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Pumarosa

Hollie Fernando

Kann eine Band denn gar nichts falsch machen?

Die Londoner Band Pumarosa nennt ihr Album „The Witch“. Angeführt von Isabel Munoz-Newsome spielen Pumarosa Musik der Stunde.

Von Eva Umbauer

Eine Pumarosa ist eine seltene südamerikanische Frucht, wie Isabel Munoz-Newsome im FM4-Interview erklärt. Das Wort „pumarosa“ kommt aus Puerto Rico und steht für den „rose apple“. Diese Frucht, die blassrosa aussieht,eher rund und leicht glänzend ist, aber insgesamt nicht sehr glamourös, ist also die Namensgeberin für Londons vielleicht beste junge Band, und nicht etwa der rosarote Panther oder gar die Turnschuhe in der pinken Variante. Der Vater von Isabel Munoz-Newsome stammt aus Chile in Südamerika, deshalb der Bezug zur exotischen Frucht.

Seltene, süße Frucht

Isabel spricht durch ihren Vater Spanisch - aber nicht so gut, dass sie einen Roman schreiben könnte, wie sie selbst sagt -, ist ansonsten aber ein „London girl“ durch und durch, eine junge Frau, die ihre Stadt liebt und gleichzeitig Angst um diesen Ort hat - Angst, dass London eines gar nicht so fernen Tages zu einer Art Museum wird, weil in dieser ja kaum mehr leistbaren Megacity nichts mehr möglich ist, wenn man nicht viel viel Geld hat. Und so ist das Headquarter von Pumarosa im Nordosten der Stadt gelegen, ein kleines Studio in einer Gegend namens Dalston, die einst wild und verrufen war, jetzt aber auch schon am Rande der Gentrifizierung steht.

Cover "The Witch"

Chessclub Records

Pumarosas Debütalbum „The Witch“

Noch geht es in Dalston für Pumarosa, aber dann? Die Band macht sich erst einmal keine weiteren Gedanken, schließlich muss auch im Hier und Jetzt gelebt werden. Aber der Sound ihrer Band, meint Isabel Munoz-Newsome, er kommt sicherlich auch zum Teil von diesem Sich-Gedankenmachen. In den Texten geht es etwa auch um das Mehr, um das Immer-Mehr-Wollen, um das gedankenlose Konsumieren, aber es geht auch um Beziehungen, um Hollywood, oder wie man sich eine harte Schale zulegt - und von dieser schließlich erdrückt wird.

Industrial Spirit im Sound

Der Sound von Pumarosa ist modern und urban, aber er hat auch ein theatralisches Element an sich, ein dramatisches, nicht nur wegen der Stimme von Isabel Munoz-Newsome. Die Band selbst bezeichnet ihren Sound gern als „industrial spiritual“. Isabel, die „Hexe“ - schließlich heißt das Album der Band dann ja auch „The Witch“ - und ihr geheimer Cocktail, den sie vor ein paar Jahren begann anzurühren. Damals war sie noch am Theater tätig, als Stage Managerin und auch Tänzerin, und Isabel war Fan von Radiohead, aber auch von britischem Folk-Pop. Also begann sie auch folkige Songs zu komponieren und zu singen. Vom reinen Indie-Folk kam die heutige Pumarosa-„Hohepriesterin“ Isabel Munoz-Newsome aber weg, als sie schließlich alle Mitglieder für ihre Band beisammen hatte, inklusive einem Japaner mit Saxofon unterm Arm.

Pumarosa sind Isabel Munoz-Newsome (Gesang, Gitarre, Piano), Nicholas Owen (Drums), Henry Brown (Bass), Neville James (Gitarre), und der japanischstämmige Tomoya Suzuki, der am Keyboard ist und auch das Saxofon spielt, das Pumarosa so clever einsetzen.

