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APA/dpa/Julian Stratenschulte

Wieviel tut Österreich in Sachen Klimapolitik?

Das Pariser Klimaschutzabkommen soll die Erderwärmung auf 1,5° Celsius begrenzen. Doch es gibt ernsthafte Zweifel daran, ob Österreich seine Verpflichtungen auch erfüllen kann.

Von Claudia Unterweger

Eine Erwärmung um 2° sind schon zuviel. Es ist kein Geheimnis, dass uns der globale Klimakollaps droht, wenn die Temperatur weltweit um 2° oder mehr ansteigt: der Meeresspiegel steigt, Inselstaaten versinken im Meer, der Amazonasregenwald vertrocknet, Wüsten breiten sich aus. Die Folgen: Dürre, Hunger, Trinkwasserverlust. Eine Milliarde Menschen wären direkt betroffen, mit 250 Millionen Klimaflüchtlingen ist bis 2050 zu rechnen.

Ein Klimavertrag, zu dem sich auch Österreich verpflichtet hat, soll solch ein Szenario verhindern: das Pariser Klimaschutzabkommen von 2016. Eine Premiere, denn erstmals haben sich alle Staaten der Erde verpflichtet, den Ausstoß von Treibhausgasen drastisch zu drosseln, um die Erderwärmung auf 1,5° zu begrenzen. Das Ziel: wir müssen weltweit aus Kohle, Öl und Gas aussteigen. Und zwar rasch, schon bis 2050.

Doch wie Österreichs politisch Verantwortliche an die Umsetzung dieser Verpflichtung herangehen, lässt ernsthafte Zweifel aufkommen. Wieviel tut Österreich in Sachen Klimapolitik? Ein kritischer Blick auf die heimische Klimaschutzpolitik mit Energie- und Klimaexperte Johannes Wahlmüller von Global 2000.

Ist Österreich ein Klimasünder?

Eine gute Klimabilanz sieht anders aus. Es gibt keine Spur einer Begrenzung der schädlichen Treibhausgase in Österreich, so wie sie im Pariser Klimaschutzabkommen vergangenen Herbst unterzeichnet wurde. Darin verpflichten sich alle Staaten, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu begrenzen – auf ein noch beherrschbares Niveau. Blöd nur, dass wir immer noch auf dem Treibhausgas-Niveau von vor 25 Jahren herumgrundeln. Denn Österreich bläst immer noch dieselbe Menge des fatalen Klimakillers Kohlendioxid und anderer Schadstoffen in die Atmosphäre wie im Jahr 1990.

Wo steht Österreich im Vergleich zur EU?

Österreich reicht nicht einmal annähernd an den EU-Durchschnitt heran. Europaweit ist der Ausstoß an Treibhausgasen in diesem Zeitraum durchschnittlich um ein Viertel gesunken. In Österreich besteht deutlicher Nachholbedarf, fordert der Global 2000-Klimaexperte Johannes Wahlmüller. Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen, dann müssen wir bis spätestens bis 2050 aus fossiler Energie aussteigen. Das muss ein Land wie Ö schaffen“, mahnt Wahlmüller. „Derzeit sind wir noch nicht auf Zielkurs.“

Der Klimawandel-Schwerpunkt auf FM4 am Donnerstag, 1.6.

  • Morningshow: Die Klimaschutzpolitik Österreichs: Klimaheld oder Klimasünder? Live zu Gast kommt Adam Pawloff von Greenpeace, der über den möglichen Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen sprechen wird.
  • Reality Check: OMV and Climate Change
  • Connected: Ein Gespräch mit dem Hobby-Klimaforscher und Arktis-Beobachter Neven Curlin und ein Rundgang durch sein Passivhaus in Fürstenfeld
  • Homebase: Die Schimpansenforscherin und UN-Friedensbotschafterin Jane Goodall im Gespräch
  • Über den ganzen Tag: „What if … Klimaszenarien der Zukunft“

Wieso läuft in Österreich die Umsetzung der internationalen Ziele so schleppend?

Die Politik tut zu wenig. Zwar ließ sie Umweltschutz-NGOs begeistert in die Hände klatschen, als Österreich als eines der ersten Länder das Klimaschutzabkommen 2016 von Paris ratifizierte. Doch die dazu gehörigen Schritte lassen bis heute auf sich warten. „Die einzige substantielle Maßnahme, die derzeit kurz vor der Umsetzung steht, ist eine Reform des Ökostromgesetzes. Das steht im Regierungsabkommen, das ohnehin dürftig an Klimaschutzmaßnahmen ist“, sagt Wahlmüller.

