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Frauen und rote Flecken

© Luisa Stömer und Eva Wünsch / Ebbe & Blut / Gräfe und Unzer Verlag

„Ebbe & Blut“ erklärt den Zyklus

Luisa Stömer und Eva Wünsch wollen Unwissen und Missverständnisse rund um die Regel beseitigen. In ihrem Sachbuch „Ebbe und Blut“ erklären sie den weiblichen Zyklus mit einfacher Sprache und ausgefallenen Illustrationen.

Von Irmi Wutscher

Die Regelblutung hat viele Decknamen – „auf der roten Welle surfen“ oder „Tante Rosa ist zu Besuch“. Oder nobel nur „Die TAGE“. Produkte zum Auffangen der Regel werden in der Werbung außerdem ungern mit Blut und Bauchweh in Verbindung gebracht – man serviert stattdessen lieber eine blaue Flüssigkeit auf der Damenbinde. Wohl auch deswegen wird der Satz „Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse“ aus einer alten Tamponwerbung in diesem Zusammenhang gerne überstrapaziert. Luisa Stömer und Eva Wünsch wollen diese Missverständnisse mit ihrem Sachbuch „Ebbe und Blut“ beseitigen.

Bild einer Gebärmutter, Collage

© Luisa Stömer und Eva Wünsch / Ebbe & Blut / Gräfe und Unzer Verlag

Weg vom Medizinbuch

Eva Wünsch und Luisa Stömer waren 2016 Grafikdesign-Studentinnen. Als sie auf der Suche nach einem Thema für die Abschlussarbeit waren, haben sie gemerkt, dass bei ihnen und im Freundeskreis in Punkto Menstruation doch ein paar Fragen offen waren. Von wegen: was passiert da eigentlich ganz genau im Körper und wann…? „Und dann haben wir uns in die Bibliothek gesetzt und gemerkt, dass es dazu gar kein Buch gibt, das relativ einfach geschrieben und auch noch ansprechend gestaltet ist. Dann haben wir gesagt: OK, das machen wir jetzt einfach!“ erzählt Eva Wünsch.

kratzende Hände und eine Feige, Collage

© Luisa Stömer und Eva Wünsch / Ebbe & Blut / Gräfe und Unzer Verlag

„Ebbe & Blut“ war geboren (pun intended!). Ein Buch, das alle Fragen über die Regel beantwortet – und bei dem mensch immer noch neues erfahren kann. Wusstet ihr zum Beispiel, dass Eierstock und Eileiter gar nicht miteinander verbunden sind und dass der Eileiter die Eizelle in der Bauchhöhle erst finden muss? Ich nicht.

„Das Wort Höhle mag, rein wörtlich, Sicherheit vermitteln, Aber in Wahrheit dümpelt unsere reife und schick herausgeputzte Eizelle erst einmal blind und orientierungslos im Bauchraum herum. Dann erst findet der Eileiter wie ein kluges Rüsselschwein die Eizelle und nimmt sie in sich auf.“

Solche und andere Fakten sind in Ebbe und Blut in einfacher Sprache, aber dafür mit viel Details erklärt – und dann noch sehr speziell bebildert.

Retroschick statt Medizinschock

„Ebbe & Blut“ von Luisa Stömer und Eva Wünsch ist im Verlag Gräfe und Unzer erschienen.

Denn mit dem, was sie in den Bibliotheken gefunden haben, waren Luisa und Eva nicht zufrieden: „Wir haben ja fünf Monate in der Bibliothek verbracht und Medizinliteratur gewälzt. Die Fotografien sind nicht sehr schön anzuschauen und man hat keine Lust, sich mit dem Thema zu befassen, wenn man Gebärmütter von Leichen abgebildet sieht.“

Luisa und Eva haben aber nicht einfach selbst die Körperteile nachgezeichnet, sie sind in der Illustration einen Schritt weiter gegangen: Sie haben die Technik der Collage für ihre Illustrationen verwendet und aus alten Bildern aus Magazinen und Büchern sowie medizinischen Darstellungen neue zusammengebaut. Da ist der Eileiter schon einmal aus einem Arm gebaut oder die Vulva mit einer Feige dargestellt.

Vor allem aber geht es nicht um eine reine und nüchterne Abbildung körperlicher Vorgänge, sondern es wird schon einmal mit verschiedenen Bedeutungsebenen gespielt - etwa wenn beim Thema Geruch viele Fische übereinander geklebt und beim Thema „Blutsauger und Menstruationsutensilien“ eine Frau auf der Binde surft und eine andere den blutigen Tampon stemmt.

Tampons und Binden Collage

© Luisa Stömer und Eva Wünsch / Ebbe & Blut / Gräfe und Unzer Verlag

Herausgekommen ist ein wunderschönes und durchdesigntes Buch, in dem man gerne blättert. In dem man Fakten erfährt und in dem das Thema Zyklus nicht bitterernst, sondern auch mit einem Augenzwinkern verhandelt wir.

Am blutigen Tabu rütteln

Zehn Monate haben Luisa und Eva für ihre Bachelorarbeit gebraucht – weil sie nicht nur illustriert, sondern auch die Texte geschrieben haben. Ein eher unüblicher Aufwand im Grafikstudium, aber dafür ist ja jetzt ein Buch daraus geworden. „Am Anfang haben wir das Buch natürlich vor allem für uns selbst und unsere Generation geschrieben“, sagt Eva Wünsch. „Wir haben aber gemerkt, dass es tatsächlich auch etwas für junge Mädchen sein kann, die gerade in das Alter kommen, dass sie ihre Tage haben und sich Fragen stellen. Das Buch kann da ein Begleiter sein, dass sie immer das Kapitel lesen können, das sie gerade betrifft."

Eine Frau schaut in den Spielgel, Collage

© Luisa Stömer und Eva Wünsch / Ebbe & Blut / Gräfe und Unzer Verlag

Denn von der ersten Regel über Zyklus und Regelschmerzen bis zu Verhütung sind alle Themenbereiche rund um die Monatsblutung abgedeckt. Und, so finden Luisa und Eva, das geht ja nicht nur Frauen etwas an: „Der Traum ist, dass es auch Männer interessiert. Immerhin betrifft sie das alles ja auch indirekt“, sagt Luisa Stömer. Und Eva Wünsch fügt hinzu: „Es freut mich immer, wenn auch junge Männer in dem Buch herumblättern und sich Wissen anlesen. Das wird dann irgendwann hoffentlich diesen verschämten Umgang damit und das Tabu aufbrechen können.“

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