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Basketball fällt in den Korb

CC BY-SA 2.0 von Ryan Fung flickr.com/photos/ryan_fung/2239687100

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Man braucht keinen Basketball-Körper, um das Spiel zu lieben

Ich bin klein und verletze mich andauernd. Dennoch komme ich immer wieder zum Basketballplatz zurück.

Von Todor Ovtcharov

Ich spiele jeden zweiten Tag Basketball. Vor Jahren, in Berlin, spielte ich in einem Verein. Wir waren die zweitschlechteste Mannschaft Berlins. Die schlechteste war die zweite Mannschaft unserer Mannschaft. Von all meinen Mitspielern erinnere ich mich am besten an den Armenier Garabed. Garabed kam zum Training immer mit seinem Opa. Sie waren politische Flüchtlinge in Deutschland.

Garabeds Opa war ein Atomphysiker. Nach dem Fall der Sowjetunion hatten die Russen aufgehört, das Atomkraftwerk in Armenien mit Uran zu beliefern und es wurde zugesperrt. Garabeds Opa wurde arbeitslos. Die Machthabenden in Armenien verfolgten ihn, weil er zu einem Pro-Atom-Aktivisten wurde. Zu dieser Zeit hatten sie nur jeden zweiten Tag Strom. Laut Garabeds Opa brauchte die Regierung einen Schuldigen für den fehlenden Strom. Daher floh er mit seiner Familie nach Deutschland.

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Fotocredit: CC BY-SA 2.0 von Ryan Fung auf Flickr

Der Opa von Garabed war der feurigste Basketballfan, den ich kenne. Er schrie am lautesten unter unseren Fans, die aus meinem Vater, den Eltern des Türken Ahmed und Garabeds Opa bestanden. „Zeigs ihnen Garabed!“, schrie er emotionsvoll.

Garabed war ein großer Junge, der Star unserer Mannschaft. Ich war damals klein und dünn. Jetzt bin ich nur noch klein. Ich habe überhaupt nicht den Körper für Basketball. Auf dem Platz bin ich bekannt als der „Fliegende Speck“. Trotzdem spiele ich weiter. Ich verletze mich die ganze Zeit. Zwei mal habe ich mir Muskeln in den Waden gerissen, einmal am Knöchel und einmal bin ich mit voller Kraft gegen die Eisenstange, die den Korb hält, gelaufen. Ich fühlte mich wie in einem Zeichentrickfilm: Sternchen drehten sich um meinen Kopf herum.

Wenn ich mich verletze, sage ich mir, dass ich zu einem weniger gefährlicheren Sport wechseln sollte wie Darts, Billard, Tischfußball, Ping-Pong oder Bridge. Trotzdem komme ich immer zum Basketballplatz zurück. Ich spiele auf einem Platz im 12. Bezirk in der Nähe der Längenfeldgasse. Über den Platz fährt die U-Bahn. Auf dem Platz hatte ein mit den Ergebnissen der letzten Präsidentschaftwahlen Unzufriedener „Österreich, du Stück Scheiße!“ gesprayt. Das brachte uns dazu, den Platz neu zu zeichnen. Es war ja unangenehm, mitten in der „Scheiße“ zu spielen.

Um den Platz herum hat ein Onkel aus Afghanistan Koriander gepflanzt. Der ganze Platz riecht nach Koriander. Besonders wenn unser Ball im Koriandergarten landet.

Alle mögliche Leute spielen auf unserem Platz: Bosnier, Kroaten, Serben, Österreicher, Rumänen, Italiener, Franzosen, Türken, Philippiner, Chinesen, Deutsche und Griechen.

Seit kurzer Zeit kommt auch ein anderer Bulgare auf den Platz. Er ist ein großer Putinfan. Er mag es, zwischen den Spielen die geopolitische Lage zu diskutieren. Besonders hasst er die Amerikaner, Merkel und den Multikulturalismus. Er arbeitet in einer Computerfirma in Wien, träumt aber von Moskau. „Warum bist du denn nicht in Moskau?“, fragen wir ihn. Er denkt kurz nach. „Mit wem werde ich wohl da Basketball spielen können?“, antwortet er. Alle lachten: die Griechen, die Serben, die Italiener und die Chinesen. Sogar er lachte mit.

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