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Wandl in einem Unesco-Pullover

Christian Stantchev

FM4 Artist of the Week

Die Leiden des jungen Wandl

Verschlafene Beats, verschleppte Loops – Wandls Solo-Debüt-Album „It’s All Good Tho“ ist eine entspannte Hip-Hop-Platte, die Texte erzählen jedoch von Schwermut und Depression. Wandl ist der FM4 Artist of the Week.

Von Daniela Derntl

Hip Hop aus Österreich präsentiert sich 2017 in spannender Vielfalt – mit neuer Musik von Mavi Phoenix, Yung Hurn, Brenk Sinatra, Von Seiten der Gemeinde, und vielen mehr. Ende dieser Woche reiht sich Lukas Wandl alias Wandl mit seinem Solo-Debüt-Album „It’s All Good Tho“ in diese Riege ein.

Wandl hat sich bereits in den letzten Jahren einen Namen gemacht, mit seinen EPs „Far Way Home“ und „Soon“, seiner Zusammenarbeit mit Fid Mella und allen voran durch seine Kollaboration mit Crack Ignaz auf dem gefeierten Album „Geld Leben“. Auf „It’s All Good Tho“ gewährt der 22-Jährige nun höchst persönliche Einblicke in sein Seelenleben, hinter souligem Gesang, wohlig knisternden Samples und verspult-psychedelischen Produktionen offenbart er eine düstere Tiefe:

„Es ist ein sehr trauriges und schwermütiges Album geworden.“, erzählt Wandl im FM4-Interview, „aber es hat auch seine hoffnungsvollen Seiten und diese Hoffnung schwingt das ganze Album über mit. Ich bin ein selbstkritischer Mensch und ich kann das einfach sehr gut in der Musik ausdrücken. Im echten Leben fällt mir das vielleicht ein bisschen schwer, das so zu kommunizieren. Musik ist die erste Anlaufstelle für meine Probleme, meine Troubles. Es ist immer der Versuch, ein Problem darzustellen, damit ich es danach von außen betrachten kann.“

Selbstbewusstsein aus der Theaterarbeit

Entstanden ist das Album des 22-jährigen Produzenten und Sängers in seiner Crib in St. Pölten, in seinem Schlafzimmer-Studio in Wien und in Hamburg, wo er letzten Sommer für die Theaterproduktion „Der gestohlene Gott“ den Soundtrack produziert hat. Dort hat er auch einiges gelernt, vor allem in Punkto Selbstvertrauen: „Es war echt eine sehr schöne Erfahrung, aber extrem anstrengend. Ich hab so einen Respekt vor Leuten, die nur im Theater arbeiten, das ist so eine heftige Arbeit. Man ist auch so arger Kritik ausgesetzt, die ganze Zeit. Und es hat mir auch sehr viel Selbstbewusstsein gegeben, auch was die Instrumente angeht. Ich hab da auf der Bühne Klavier und Gitarre gespielt, gesungen und Sachen selber produziert. Da hab ich meine ganze Bandbreite zeigen können und das hat mich auch weitergebracht. In Hamburg hab ich auch ganz andere Vocals aufgenommen, ich war dann ein bisschen freier und hab ein bisschen mehr ausprobiert.“

Wandl mit Zigarette vor einer gefliesten Wand

Christian Stantchev

Ein paar Tracks aus der Theaterproduktion haben es auch auf das Album geschafft, zum Beispiel das verträumte Instrumental-Stück „Schulhof“ und der dreckig-rauschende Slow Motion Jam „Fever“, über den Wandl folgendes erzählt: „Ich hab mich letztes Jahr sehr zurückgezogen, und hab mich von ein paar Leuten entfernt. Im Endeffekt hätt es nie was ausgemacht, wenn ich das auch ausgesprochen hätt und den Personen gesagt hätte. Das war dann auch der Grund, warum ich den Song geschrieben hab.“

Wenn der Zufall Regie führt

Wandl live

am 3. Juni ist Wandl live im Wiener WUK zu sehen.

