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Donauinselfest

Ned zum Saufen außer g’spritzt

Schweiß, Bier, Wasser, G’spritzter, Urin. Der zweite Tag am Donauinselfest erlaubt eine Studie der elementaren Flüssigkeiten eines Festivals. Inklusive wertvoller Tipps zum richtigen Trinkverhalten vom Nino aus Wien.

Von Lisa Schneider

Open Air Festivals haben fast nur Vor-, aber auch ein paar Nachteile. Heuschnupfen, Asthma und Co machen sich gerade zum Frühsommer ihre schönste Zeit. Eine neue Studie belegt jetzt, dass sich zwar vergorene und fermentierte Getränke wie Wein und Bier verschlimmernd auf die Allergieanfälle auswirken, Gin Tonic allerdings eine beruhigende Wirkung erzielt.

Kidcat Lo-Fi singt über Gin Tonic...

Als hätte die ursprünglich aus dem Burgenland stammende Musikerin Kidcat Lo-Fi das schon viel früher gewusst, schreibt sie uns den antiallergischen Sommerhit „Have A Gin & Tonic“ und platziert ihn auf ihrem „The Wet Album“ zwischen lauter Songs über diverse Flüssigkeiten.

Leider muss sie den Gin-Hit, mit grünem Haarschopf und von sonnenbehuteter Band begleitet, am glühend heißen Nachmittag vortragen, wo man sich besser noch den antialkoholischen Substanzen zuwenden sollte. Die tapferen BesucherInnen, die sich am zweiten Abend des Wiener Donauinselfests schon so früh vor der FM4 Bühne einfinden, werden aber auch belohnt: Kidcat singt ganz nach Lily Allen ein zynisch-naives „Fuck You“ (Auszug aus dem Song „Fish In The Sea“) auf den Typen, der sie nicht will. Oder aber, hervorragend passend zur sengenden Sonne, auch gleich ihre Anti-Sommerhymne „I Hate Summer“.

Nach Anlaufschwierigkeiten sitzt die Technik, das Set klingt gut nach blechernem Stampf-mit-Western auf gejagten Gitarrensaiten. Dass jemand den Anfang machen und die Bühne eröffnen muss, ist leider immer ein undankbares Los.

The Crispies wollen Cola Light...

Vom Gin & Tonic geht’s weiter zu Cola Light: Das trinken The Crispies am liebsten vor einem Auftritt im donaufesteigenen Backofen. 18.30 Uhr, 32 Grad. Sänger Tino, die Elvistolle jetzt gegen süße kleine Zöpfchen getauscht, kreischt übersteuert ins Mikro. The Crispies, der jüngste, brennend hedonistische Output an Wiener Rock’n’Roll, wo sich die Rockabilly-Girls in der ersten Reihe (die ist zu diesem Zeitpunkt schon besetzt) die Doc Martens im Staub schmutzig tanzen.

„Ich weiß nicht, was der nächste Song ist“, schnarrt Tino dann gewollt selbstvergessen ins Mikro. „Wir bringen demnächst irgendwann mal wieder was raus. Viel Spaß mit dem nächsten... Hit.“. Die Arroganz ist Programm und deshalb nicht übertrieben, sondern eben part of the plan. Kurz glaube ich ihm, dass er die Setlist voll mit Songs des Debutalbums „Death Row Kids“ wirklich nicht kennt und ich mir hier eine originär improvisierte Show ansehen darf.

Der Nino aus Wien freut sich auf an G’spritzten...

Zurück zur Flüssigkeitszufuhr am Festival: Der Nino aus Wien gibt uns eine fundamentale Lebensweisheit mit: Getränke immer schnell trinken, sonst werden sie kalt. Auch gestern war „da Wein ned zum Sauf’n außer g’spritzt“.

Müdäugig, aber gut gelaunt spaziert er auf die Bühne, die eine Hand im „Pseudo-Gips", weil er sich hat pecken lassen. „Adria“ nämlich, "weil ma ja grad a Video gmacht ham’ zu Coco Bello“. Diesen Italo-Schlager spielt kurz darauf das gut besetzte Ensemble auf der Bühne: mehrere Gitarren, Cello, Geige, Klarinette, Keyboard, alles dabei. Nino singt „Disko-Depression“, den Donauinselfestblues zum Sonnenuntergang, und er hat special friends mitgenommen.