Pumarosa sind eine „richtige“ Band, betont Isabel Munoz-Newsome, auch wenn sie viel alleine schreibt und komponiert und die anderen dann erst zum Arrangieren der Songs hinzukommen. Ok, ein bisschen so wie Siouxsie & The Banshees. Nein, ganz so billig wollen wir dann doch nicht vergleichen. Aber ein wenig von Siouxsie Sioux ist schon in der Stimme von Isabel, obwohl diese letztlich in der Tat dann eher irgendwo zwischen der sehr gegenwärtigen Stimme von Jehnny Beth von den Savages und der legendären Kate Bush liegt. In Wahrheit ist die Stimme von Isabel Munoz-Newsome jedoch einzigartig, so wie der Sound von Pumarosa schlussendlich ein ganz eigener ist.

Ein paar der Pumarosa-Songs haben etwas von Radiohead - "der Albumtitel „The Witch“ oder „Lion´s Den“, manchen wohnt der Postpunk inne - etwa „Honey“. Den Grunge liebt Isabel Munoz-Newsome sowieso, den Britpop auch - „My Gruesome Loving Friend“, was aber den Trip Hop keineswegs ausschließt, wie man etwa in „Barefoot“ hört, oder diesen verwaschenen englischen Shoegaze-Klang der frühen 90er Jahre, schließlich muss eine hochpräsente, warmherzige Frontfrau auch mal zu Boden starren dürfen, während sich ihre schamanische Psych-Pop/Indie-Goth/Spacerock-Musik in Richtung Himmel schraubt.

The Witch

Wie macht diese Hexe das nur? Diese Hexe vermag wohl niemals jemand auf den Scheiterhaufen zu bringen. Vielleicht ist das ja, weil Pumarosa auch noch eine Portion Funk in ihre Musik injizieren - etwa beim Song „Red“, den man wohl als „Freak-Funk“ bezeichnen könnte, oder vielleicht haben Pumarosa bevor sie „Red“ einspielten ja nur drei Tage und drei Nächte lang die Musik ihrer britischen Bandkollegen Foals gehört und dann schelmisch mit dem Auge gezwinkert.

Eine Buchempfehlung von Isabel Munoz-Newsome: „Caliban und die Hexe“ von der US-Professorin Silvia Federici, ins Deutsche übersetzt von Max Henninger und herausgegeben von Martin Birkner bei Mandelbaum.

„Caliban und die Hexe“ ist eine Geschichte des weiblichen wie auch des kolonialisierten Körpers während des Übergangs zum Kapitalismus.

Isabel Munoz-Newsome: „The female figure of the witch is something I´m really interested in.“

Ach ja, und Bob Marley mögen Pumarosa auch noch. Geht´s noch? Kann eine Band denn gar nichts falsch machen? Nein, Pumarosa erscheinen auf ihrem Album unbesiegbar, auch wenn Isabel Munoz-Newsome in „Dragonfly“ dafür plädiert, dass wir unsere gepanzerte Haut abwerfen, uns wie Insekten herausschälen, um uns füreinander öffnen zu können und vielleicht gar das eine oder andere transzendentale Erlebnis zu haben. „The song ‚Dragonfly‘ is about shedding an armour and opening up“, sagt Isabel im FM4-Interview.

Pumarosa haben sich dann auch für einen Produzenten geöffnet, anstatt sich komplett auf sich selbst als Band zu verlassen. Für alle Fälle, man weiß ja nie, ob man einen Fallschirm braucht. Also nahmen Pumarosa ihr Album „The Witch“ zusammen mit einem gewissen Dan Carey auf. Dan ist Songschreiber, betreibt aber vor allem sein eigenes Tonstudio in Südlondon. Dort werkte er etwa schon mit englischen Bands wie Franz Ferdinand, Toy oder den Mystery Jets, sowie den britischen Musikerinnen Bat For Lashes und Kate Tempest, sowie großen Namen wie Bloc Party, Kylie Minogue, Sia oder Lily Allen. Dan Carey half Pumarosa vor allem, so viele musikalische Einflüsse in den einzelnen Songs zu einem Ganzen zu verschmelzen. Mission accomplished. Pumarosa - Band der Stunde, Band der Zukunft.

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