„Hunderte Ökostromanlagen, die sauberen Strom und Arbeitsplätze liefern, haben Baubewilligungen und sind fertig geplant. Doch es braucht dringend eine Gesetzesänderung für Förderzusagen – ohne die lassen sie sich nicht errichten und betreiben. Nur noch 2 Parlamentssitzungen gibt es Zeit, um diese Maßnahmen vor der Sommerpause zu beschließen. Wenn diese Gesetzesreform auf den letzten Metern scheitert, bedeutet das jahrelangen Stillstand für Österreich.“

Drohen Sanktionen, wenn Österreich die Ziele des Klimaschutzabkommens nicht umsetzt?

Für Österreich bedeutet das Klimaschutzabkommen: Wir müssen komplett aus fossiler Energie in den nächsten 25 Jahren aussteigen. Wenn Österreich seine Klimaziele nicht erreicht, liegt es an der EU, Sanktionen über das EU-Mitgliedsland zu verhängen. Dann drohen Vertragsverletzungsverfahren. Die Weichen für die „Dekarbonisierung“ und damit das Ende des Öl-Zeitalters in Österreich muss die Regierung bereits jetzt stellen.

Wieso handelt die österreichische Regierung so zaghaft?

Als Alpenland spürt Österreich die globale Erwärmung deutlicher als andere Regionen. In Österreich ist die Temperatur seit 1880 um nahezu 2°C gestiegen, verglichen mit einer globalen Erwärmung um knapp 1°C. Schon in wenigen Jahrzehnten blühen uns gigantische Schäden durch den Klimawandel von 8,8 Milliarden Euro pro Jahr: Hochwasser, Dürre, Einbußen im Wintertourismus. Es liegt im ureigenen Interesse Österreichs, sich für den Klimaschutz einzusetzen.

Doch Österreich hat auf internationaler Ebene „gut verhandelt“ und muss deshalb nur schwache Ziele innerhalb der EU-Rahmenvereinbarungen umsetzen. „Daher hat die österreichische Regierung vielleicht den Eindruck, dass sie nicht so rasch handeln muss wie andere. Das täuscht aber,“ warnt Wahlmüller. Denn auch die langfristigen Ziele lassen sich nicht erreichen, wenn wir weiter zögern.“ Konkrete Zielvorgaben gibt es von Seiten der Regierung nur bis zum Jahr 2020. Darüber hinaus gibt es keinen klaren Klima- und Energieplan, wie wir aus fossiler Energie aussteigen.

Österreich kauft sich in Bezug auf Treibhausgas-Ausstoß frei. Ist das bedenklich?

Schon in der Vergangenheit musste Österreich bereits um hunderte Millionen Euro CO2-Zertifikate kaufen, weil es internationale Klimaschutz-Ziele nicht erfüllte. „Wir erwarten uns aber von der Bundesregierung einen klaren Klimaplan, wie wir unseren Beitrag auch wirklich in Österreich leisten können. Denn auch wenn manche immer noch glauben, Klimaschutz und wirtschaftliches Wohlergehen wären ein Widerspruch: durch Klima-Investitionen lassen sich Arbeitsplätze schaffen, und die Wirtschaft wird gestärkt. Wir können uns nicht auf Dauer freikaufen.“, so Wahlmüller.

Was wäre nun am dringendsten notwendig?

260 neue Windräder, aber auch Anlagen für Solarenergie, Biomasse und Kleinwasserkraft können nicht in Betrieb gehen, wenn die Regierung nicht vor den Neuwahlen die bereits fertig ausverhandelte Reform des Ökostromgesetzes absegnet. Der Klimaschützer Johannes Wahlmüller zählt noch eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen auf: „Dringend notwendig ist auch das Aus für die 600.000 Ölheizungen in Österreich. Die werden derzeit noch in Neubauten und bei der Sanierung von der Öl-Lobby gefördert. Umweltschädliche Subventionen müssen abgestellt werden, denn immer noch buttern wir 4,5 Milliarden Euro pro Jahr in Anreize für die Verwendung von fossiler Energie. Außerdem müssen wir alle Gebäude in Österreich klimafit machen, indem wir jedes von ihnen zumindest einmal in den nächsten 30 Jahren sanieren. Derzeit halten wir bei einer Sanierungsrate von 0,5 Prozent. Bis alle Gebäude in diesem Tempo saniert sind, würde es 200 Jahre dauern.“ Unseren Kindern und Enkerln zuliebe werden wir da mehr als einen Zahn zulegen müssen.

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