Manuel Christoph Poppe von Wanda leiht kurz seine Gitarrenkünste, am lautesten wird aber geschrien, als das jüngste Wiener Lieblingsstrizzi in immer schickem Hemd und Ketterl auf die Bühne saust: der Voodoo Jürgens natürlich. Gemeinsam singen die beiden, diesmal auch Nino ausnahmsweise im Dialekt, eine Hommage an die Beatles. Der „Summer Of Love“ des Jahres 1967 und dazu das Entstehen des Albums „Sgt. Pepper’s Lonely Heartsclub Band“ jährt sich heuer zum 50. Mal.

Um das gebührend zu feiern, hat sich Nino etwas Besonderes überlegt, als Instrumentalbegleitung gibt es eine „indische Touristensitar, die ma uns dort kauft ham, weil wir sind ja alle relative Fans“.

Natalie Ofenböck, die mit Nino letztes Jahr „Das grüne Album“ aufgenommen hat, singt dann mit ihm die Hymne, das Praterlied. Wenn das Donauinselfest der Atmosphäre nach einen Themesong bräuchte, das wäre er.

Mighty Oaks springen ins Wasser...

Das Indie-Folk-Trio Mighty Oaks setzt ganz klar auf Elektrolyte: Nachmittags schon waren sie nach einer eher idiotischen, wie Sänger Ian Hooper nach der Show schmunzelnd zugibt, Joggingrunde in der Donau baden. Offenbar haben sie sich dafür ein besonderes Plätzchen ausgesucht. Dass es an der Donau auch FKK-Bereiche gibt, haben die drei Musiker überrascht festgestellt.

Erfrischt also bespielen Mighty Oaks im schönen Dämmerungs-Szenario die FM4 Bühne. Der Himmel ist babyblau und rosa, die Sonne weg, die dicke Luft wie eine warme Decke noch da. So klingen auch die Songs, wie Nostalgiezuckerwatte, zum Weinen schön und zum Schmusen noch besser, wie man im Publikum erkennen kann. „We try to not get the set too slow, you know, it’s a festival show. People want to be entertained“. Das geht klar, Mighty Oaks basteln zur verträumten Atmosphäre ein paar Ecken und Kanten dazu, spielen einen Song mal schneller oder lauter als gewohnt.

... und Mando Diao bestellen Champagner.

Vor 18 Jahren gründete Björn Dixgård mit vier weiteren schwedischen Musikern, darunter Gustaf Norén die Band Mando Diao. Als 2002 ihr Debutalbum „Bring ’em in“ erschien, war die Höchstblüte der nordeuropäischen Gitarrenmusik zwar schon überschritten, aber die Blätter noch nicht abgefallen. Super Alben, super Singles, große Erfolge folgten. Gustaf Norén hat die Band mittlerweile verlassen, nichtsdestotrotz ist gerade „Good Times“, das neue Album und der Neustart der Band, erschienen.

Björn Dixgård weiß, wie er seine Fans, die zu Tausenden herangeströmt sind, sofort mit ins Boot holt. Er spielt den ersten Überhit des erwähnten Debutalbums, einen Song, der nach zwanzig Jahren noch besser klingt als damals, es ist „Down In The Past“. Der Schmutz, das Leder, Rock’n’Roll. Auch wenn sich die Hitze zu diesem fast mitternächtlichen Zeitpunkt schon zurückgezogen hat, um sich auf morgen vorzubereiten, entledigt sich die Hälfte der Band gleichmal ihrer Shirts. Sie sind gut drauf, die Elektrolyte nehmen sie in Form von Champagner zu sich.

Auch die neuen Songs wie „Shake“ oder „Good Times“ klingen gut, schwedischer Britpop, optisch passend dazu Boots und Jeansjacke. Die Band ist nicht stecken-, sondern ihrem Ideal treugeblieben. Nur einen Ausrutscher gibt’s: Auf einmal werden die analogen Instrumente ausgesteckt, ein zweiteiliges Mischpult wird auf die Bühne geschoben, und es gibt was zu hören, das wie eine schlechte Sonntagabend-Partyremixnummer klingt. Leider war das nicht ironisch, sondern ernst gemeint.

Als Draufgabe brettert einer der hartnäckigsten Ohrwürmer, „Dance With Somebody“, daher - und tatsächlich, alle hüpfen, schreien, klatschen, tanzen. Die in der Ekstase unfreiwillig verteilten oder erlebten Bierduschen, der Moshpit, der sich tatsächlich in den ersten Reihen sammelt: Ja, endlich ist es soweit.

Die Festivalstimmung ist da, und sie ist auf Höchstniveau getrimmt.

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