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Menschen im Matsch

OpenAir St. Gallen - official 2017 Foto: Michael Dornbierer / ausnahmezustand.ch

Schlamm Gallen

Das Open Air St. Gallen ist das Masters of Dirt unter den Festivals. Auch mit dabei: Bilderbuch, Bonobo, Die Toten Hosen, Justice, uvm.

Von Daniela Derntl

Friesennerz und Gummistiefel sind auch heuer wieder unumgänglich, wenn die Wolken lautstark und dampfend über dem Open Air St. Gallen brechen. Der Talkessel des idyllischen Naturschutzgebiets Sittertobel versinkt im Schlamm, die Schräglage des weitgehend ungesicherten Geländes tut das übrige für eine fiese bis lustige Rutschpartie. Aber die Festivalbesucher und Besucherinnen nehmen es gelassen. Es ist ja auch nichts Neues hier. Der Regen gehört zum Festival dazu. Nicht umsonst nennen Publikum und Bands das Open Air – mit einem beinahe liebevollen Unterton - „Schlamm Gallen“.

St. Gallen Open Air Bühne

OpenAir St. Gallen - official 2017 Foto: Michael Dornbierer / ausnahmezustand.ch

Kritik am Festival wird an anderer Stelle laut: Viele Besucher und Besucherinnen beklagen die steigenden Ticketpreise und die zunehmende Kommerzialisierung des Festivals – sei es von musikalischer oder Sponsoren-Seite. Viele Beschwerden hörte man auch schon am ersten Festival-Tag, weil das Publikum sein Hab und Gut einfach rücksichtlos im Naturschutzgebiet liegen ließ. Davon war allerdings am Freitag kaum noch was zu sehen, denn alles ging unter in einer labbrigen, braunen Pfütze.

Der knöcheltiefe Schlamm hemmte dann auch die Stimmung und Bewegungslust vor der Hauptbühne am Freitag Abend, wo Bilderbuch trotz anfänglicher Tonprobleme gewohnt souverän die Klaviatur der großen Gesten und Gefühle bedient haben.

Bilderbuch in St. Gallen

OpenAir St. Gallen - official 2017 Foto: Tatjana Rüegsegger / www.tatjanarueegsegger.ch

Ein Besucher lobte die „positive Arroganz“ und das Selbstbewusstsein der Gruppe, die man so bei Schweizer Bands nicht finden würde. Aber Glam und Grandezza findet man – unabhängig vom Lokalkolorit - ohnehin nicht bei vielen Bands. Kremsmünster ist ja auch nicht New York oder L.A.

Voodoo Jürgens

OpenAir St. Gallen - official 2017 Foto: Tatjana Rüegsegger / www.tatjanarueegsegger.ch

Voodoo Jürgens hatte witterungsmäßig am Freitag leichteres Spiel. Der Regen trieb das Publikum regelrecht in das große Zelt der Sternenbühne und deshalb war – trotz der frühen Uhrzeit – bei seinem Konzert der Andrang enorm und der Zuspruch bierselig-wärmend und familiär.

Die Sternenbühne war am Freitag Abend der begehrteste Ort am Gelände, was man auch zu späterer Stunde bei Bonobo gemerkt hat. Das Hineinkommen war schon ungleich schwieriger, aber nicht nur wegen der Publikumsdichte, sondern auch wegen der Musik des britischen Produzenten, der samt Band und Sängerin angetreten war. Es war ein mediokres Konzert ohne wirkliche Höhepunkte, ein solides Set, dem aber jeglicher Zauber fehlte.

Bonobo am Open Air St. Gallen

OpenAir St. Gallen - official 2017 Foto: Tatjana Rüegsegger / www.tatjanarueegsegger.ch

Noch eklatanter war das bei Justice, dem letzten Act auf der Hauptbühne, der Fall. Der Zug für bratzigen New Rave Sound ist schon vor vielen Jahren abgefahren und die neuen Nummern des im Vorjahr erschienen Albums „Woman“ sind weitgehend belang- und ideenlose Spielereien mit ein und derselben Blaupause, die vor zehn Jahren durchschlagend war, jetzt aber alle Druckkraft verloren hat. Das Negativ, um die Kontur des Gegenteils sehen zu können.

Wenigstens über das Wetter regt sich hier niemand auf.

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