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Süßigkeiten in einer Schüssel

CC0 - gemeinfrei

mit akzent

Der süße Rumen

Mein Freund Rumen ist immer der „Schönling der Klasse“ gewesen. Dann wurde er Süßwarenproduzent.

Von Todor Ovtcharov

Mein Freund Rumen ist immer der „Schönling der Klasse“ gewesen. Ich erinnere mich, wie ihm die Mathelehrerin direkt in den Augen geschaut, ihm seine lockigen Haare gestreichelt hat und er immer einen Einser hatte. Währenddessen musste ich die bescheuerten Theoreme lernen, um irgendwie durchzukommen.

Die Frauen sind in Rumens Anwesenheit alle geschmolzen. Wenn andere Jungs Serenaden unter den Fenstern der Mädchen organisieren mussten, warteten unter Rumens Fenster immer ein paar Mädels. Wenn er sprach, gab ihm sein leichter Sprachfehler ein gewisses Gefühl einer Lässigkeit gegenüber der Welt. Er musste nur seinen Mund aufmachen und die Knie aller Frauen wurden weich. Ich weiß nicht ob Alain Delon, George Clooney und Brad Pitt zusammen so viele Verehrerinnen aufweisen konnten wie Rumen. Aber wie man auf Bulgarisch sagt, jeder findet seinen Meister.

Mit Akzent

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Wir waren kaum mit dem Gymnasium fertig und schon hat Rumen geheiratet. Die Auserwählte war die Tochter eines Süßwarenfabriksbesitzers. Das Geschäft lief anscheinend gut, denn Rumen war kaum in Bulgarien anzutreffen. Jedesmal, wenn ich ihn traf, erzählte er mir von seinen Reisen:

“Miami beach, Alter! Meine Frau hatte ein Hotelzimmer direkt am Strand reserviert! Und jeden Tag tranken wir Dry Martini. Um uns herum Papageien, die darauf warten, die Olive vom Getränk zu ergattern. Wir geben ihnen die Oliven und sie werden langsam betrunken. Hast du schon mal einen betrunkenen Papagei gesehen, Alter?“

Ich habe einen Papagei nur beim Nachbarn, Onkel Vlado, gesehen. Onkel Vlado war ein ehemaliger Seemann und sein Papagei konnte auf vier Sprachen fluchen. Aber saufen konnte er nicht. Im Unterschied zum Onkel Vlado.

Danach verschwand Rumen wieder für einige Monate. Während die restlichen Menschen in Bulgarien wie verrückt für ein paar Euro arbeiten mussten, vergeudete Rumen das Geld seines Schwiegervaters in der ganzen Welt.

„Neulich waren wir in Südostasien, Thailand, Vietnam, Laos – du weißt eh. Wir wollten diesen Winter kurz halten!Aber es war doch nicht so toll, denn mein Arsch hat Sonnenbrand bekommen!“

Niemand schaute nach, ob Rumens Hintern tatsächlich Sonnenbrand bekommen hatte, wir glaubten ihm einfach. Alle möglichen Touristendestinationen waren in seiner Hosentasche.

Eines Tages aber starb Rumens Schwiegervater. Er bekam mit, dass die Konditoren in der Süßwarenfabrik jahrelang Zucker und Mehl gestohlen haben und er eigentlich zweimal reicher sein könnte. Als er das erfuhr, bekam er einen Herzinfarkt und starb. Rumen und seine Frau haben die Fabrik geerbt.

„Mich können die nicht anlügen, Alter! Ich werde immer alles sorgfältig nachprüfen!“

Das machte er wahrscheinlich auch. In einigen Jahren nahm er stark zu und wog hundertzehn Kilo. Seine Haare verschwanden von seinem Kopf. Von seinem charmanten Lächeln blieb nichts, seine Zähne wurden schwarz von den ganzen Süßigkeiten.

Neulich traf ich ihn. „Was machst du so?“, fragte mich Rumen. „Ich wohne in Wien, komm mich mal besuchen“, schlug ich vor. „Ich habe keine Zeit, Alter! Wenn ich die Fabrik verlasse, fangen die sofort an, mich zu beklauen!“

Ich habe versucht ihn zu überreden, dass Geld nicht alles sei. Er sagte nichts. „Viele Grüße nach Wien, aber meine Torten sind viel besser als die Sachertorte!“

Da hatte ich nichts einzuwenden. Schließlich ist er auf der ganzen Welt gewesen.

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