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Kristian Kostov mit bulgarischer Fahne

SUPINSKY / AFP

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Unser Bursch

Die Lieder des Eurovision Song Contests sind uns allen egal, doch alle wollen, dass „ihr“ Kandidat gewinnt.

Von Todor Ovtcharov

Der Eurovision Song Contest wurde erfunden, um Europa kulturell zu vereinen, als ein Format, wo die Politik draußen bleiben soll. Doch die Geschichte hat uns gezeigt, dass beim ESC die Politik oft wichtiger ist, als die Musik. Ihr erinnert euch vielleicht an die georgischen Teilnehmer von 2009, die mit ihrem Song „We Don’t Wanna Put In“ nicht mitmachen durften, weil er Anspielungen auf den russischen Präsidenten enthielt. Die Gewinnerin vom letzten Jahr sang über die Deportation der Krimtataren und gewann. Heuer wurde die russische Vertreterin nicht in die Ukraine reingelassen, weil sie mal auf der Krim aufgetreten ist.

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Der Sänger aus Bulgarien hingegen sang auch mal auf der Krim, allerdings war das Auftrittsverbot damals noch nicht in Kraft. Der erst 17-jährige Kristian Kostov ist ein Kind der Globalisierung - sein Vater ist Bulgare, seine Mutter Kasachin und er wurde in Moskau geboren. Sein Song hingegen wurde von Schweden komponiert. Die Russen im Ausland wurden auch dazu aufgerufen, „ihren“ Kristian zu unterstützen.

Dieses Jahr habe ich das ESC-Finale in Spanien im TV gesehen. Ich habe Freunde besucht, die das vereinte Europa bestens nutzen - sie arbeiten von Zuhause im IT-Bereich und leben mal in Schweden, mal in Bulgarien, mal in Spanien. Wir haben Gott sei Dank erst eingeschaltet, als die Lieder vorbei waren und die Länder ihre Punkte vergeben. Die ukrainischen Moderatoren kommen mir wie Plastikmenschen vor - mit ihren Anzügen und dem falschen Lächeln. Wir bekommen mit, dass der bulgarische Song gerade auf dem zweiten Platz liegt. Niemand von uns hat ihn je gehört und niemand hat die Absicht, es zu tun. Doch wir drücken die Daumen für „unseren Burschen“. Alle freuen sich, wenn er viele Punkte bekommt und aufholt - und alle sind deprimiert, als er schlechter bewertet wird. Sogar ich, dem Nationalismus völlig fremd ist, drücke ihm die Daumen. „Unser Bursch“ wird Zweiter. Das ist das beste Ergebnis, das Bulgarien je erreicht hat. Trotzdem ist das Gefühl bitter, dass er nicht Erster geworden ist. Bis zum Ende hören wir uns seinen Song nicht an. Der ist uns auch völlig egal.

Draußen, in der warmen spanischen Nacht, hören wir junge Leute. Sie singen gut, aus dem Herzen und haben sichtlich Spaß. Anscheinend interessiert sich niemand dafür, dass Spanien den letzten Platz belegt hat.

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