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Marcel Koller bei einer PK

APA/HANS KLAUS TECHT

ÖFB-Team

too little, too late...

The daily Blumenau, Tuesday Edition, 23-05-17. #fußballjournal17

von Martin Blumenau

Marcel Koller unternimmt zu spät zu wenig (und dabei auch noch das Falsche) um den Zugriff auf das ÖFB-Team zu erhalten. Es ist ihm entglitten und liegt in Scherben am Boden.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

Es sei nahe an der Wutrede gewesen, er habe sich in Rage geredet, auf den Tisch gehauen – was von den Sportmedien an markiger Übertreibung in die Titel gelegt wird, hat mehr mit Aufmerksamkeits-Heischerei am Medien-Markt der Aufgeregtheit, seinen Gepflogenheiten, einem prallgeilen Publikum und Lust an Hysterie zu tun, als mit der Realität.

Marcel Koller, der ÖFB-Teamchef hat bei seiner heutigen Kaderbekanntgabe-Pressekonferenz einen gut überlegten und wohlfeil formulierten öffentlichen Appell an seine eigenen Spieler gerichtet; er hat die Mitteilung über die Medien gewählt um dem Thema Nachdruck zu verleihen um sie zu konfrontieren.

Das Thema ist so alt wie österreichisch: unprofessionelles Gejammer und das vorschnelle Aufgeben, das Zurückfahren des Energiehaushalts, wenn man merkt dass es nicht läuft. Koller schilt seine Mannschaft und ihre lahme „lieber urlauben als kicken“-Einstellung.

So weit, so richtig.

Das Problem liegt jedoch im Timing. Jetzt, wo die Milch verschüttet ist, die Spieler aufgeregt gackern und Ausfälle nicht kompensiert werden können, verpufft diese scharfen Waffe des öffentlichen Setzens eines gezielten Reizes.

Ein solcher Reiz wäre zum Jahresauftakt nötig gewesen.

Da hatte sich Koller aber mit einer Verbesserung des Wohlfühl-Settings begnügt (Stichwort: Hotelwechsel) und es verabsäumt der Mannschaft, die er das ganze Frühjahr über nur einmal (fürs Moldawien-Spiel und den Finnland-Test) beisammen hatte, in die Pflicht zu nehmen, sie offensiv mit ein paar konkreten Aufgaben zu konfrontieren.

Am allersinnvollsten wäre ein solch gezielter Weckruf aber natürlich direkt nach der vergeigten Euro bzw zum Neustart im September gewesen: da aber hatte sich der Teamchef (mit Sportdirektor) in der Kunst der Verteidigung, Abwiegelung und Verschleierung geübt, also die (bzw ihre eigene) Defensive gestärkt.

Koller hatte also – um im Bild zu bleiben - zuerst Beton angemischt und dann den Ball gehalten.
Offensiv wurde er erst jetzt.

Zu spät.

Und mit zu wenig, zu wenig an Substanz.
Denn der Appell an die professionellen Pflichten eines Teamspielers kann nur dann 100% glaubwürdig rüberkommen, wenn er von einem Chefcoach kommt, der da mit bestmöglichem Beispiel vorangeht. Diesen professionellen Umgang aber hat Koller in einigen Bereichen vermissen lassen. Und es sind just diese Bereiche, die ihm jetzt auf den Kopf fallen.

Denn die jetzt aufplatzenden Baustellen sind allesamt haus- und selbstgemacht.

Dass der ÖFB es nicht schafft nach zwei Verletzungen und einem Rücktritt drei ernsthafte Torhüter-Kandidaten zu präsentieren –> selbstverschuldet (bzw die der initiativlos zuschauenden Tormanntrainer-Darsteller Wohlfahrt & Lindenberger).

Dass die Linksverteidiger-Krise durch einen weiteren Rückzug und eine gezielte Absage ihren grotesken Höhepunkt erreicht –> mehr als selbstverschuldet: nachgerade durch Kollers fahrlässigen Umgang mit diesem Problem (jahrelanges Aussitzen einer Baustelle, kein proaktiver Umgang) provoziert.

