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Camo & Krooked

Thomas Unterberger

Artist of the week

Here’s to my most personal record

Camo & Krooked, die ehemals selbsterkorenen „Kings Of Plastic“ schütteln altes Gewebe ab. Nicht mehr nur am Dancefloor, sondern überall funktioniert „Mosaik“, ihr vierter Streich.

Von Lisa Schneider

Mit einem lauten „Wohooo“ ist Camo aus dem Studio gelaufen, als das neue und vierte Album „Mosaik“ fertig war. Da hat ihn Krooked aber schnell zurückgepfiffen, erzählt er lachend im Interview: Dieser hat nämlich noch einen kleinen Fehler entdeckt. Einen, der zwar niemandem außer den beiden selbst auffallen würde, aber es ist ihnen besser gegangen, als auch der noch behoben war.

Perfektionismus 4.0

Das sind Camo & Krooked: Österreichs umtriebigstes und ehrgeizigstes Producer-Duo, das sich mittlerweile seit 10 Jahren kennt und gemeinsam im Studio verschanzt, um die Soundästhetik immer ein Stückchen detailreicher zu gestalten. Genauer gesagt sind es mittlerweile zwei Studios, und das ist so etwas wie das Erfolgsrezept der beiden. Sie haben sich an zwei verschiedenen Orten gespiegelte Studios einrichten lassen, weil so auch ihr gemeinsamer Output klingt, er entsteht in getrennten Arbeitsschritten.

Das hat sich über die letzten Jahre so eingependelt: Immer via Skype, Whats App oder anderen Devices verbunden, schicken die beiden laufend neue Ideen, Songschnipsel oder einfach nur Beats hin und her, bis beide auch hundertprozentig damit zufrieden sind, zuvor wird nichts veröffentlicht. Krooked erzählt, er würde es nicht aushalten, wenn ständig jemand hinter ihm säße und ihn antreiben würde weiterzumachen. Eine Basedrum kann schon einmal zwei Wochen brauchen, bis sie so geshaped ist, wie sie in seinen Ohren klingen soll. Und da lässt er sich nichts dreinreden.

Für „Mosaik“ haben sich Camo & Krooked mehr Zeit genommen, als sie ursprünglich vorhatten – umso größer ist die Erleichterung, die sich jetzt breitmacht.

„Es ist einfach die logische Progression von uns als Künstlern, es reflektiert das, was wir leben, hören, fühlen. Und es zeigt, dass man die Grenzen des Drum’n’Bass ein wenig sprengen kann.“

Als Camo & Krooked begonnen haben, Musik zu produzieren, ist alles noch in the box, sprich am Computer, entstanden. Für „Mosaik“ haben sie sich Vintage Gear geholt, analoge Synths, ein Space Echo. „Es ist uns viel um Stil gegangen, weil der in der modernen elektronischen Musik ziemlich untergeht. Da ist so viel Plastik dabei – versteh mich nicht falsch, wir waren früher wohl auch die Kings of Plastic – aber es ist ja nie zu spät, erwachsen zu werden und zu verstehen, dass der Stil eben im Detail liegt“, verrät Reini. Camo & Krooked geht es nicht darum, aus einem Synth die verrückt möglichsten Sounds herauszupressen, sie produzieren lieber gediegene Sounds, die von Emotion leben, anstatt ins Gesicht zu steigen.

Aus mehr mach weniger

Auf „Mosaik“ wandelt sich die Klangästhetik von Camo & Krooked. Kreativität wird durch Einschränkung ausgeschöpft, die wenigen Optionen, die sich die beiden offen lassen, schöpfen sie umso tiefer aus. „Nur weil ein Synth drei Knöpfe mehr hat, heißt es nicht automatisch, dass er besser ist. Wir haben uns diesmal enge Grenzen gesetzt, uns vorgenommen, mehr analoge Hardware zu verwenden und vom Kleinen ins Große zu gehen.“

Albumcover "Mosaik" von Camo & Krooked

RAM Records

„Mosaik“, das vierte Studioalbum von Camo & Krooked, erscheint via RAM Records.

Das hat auch dazu geführt, dass Camo & Krooked im Studio, in dem sie den Großteil ihrer Zeit verbringen, erstmals selbst etwa Percussion Shaker aufnehmen. Um damit auch gleichzeitig den Spirit des Ortes einzufangen, von dem ihre Kreativität ausgeht. „Als wir angefangen haben, und so geht es wohl den meisten, orientiert man sich an Größen der Szene, man kopiert, man versucht, ähnlich zu klingen. Jetzt schwenken wir aber immer mehr um: Mit dem größeren musikalischen Background, der Kenntnis der Szene, beziehen wir unsere Einflüsse jetzt eigentlich aus ganz anderen Genres.

Kevin Parker ist mit seinem letzten Tame-Impala-Geniestreich „Currents“ auch an Markus und Reini nicht spurenlos vorübergezogen, aber auch sonst kann sich die Plattensammlung der beiden sehen lassen. In den Recording-Pausen liegt da etwa Chris Isaac oder Pink Floyd auf dem Plattenteller. „Früher haben die Leute eher gesampelt – wir machen jetzt eine Art Brainstorming-Mashup.“

Soll heißen: Markus hört beispielsweise einen Soundtrack der 30er Jahre, danach Trentemøller und denkt sich dabei, eigentlich ließe sich das gut verbinden. So entstand etwa der Song „Tagtraum“, der mit einem String-Arrangement eröffnet, sich dann in eine Minimal-Drum’n’Bass-Schablone verwandelt, um dann mit einer Mandoline zu liebäugeln... ein Experiment.

