück „All MY Friends“ dann ging es um die Erschöpfung, aber auch die Erlösung, darum, dass das nicht mehr so gut geht mit den langen, langen Nächten, dem Reisen, dem Draufsein.

Ein bisschen muss man Murphy und seinem LCD Soundsystem böse sein: 2011 hat er großspurig und um Legendenbildung bemüht die Band aufgelöst. Nach nur fünf Jahren ist das LCD Soundsystem zurückgekommen.

Gerade ist eine so genannte Doppel-A-Seiten-Single mit zwei neuen Songs erschienen. Und wenn einer davon so ein rührendes Wunderwerk wie der Song „American Dream“ ist, dann wollen wir die Freude über die Rückkehr überwiegen lassen.

Auch hier singt Murphy mit brüchiger Kieksstimme – dabei so gut wie selten zuvor – von den seltsamen Gedanken und den matten Emotionen, die einem so durch den Schädel und den Körper rieseln, wenn die Stunden, die Tage und die Jahre so verfliegen. Wollen wir einen Sinn suchen?

In musikalischer Hinsicht ist das wieder einmal betont schlicht und minimalistisch gebaut und verweist recht deutlich auf die Vorbilder: Ein Lullaby, das sich vor den großen, kaputten New Yorker Sperrmüll-Elektronik-Punks von Suicide verbeugt, garniert mit einem Synthie-Thema, das direkt aus dem Intro von „Plainsong“ von The Cure entlehnt scheint. Von dieser Kombination und von der Diskrepanz zwischen krassem Fertigsein und der zarten Melancholie handelt auch der Text.

Delikat, mehrdimensional ausproduziert ist das Ganze ohnehin – James Murphy ist Soundengineer. Er singt von bedeutungslosen One-Night-Stands, die auch nichts mehr bringen.

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  • Auch der geschätzte Wissenschafts- und Popjournalist Thomas Kramar macht sich in der Presse am Sonntag zum jeweils selben Song seine Gedanken.

Man fragt nicht mehr nach Namen. Am Morgen danach scheint einem die Sonne ins Gesicht und man kann schon die Falten sehen. Man will seine Ruhe haben, gleichzeitig sehnt man sich doch nach der großen, großen Liebe: „Find a place where you can be boring“.

Das Lied ist voller fantastischer Zeilen: „It’s a drug of the heart and you can’t stop the shaking ‘cause the body wants what it’s terrible at taking.“

Oder: „You just suck at self-preservation versus someone else’s pain.“ Das Lied heißt „American Dream“. Werden wir jemals Erfüllung finden, in der Liebe, im Leben? Selten haben Zerrissenheit, Sehnsucht, Abstumpfung so süß geklungen. Sha-bang. Sha-bang.

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