Das, was Koller immer als große Stärke angerechnet wurde – seine gute Ansprache den Spielern gegenüber – stellt sich jetzt als Achillesferse heraus: denn so gut sein Kontakt zu seinen ersten 15 bis 20 (vor allem der Handvoll Leader) ist, so schlecht ist und war Kollers Umgang mit der Warteliste dahinter. Also jenen, die er jetzt, nach dem Ausfall von 8 eigentlichen Fixstartern, bräuchte.

Der Teamchef hat Markus Suttner jahrelang wie einen Ausreibfetzen und den trotz teamwürdiger Leistungen immer nur auf Abruf nominierten Andreas Ulmer jahrelang wie Taubendreck behandelt (und patzt ihn, laut Ulmer/Salzburg sogar wider besseres Wissen, an) und sudert jetzt (wo ihre Absagen ihn in die Bredouille bringen) herum als hätte ihn seine Frau verlassen. Um im gleichen Atemzug das Gejammer seiner Kicker zu anderen Themen zu kritisieren. Und sich so in den Augen aller Betroffenen komplett unglaubwürdig zu machen.

Koller ist der Zugriff auf sein Team abhandengekommen. Es ist ihm entglitten, beim Aufpicken der Scherben werden sich einige noch blutig schneiden.

Einzig positiv: dass sich Koller in dieser Misere die beiden nächsten Top-Burlis greift und heranführt. Kevin Danso und Konrad Laimer, die Wunderwuzzis aus Augsburg und Salzburg sind Leistungsträger für 2020, also schon Geschenke für Kollers Nachfolger. Gut auch dass der bislang gemiedene und zuletzt nur nachnominierte, dann aber massiv einschlagende Florian Grillitsch diesmal bereits eine selbstverständliche Personalie ist. Da hat Koller einen mittelfristigen Fehler stillschweigend repariert, stillschweigend, auch weil das so seine Salami-Art ist, immer nur soviel zugeben, wie man es ihm abfordert. Und die österreichische Öffentlichkeit hat ihm, der Lichtgestalt durchaus zurecht sehr lange sehr wenig abverlangt.

Den Moment, in dem all dies zu ändern gewesen wäre, diesen Moment direkt nach der Euro, den hat er verpasst.

Das ist der ÖFB-Kader für das Irland-Spiel am 11. Juni um 18:00

Tor: Heinz Lindner (Eintracht Frankfurt/D), Daniel Bachmann (Stoke/ENG), Markus Kuster (Mattersburg); Auf Abruf: Osman Hadzikic (Austria).

Abwehr: Aleksandar Dragovic (Leverkusen), Sebastian Prödl (Watford/ENG), Kevin Wimmer (Tottenham/ENG), Martin Hinteregger, Kevin Danso (Augsburg/D), Stefan Lainer, Valentino Lazaro, Stefan Stangl (RB Salzburg). Auf Abruf: Moritz Bauer (Rubin Kasan/RUS), Michael Madl (Fulham/ENG), Philipp Lienhart (Real Madrid/ESP), Maximilian Wöber (Rapid).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern München/D), Julian Baumgartlinger (Leverkusen/D), Zlatko Junuzovic, Florian Grillitsch, Florian Kainz (Werder Bremen/D), Konrad Laimer (RB Salzburg), Louis Schaub (Rapid), Martin Harnik (Hannover/D). Für den kurzfristig ausgefallenen Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D) wurde Florian Klein (VfB Stuttgart/D) nachnominiert; Auf Abruf: Jakob Jantscher (Rizespor/TUR); Stefan Hierländer (Sturm Graz).

Angriff: Guido Burgstaller (Schalke 04/D), Michael Gregoritsch (Hamburger SV/D), Marc Janko (FC Basel/SUI); Auf Abruf: Deni Alar (Sturm Graz, 0), Lukas Hinterseer (FC Ingolstadt 04/D), Karim Onisiwo (Mainz 05/D).

