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Die Band Zoot Woman, man sieht nur ihre Füße und ein tragbares, rotes Keyboard

Jon Furley

Die Kraft der Abwesenheit

Mit „Absence“ ist den Engländern Zoot Woman ein wundervoll melancholisches, sehr ehrliches und poppig tanzbares Album gelungen. Gleichzeitig ist es ein Spiegel unserer unsicheren Zeit.

von Andreas Gstettner-Brugger

Es glitzert und funkelt wie pures Gold, wenn Zoot Woman ihre Sythesizer auspacken und loslegen. Schon die Eröffnungsnummer „Solid Gold“ reiht sich nahtlos an die großartigen Elektropop Hits, die die Engländer über die letzten eineinhalb Jahrezehnte produziert haben.

Über keck dahinhüpfende Beats und Synthie-Linien schwebt die schüchterne und doch dringliche, einprägsame und unverwechselbare Stimme von Johnny Blake. Alles wirkt hier recht aufgeräumt, kein Ton ist zu viel, zu hören ist nur das Wesentliche: eine spannungsaufbauende und treibende Strophe, die in einen ausladenden und poppigen Refrain mündet. Und das ist erst der Anfang von „Absence“, dem fünften Studioalbum.

Wenn sich die Selbstzweifel häufen...

Es ist das erste Album, das die Musiker und Brüder Adam und Johnny Blake fast im Alleingang schreiben und produzieren. Gründungsmitglied Stuart Price ist einfach zu beschäftigt, die großen Sterne des Popbusiness zu produzieren. Lediglich bei drei Songs hat er mitgeholfen. Das ganze andere Material von „Absence“ haben Adam und Johnny sehr schnell und intuitiv erarbeitet. Die Abwesenheit von Stuart hat weder dem Sound noch dem Inhalt der Platte geschadet. Schließlich dreht sich ja auch alles um das Thema „Abwesenheit“ - in seinen verschiedesten Spielarten.

Portrait der englischen Band Zoot Woman

Jon Furley

Die Abwesenheit von Gefühlen, von Menschen und vom Selbstbewusstsein sind die zentralen Themen. Die zweite Single „Ordinary Face“ handelt beispielsweise davon, sich alleine und ausgestoßen zu fühlen, sich nicht als Teil der Gesellschaft und eines größeren Ganzen wahrzunehmen. Gleichzeitig hat Sänger Johnny Blake auch eine Hilfe für dieses Problem parat:

„Es geht in dem Song darum, sich nirgendwo zuhause zu fühlen. Das Wort ‚people‘, das ich immer wieder wiederhole soll die Idee vermitteln, dass wir von diesen Gefühlen geheilt werden können, wenn wir uns mit anderen Menschen verbinden. Wenn wir einander wahrnehmen und uns austauschen.“

Musikalisch lebt die Nummer von den treibenden Beats, den sehnsuchtsvollen Synthie-Flächen, den detailverliebten Melodien und kleinen Sounds.

Bei dem Track „Indecision“ ist es die Abwesenheit von Entscheidungsfähigkeit, die Johnny besingt. Es ist der Wahnsinn im Kopf, das ständige hin und her, das Abwägen und Zweifeln, das sich soundtechnisch in der Nummer niederschlägt. Technoid und etwas unterkühlt stampft der 4-to-the-floor Beat dahin, während wabbernde Synthies an- und abschwellen, durchzogen von weißem Rauschen und angezerrten Melodien. Auch Johnnys Stimme wird verfremdet, manchmal zerhackt und durch so manchen Effekt geschossen.

Die Abwesenheit von Liebe ist wohl das stärkste Motiv der Platte. ein Song wie das sehr traurige und doch wunderschöne „I Said It Again“ thematisiert die Einsicht, immer wieder Fehler gemacht und dabei die Beziehung zerstört zu haben. Eingehüllt wird der düstere Text in himmlische, breite und warme Synthiesizer-Flächen, unterlegt mit einem flotten Groove, konterkariert durch die herzensbrechende Stimme von Johnny Blake.

Das Albumcover der neuen Zoot Woman Platte "Absence"

ZWR Label

Auchim Design haben Zoot Woman ihr Konzept der „Absence“ umgesetzt: Eine Platte die durch die Abwesenheit eines Frontcovers glänzt.

Textlich ähnlich gelagert, musikalisch jedoch sehr herausstechend ist das dunkle Stück „Haunt Me“. Hier wird mit einem stampfenden Schlagzeugsample mit souligem 1960ies Flair kokettiert und mit soundtrackmäßigen Athmosphären gespielt. Am traurigsten wirken Zoot Woman in dem drückenden Song „Black Fly“. Hypnotisch wabbern weindende Orgel-Sounds über einen reduzierten Disco-Groove, über die sich die melanchloischen Vocals legen. Zwischendurch klickert eine grandiose Bassgitarre, während ein syntheischer Bass sich in die Tiefe des Soundkosmos gräbt.

Doch all die Zweifel und Traurigkeit sind laut Johnny Blake nicht unbedingt als negativ zu sehen:

„Selbstzweifel sind nicht die angenehmsten Gefühle, die man haben kann. Und doch gibt es dir oft die Möglichkeit und den Antrieb, etwas zu sagen und dadurch auch etwas zu kreieren. Durch Zweifel beginnen wir, nach den Dingen zu suchen die uns fehlen. Und bei dieser Suche entstehen nicht selten ganz wundervolle und kreative Dinge.“

Die Band Zoot Woman mit Sänger Johnny Blake im Vordergrund

Jon Furley

Die Abwesenheit des Endes

Trotz aller Düsternis gibt es auch viele hoffnungsvolle Momente auf „Absence“. Einer ist die Elektro-Noise-Ballade „Still Feels Like The First Time“, der keine geringere als Kylie Minogue ihre Stimme geliehen hat. Eine zuckersüße Pop-Perle, die durch die gesampelten Stimmen und die rauschenden Soundflächen ein bisschen an den Dream-Pop der 1990er erinnert. Und da wäre auch noch da entspannt groovige Slow-Dance-Stück „Driver, Passenger“, das mit seinen Arpeggio-Sytnhie-Melodien und den Flächensounds an Daft Punk’s „Discovery“ Zeit anknüpfen könnte.

Das Abschlussstück „You Said The Day Would Come“, mit seinen federleichten, verhallten Beats und Händegeklatsche, den entzückenden flötengleichen Melodien und den verstecken Vocals bricht immer wieder in sich zusammen und lässt daher auch nach guten funfeinhalb Minuten alles offen.

Mit „Absence“ treffen Zoot Woman nicht nur musikalisch einen Nerv. Die Unsicherheiten unserer Zeit spiegeln sich in den liebevoll aufpolierten Elektropopsongs, die uns mit einem tiefen Verständnis für unsere Probleme zu umarmen scheinen. Nicht umsonst bezeichnet Johnny Blake dieses Album als das intuitivste und ehrlichste Zoot Woman Werk, das bisher erscheinen ist. Und darüber hinaus ist es bei aller Melancholie auch noch tanzbar geworden.

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