„Wir kommen aus dem harten Drum’n’Bass, wir haben Dancefloormusik gemacht, und jetzt gibt’s Nummern wie eben ‚Tagtraum‘, wo der Name Programm ist. Das Schöne ist dabei, dass die Leute es trotzdem annehmen und es ihnen taugt. Wenn man mit viel Liebe und Herz an die Sache geht, dann reflektiert das auch die Fanbase. Wenn es einem dann gelingt, einen Trend loszustoßen, dann ist das natürlich total rewarding – und früher oder später funktioniert das dann auch am Floor. Natürlich gibt’s Leute, die Nostalgie wollen, die die alten Tunes verlangen, aber wir machen ja keinen musikalischen U-Turn. Wir sind ja auch noch die Vergangenheit und jetzt gerade sind wir eben die ‚Mosaik‘-Camo-&-Krooked, und wer weiß, was in drei Jahren sein wird. Unsere Fanbase jedenfalls ist stark wie nie.“

Eine weitere Neuerung auf „Mosaik“ ist, dass die zwei Produzenten diesmal selbst mitgetextet und –gesungen haben. Krooked ist in „Honesty“ zu hören. „Mit je mehr Künstlern man arbeitet, desto mehr kommt man drauf, dass der Track vielleicht in eine Richtung treibt, die ich gar nicht so will. Das war der Punkt, wo wir uns gedacht haben, wir müssen uns selbst ins Songwriting und auch ins Singen einmischen.“

Schon auf „Zeitgeist“, dem Vorgängeralbum, gab es Krookeds Stimme vocoderverzerrt oder im Talkbox-Format zu hören, aber nie direkt und roh ins Mikro gesungen. „Und auch, wenn’s vielleicht manchmal nicht perfekt ist, hat es einen Vibe, es ist persönlich, es ist introvertiert."

Für uns ist das Persönliche in unserer Musik von immer größerer Wichtigkeit.“

Special guests

Das soll aber nicht heißen, dass Camo & Krooked diesmal auf Gaststimmen verzichtet hätten – ganz im Gegenteil. So breit gefächert an verschiedenen Genres, was die Auswahl der Sängerinnen und Sänger angeht, war noch keine ihrer vorigen Platten aufgestellt. Beim Song „Broken Pieces“ etwa leiht NIHILS-Sänger Ramon, ein guter Freund und langjähriger Musikerkollege, seine Stimme.

Die junge Wiener Sängerin klei war für Krooked die stimmlich größte Überraschung. „Weil das ist ja dann wieder das Schöne daran, mit anderen KünstlerInnen zu arbeiten: Man erwartet sich etwas Bestimmtes, und ab und zu kriegt man sogar noch mehr als das.“

Ähnlich war es auch bei „Like I Do“, wo James Hersey, so sagt er selbst, sein schnellstes Demo ever aufgenommen hat. Und diese Rohfassung ist es auch, die jetzt am Song zu hören ist, „weil die einfach aus dem Stegreif passiert ist und das die Nummer ausmacht“.

Spannend wird es vor allem dann, wenn Camo & Krooked sich Genres zuwenden, die man von ihnen vorher so noch nicht kannte, wie bei „Slow Down“ featuring ROBB, einer knusprige Soulnummer.

Die Gastsänger und GastsängerInnen sind übrigens aus Österreich.

LIVE

Nach der Tour ist vor der Tour: Camo & Krooked sind so gut wie immer unterwegs. Wo ihr sie live sehen könnt, erfahrt ihr hier.

„Wir haben in Österreich so viele unentdeckte Talente, wir werden nie aufhören, uns hier umzusehen. Es ist dann nämlich auch etwas anderes, wen man mit diesen Personen im Studio sitzt, Schmäh führen kann und einfach noch auf einer anderen Ebene connected."

Auf „Mosaik“ sind nicht nur die Tracks vom Stil her breit gefächert, sondern sie folgen auch nicht dem klassischen Songarrangement: Selten hört einer so auf, wie er beginnt. Dennoch bleibt der rote Faden erhalten, der das Mosaik ausmacht. Es sind lauter verschiedene Einzelteile, die offenbar verstreut am Boden herumliegen. Und plötzlich ergeben sie ein stimmiges, homogenes Ganzes.

„Die Idee hinter „Mosaik“ war, dass wir den Sound, den wir entwickelt haben, in den verschiedensten Farben und Aspekten ausbreiten – und das Ganze dann wieder auf einem Album zusammenzuführen.“

Jedenfalls haben Markus und Reini Blut geleckt: in Zukunft wollen sie versuchen, noch mehr in house zu machen, nicht nur selbst zu produzieren, sondern zu schreiben, zu singen. Die Herangehensweise im Drum’n’Base unterscheidet sich da: Es geht ihnen nicht mehr nur um die sauberste und fetteste Produktion, sondern um einen besonderen Vibe, um die Marke Camo & Krooked, die die Nachhaltigkeit der Tracks garantieren wird.

„Wir wollen nicht mehr mit dem letzten Trend mitschwimmen, sondern zeitlose Musik machen.“

In diesem Sinne entspricht „Mosaik“ noch viel mehr dem Zeitgeist als sein Vorgänger.

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