Die U21 spielt am Donnerstag den 8.Juni EM-Quali gegen Gibraltar und am Montag darauf noch einen Test gegen Ungarn, beides in Ritzing. Mit dabei sind wohl die abrufnominierten Osman Hadzikic (Austria), Maximilian Wöber (Rapid), Philipp Lienhart (Real Madrid/ESP) sowie Stefan Posch (Hoffenheim/D), Marco Friedl (Bayern München/D), Sascha Horvath (Sturm -> Dynamo Dresden/D), Xaver Schlager (RB Salzburg) und Arnel Jakupovic (Empoli/ITA).

Wie zuletzt üblich, konnte sich der ÖFB nicht zu einer zeitgleichen Kaderbekanntgabe der U21 durchringen.

Im Übrigen stellt sich die Mannschaft für Dublin so eh von selber auf, taktisch zumindest, es wird ein 3-4-3, wie zuletzt gegen Moldawien, das sich auch als 3-6-1 wie gegen Finnland lesen lässt, oder ein 3-5-2 geben, mit Alaba auf der linken Seite, eine Viererkette (der sich Alaba ja verweigert, wiewohl er in München da sowohl innen als auch außen brilliert) ist mit dem aktuellen Außenverteidiger-Personal nicht spielbar, da könnte man den Iren die drei Punkte gleich dort lassen. Zudem deutete Koller eine defensive Herangehensweise mehr als nur an.

Er sprach auch davon, dass ein Remis schon auch okay wäre – auch diese Schönfärberei der Lage, dieses defensive Abfedern, diese vorweggenommene Ausrede, es ist das exakte Gegenteil seines Appells an die Spieler gefälligst alles zu investieren. Weil Flo Kainz wohl nicht sofort die linke Offensivseite von Arnautovic überantwortet bekommen wird, ist das zu einem defensiven 5-3-2 umbaubare 3-5-2 die wahrscheinlichste aller Varianten.

Wobei: wurscht.
Wo soll die jetzt notwendige Siegesserie denn ihre Basis haben?
Im ÖFB, wo intern an Windtner und Ruttensteiner herumgesägt wird, sicher nicht. Im Trainerteam, wo sich absichtsvoll niemand befindet, der Koller auch einmal die Meinung sagen kann, auch nicht.

Und die Mannschaft zerfällt gerade in ihre Einzelteile.

Und das sind all jene, die fehlen:

Kurzfristig verletzt fällt Marcel Sabitzer (RB Leipzig/D) aus.
Gesperrt sind Stefan Ilsanker (RB Leipzig/D) und Marko Arnautovic (Stoke/ENG).

Verletzt sind Robert Almer (Austria Wien), Andreas Lukse (Altach), Alessandro Schöpf (Schalke 04/D), Veli Kavlak (Besiktas/TUR) sowie Andreas Ulmer (RB Salzburg) und auch Christoph Martschinko (Austria) und Philipp Schobesberger (Rapid).

Zurückgetreten sind Christian Fuchs (Leicester/ENG), Ramazan Özcan (Leverkusen/D), jüngst Markus Suttner (Ingolstadt/D) sowie Michael Gspurning und Emanuel Pogatetz (Union Berlin/D). Alexander Manninger (Liverpool/ENG) hört gleich überhaupt auf.

Vom Euro-Kader nicht mehr dabei: György Garics und Rubin Okotie (Beijing EG/CHN).

Bei anderen Verbänden gelandet sind Marin Leovac (PAOK/GRE) -> Kroatien, Marcel Büchel (Empoli/ITA) -> Liechtenstein, Anel Hadzic (Videoton/ HUN) -> Bosnien, James Jeggo (Sturm) -> Australien. Nach Sinan Bytyqi (Man City/ENG) ist auch Adthe Nuhiu (Sheffield Wednesday/ENG) zum Kosovo übergetreten.

Unangefragt sind Jonathan Schmid, Moritz Leitner (Augsburg/D) und Ashley Barnes (Burnley/ENG).

