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Pirates Of The Caribbean 5

Disney

Es zischt die Gischt

In der Franchise Cash Cow schlägt wieder ein kleines Herz. In „Fluch der Karibik: Salazars Rache“ jagt Javier Bardem als Geist den stets trunkenen Captain Jack Sparrow.

Von Pia Reiser

Wenn ein Schauspieler zum bereits fünften Mal die gleiche Rolle in einem höchst erfolgreichen Franchise übernimmt, das sich unter anderem durch sehr hohe Produktionskosten und Krawallhaftigkeit auszeichnet, dann muss es einen eigentlich nicht wundern, wenn das bombastische Franchise auf den Lebensstil abfärbt. 5 Millionen Dollar hat Johnny Depp dafür gezahlt, die Asche von Hunter S Thompson aus einer Kanone zu schießen, seine Kosten für Wein belaufen sich auf 30.000 Dollar im Monat.

Johnny Depp, der einstige Darling des amerikanischen Indiekinos, ist momentan verhaltenstechnisch sowas wie ein Relikt aus alten Hollywood-Zeiten. Die Filmgeschichte der 20er bis 70er Jahre ist voll von unberechenbaren Schauspielern und Regisseuren. Nicht, dass die alle sympathisch waren, aber wer sich mit Filmgeschichte beschäftigt, weiß von der Faszination der Filmwelt vergangener Dekaden. Lange vor der Existenz der scheußlichen generic Interviews, in der alle nur beteuern, wie gern sie miteinander gearbeitet hätten und wie wonderful der Film geworden sei.

Geschichten von den Dreharbeiten von „Fluch der Karibik: Salazars Rache“ klingen wie Anekdoten aus den 1960er oder 1970er Jahren: Am Set von „Pirates oft he Caribbean: Dead Men Tell No Tales“ gab es eine eigene Person, die dafür abgestellt war, der Filmcrew Bescheid zu geben, wenn Johnny Depp aufgestanden ist - oder das Licht in seinem Haus aufgedreht hat. Depp sei ständig zu spät und die meiste Zeit betrunken gewesen. Könnte man auch als method acting interpretieren. Depps Figur, Captain Jack Sparrow, die Depp 2003 zum Superstar gemacht hat, ist auch stets angetschechert und sicher nie pünktlich. Der Schauspieler mit Vorliebe für kleine Produktionen und kauzige Figuren in einem Disney-Franchise nach Vorbild einer Attraktion aus Disney World – der Reiz dieser Gegensätze war nicht unwichtig für den Erfolg der „Fluch der Karibik“-Reihe.

Pirates Of The Caribbean 5

Disney

Während Depp ja stets Keith Richards als Inspiration für Sparrow angegeben hat, gleicht der Geisterpiratenjäger Salazar mit weißem Make Up und Zottelmähne Ozzy Osbourne.

Nun sticht 14 Jahre nach dem ersten Film Jack Sparrow zum fünften Mal in die digitalen Gewässer und CGI-Gewitter, das geliebte Schiff „Black Pearl“ ist geschrumpft und schwimmt in einer Glasflasche, die Sparrow stets mit sich rumträgt, und Schrumpfen ist generell die richtige Entscheidung für alles, was die Disney-Piraten angeht: das Karacho ein bisschen eindämpfen, den tosenden Hans-Zimmer-Soundtrack nicht mehr alle drei Minuten lautstärkemäßig bis zum Anschlag ertönen lassen, bis alles vom titelmelodischen ROM POM ROMPOMPOMPOM verschluckt wurde und man sich nach einer Kopfwehtablette sehnt.