Vieles auf „It’s All Good Tho“ war in der Form gar nicht geplant, zum Beispiel dass „Cola“, einer der vielleicht poppigsten Songs von Wandl, auch mit aufs Album kommt: „Die Nummer war gar nicht fürs Wandl Projekt gedacht. An einem Nachmittag wollte ich einfach einen Track machen mit einer sich wiederholenden Hook, wie es eh gerade sehr üblich ist im Cloud-Rap, wenn man das so nennen will, und generell im Hip Hop. Ich hab zu der Zeit urviel Cola getrunken zum Produzieren, um wach zu bleiben und dann ist dieser blöde Vergleich gekommen: Du bist süß wie Cola, bittersüß so wie unsere Liebe. Der Track ist dann echt an einem Nachmittag entstanden und nachdem er fertig war, hab ich mir gedacht, he, das ist eigentlich einer der eingängigsten Tracks, die ich je gemacht hab.“

Auch nicht geplant war, dass Cid Rim bei dem hypnotischen Noise-Loop „Hell“ das Schlagzeug übernimmt: „Das ist so eine expressive Nummer, und Cid Rim hat das nur noch verstärkt. Gerade beim zweiten Part hat er die Drums einfach so genial gesetzt. Das ist Herzschmerz nur durch Rhythmus für mich, wenn ich das hör. Aber es war eigentlich gar nicht geplant, auch so Feature-mäßig hab ich mir eigentlich gar nicht viel überlegt, weil ich eh sehr viel alleine machen wollt. Aber bei der Nummer war es aufgelegt für mich.“

Respektable Gästeliste

Neben Cid Rim haben noch weitere Freunde aus dem Affine-Records-Umfeld an Wandls Debüt-Album mitgearbeitet. The Clonious hat beim Mischen und Mastern geholfen und Dorian Concept hat ihn bei „Beatles (How I Want You)“ und „Gay“ unterstützt. Letzterer ist wohl der Song mit dem dunkelstem Text. Es geht ums Pulsadern aufschneiden, Blut wegwischen und Abstumpfen in der Sinnlosigkeit des Seins. „Beatles (How I Want You)“ hingegen ist eine verwaschene Träumerei mit einem psychedelischen Vibe, der Wandl stark an die Beatles erinnert hat.

Auch nicht ohne ist der Track mit der Kummernummer „0800 333 Talk“. Über entschleunigte Breakbeats fragt Wandl da seine Liebste „Death is calling me, will you follow me?“.

Wandl Albumcover

Wandl

17-Tracks umspannt Wandls Introspektion auf „It’s All Good Tho“, wobei es sich bei einigen Nummern nur um Songfragmente und Sketches handelt, die auf humorvolle Art die inhaltliche Schwere des Albums auflockern – zum Beispiel „Toast“: „Das ist extrem wichtig fürs Album, weils eben diesen Schwermut rausnimmt und eine andere Seite von mir zeigt. Ich hab einen sehr bescheuerten Humor und mir macht es auch viel Spaß, herumzublödeln. Und durchs Blödeln und Improvisieren entsteht einfach auch sehr viel Musik bei mir.“

„It’s All Good Tho“ ist ein verspieltes, cineastisches Album, das mit jedem Mal hören an Facettenreichtum und Tiefe gewinnt. Trotz der inhaltlichen Schwere überwiegt die Hoffnung, es ist eben „All Good Tho“. Im Laufe des Albums verdichtet sich der Sound, lichtet sich aber gegen Ende hin mit Tracks wie „Beatles (How I Want You)“ und der wortlos-knisternden Soul-Sample-Elegie „Häuser“, über die Wandl mit einem Schmunzeln folgendes erzählt: „Ein guter Freund hat gemeint, es klingt wie der Abspann von einem alten Film. Wegen dem argen Rauschen hab ich mir vorgestellt, dass wie in einem Tarkovski-Film ein Haus abbrennt. Aber in so einer romantischen Stimmung. Man schließt mit irgendwas ab und brennt das Haus nieder.“

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