Out sind vor allem Marco Knaller (Sandhausen/D); Georg Margreitter (Nürnberg/D), Christopher Trimmel (Union Berlin/D), Alexander Gorgon (HNK Rijeka/CRO), Thorsten Schick (YB Bern/SUI), Robert Zulj (Greuter Fürth/D), Daniel Royer (RB New York/USA), Andreas Ivanschitz (Viktoria Plzen/CZE) und Andreas Weimann (Wolverhampton/ENG)...

... aber auch Michael Langer (Norrköping/SWE), Jörg Siebenhandl (Würzburg/D), Robert Olejnik (Exeter/ENG); Richard Windbichler (Ulsan Hyundai/KOR), Lukas Spendlhofer (Sturm), Lukas Jäger (Altach -> Nürnberg/D), Andreas Lienhart (Altach), Patrick Farkas (Mattersburg -> Salzburg), Philipp Mwene (Kaiserslautern/D), Georg Teigl (Augsburg/D), Emir Dilaver (Ferencváros/HUN), Tanju Kayhan (Göztepe/TUR); Robert Gucher (Vicenza/ITA), Christian Gartner (Düsseldorf/D), Manuel Prietl (Bielefeld/D), Stefan Kulovits (Sandhausen/D), Raphael Holzhauser, Tarkan Serbest, Alexander Grünwald, Ismael Tajouri (Austria), Stefan Schwab (Rapid), Dominik Wydra (VfL Bochum/D), Konstantin Kerschbaumer (Brentford/ENG), Muhammed Ildiz (Gaziantepspor/TUR), Marcel Ritzmaier (Eagles Deventer/NED), Michael Liendl (1860 München/D), Christoph Knasmüllner (Admria), Dominik Hofbauer (Arka Gdynia/POL), Tomas Simkovic (Tobol Kostanay/KAZ), Stefan Savic (Roda Kerkrade/NED), Marco Meilinger (Aalborg/DEN); Martin Pusic (Sparta Rotterdam/NED), Marco Djuricin (Ferencváros/HUN), Philipp Hosiner (Union Berlin/D), Erwin Hoffer (Karlsruhe/D), Darko Bodul (Perm/RUS), Philipp Zulechner (Sturm) oder Kevin Friesenbichler (Austria -> Benfica/POR).

Die Rückzüge von Fuchs und Özcan, Suttner und Ulmer sind kein Zufall, sondern Ausdruck einer Zersplitterung, des Gefühls gegen Wände zu rennen; die Verletzungen von Almer, Lukse und Schöpf, die Sperren von Ilsanker und Arnautovic und die Unform von Dragovic kommen zur Unzeit dazu.

Und dann zu allem Überdruss auch noch die von Prödl angestoßene Termindebatte, die längst überkommene Zeiten als sich zu Juni-Tests die „verletzungsbedingten“ Absagen häuften, wieder aufleben lässt. Das alles ist ein Rücksturz in die Prä-Koller-Ära, in der alle Beteiligten maximal 80% investiert hatten, die Teamchefs gern noch weniger, Constantini etwa war da gefühlt im einstelligen Bereich unterwegs.
Und das letztlich nur, weil Koller von seinen gefühlten 100% (die er, Stichwort: Torwart/Linksverteidiger-Probleme eh nie wirklich draufhatte, aber trotzdem so sehr weit vorn war, was Einsatz, Idee, Taktik und Strategie betrifft) abging und nach der Euro den Beschwichtigungshofrat machte, anstatt die Messlatte höher zu schrauben und noch einen draufzulegen.

Eine Mannschaft, die das 100%-Ding nicht ererbt, sondern selber eingeführt (bekommen) hat, ist massiv gefährdet sich wieder im Mittelmaß zu verlieren, Alaba hin, Arnautovic her. Und wird nach einem Urlaub der Unsicherheit und einem Kurztrainingslager der Debatten und Aussprachen in jeder Hinsicht deutlich benachteiligt gegen die matchfitten und hundertprozentigen Iren antreten.

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