Die Geschichte, oder sagen wir mal, der Handlungsfaden, an dem die Filmreihe ihre Gründe für Massen- und Kampfszenen auffädelt, ist diesmal entschlackter, geradliniger, es genügt ja, dass Sparrow unentwegt torkelt. Sparrows Gegenspieler ist diesmal ein Geisterpiratenjäger namens Salazar, der auf Rache sinnt, nachdem Sparrow dereinst (ein bizarr digital verjüngter Johnny Depp) ihn und seine Mannschaft bei einem Zwischenfall im „Devil’s Triangle“ in Geister aus Asche und Knochen verwandelt hat. Während Depp ja stets Keith Richards als Inspiration für Sparrow angegeben hat, gleicht Salazar mit weißem Make Up und Zottelmähne Ozzy Osbourne - und um das Rock-Gleichgewicht wiederherzustellen und die ewige „Beatles oder Stones“-Frage auch in dieser Filmreihe nicht zu vernachlässigen, hat Paul McCartney einen Kurzauftritt als Sparrows Onkel.

Will Turners Sohn wiederum braucht Sparrows Hilfe, um den Dreizack des Poseidon zu finden, um seinen Vater (Orlando Bloom) von einem Fluch zu befreien. Orlando Bloom, der schlechteste lebende Schauspieler unserer Zeit lebt in einem Schiff unter Wasser und die Muscheln beginnen schon sich in seinem Gesicht festzusetzen. (Den No-budget-Indiefilm, in dem sich Orlando Bloom langsam, aber sicher in eine Muschel verwandelt, möchte ich ja auf der Stelle sehen.)

Pirates Of The Caribbean 5

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Kaya Scodelario spielt eine Frau, die Vernunft, Mut und Wissenschaft verkörpert.

Nachdem man nach den Teilen Drei und Vier die Hoffnung für das Piraten-Franchise bereits aufgegeben hatte, ist „Fluch der Karibik: Salazars Rache“ eine ziemlich erfreuliche Angelegenheit. Die Regisseure Joachim Ronning und Espen Sandberg haben bereits mit dem fantastischen Seefahrerfilm „Kon-Tiki“ bewiesen, dass sie wissen, wie man bärtige Männer auf hoher See inszeniert und irgendwie schaffen sie es auch hier, dass nicht alles in gleichmachender CGI-Masse erstickt wird. Zwischendrin blitzt Witz auf.

Die beste Sequenz findet sich - wie auch im vierten Teil - ziemlich am Anfang. Sparrow und seine Crew versuchen sich am Raub eines Tresors. Der Raub und die Flucht ist eine exzellente Choreografie der Destruktion und des Chaos, bei der schließlich ein ganzes Haus über eine Insel gezogen wird. Und weil sich bei Teil Fünf auch eine leichte fatigue gegenüber der ewiggleichen Inszenierung von Spelunken, Kajüten und einsamen Inseln einstellen kann, kann man sich hier über visuelles Neuland freuen: Geisterhaie und eine fast „Arielle“-würdige Unterwasserwelt, zum Beispiel, stechen raus und bleiben in Erinnerung - ebenso eine wahnwitzige Guillotinen-Szene, an der wohl auch Peter Sellers seine Freude gehabt hätte.

Pirates Of The Caribbean 5

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Und inmitten all der Hohlköpfe, die unter Piratenflagge segeln, findet sich eine Frauenfigur, die alles andere als eine Damsel in Distress oder reiner love interest ist: Kaya Scodelario spielt eine Frau, die Vernunft, Mut und Wissenschaft verkörpert, und wir dürfen erleben, wie Kapitän Barbossa auf seine alten Tage sentimental wird.

Da es momentan keine Kommentarfunktion hier gibt, ich aber auf eure Kommentare, Lese- und Filmempfehlungen nicht verzichten möchte: pia.reiser@orf.at bzw Facebook-Freundschaft, yay!

Wer sich einen richtig fantastischen Film des Regieduos Ronning/Sandberg anschauen will, der soll zu „Kon-Tiki“ greifen, doch die beiden haben es auch mit „Fluch der Karibik: Salazars Rache“ geschafft, der seelenlosen Franchise Cash Cow wieder den Hauch eines Herzens zu verpassen. Vom Hans-Zimmer-Soundtrack induziertes Kopfweh hat man auch nach diesem Film, aber es ist nicht das einzige, was man mitnimmt.

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