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Aktueller Musiktitel:

King Gizzard And The Lizard Wizard

Heavenly Recordings

We create a universe to murder yours

Nachdem King Gizzard And The Lizard Wizard unsere Welt mit „Murder Of The Universe“ in Schutt und Asche legen, folgen heuer noch mindestens drei Alben der australischen Psychrock-Band. Grund genug, um fürs Überleben zu kämpfen.

Von Lisa Schneider

Erzähl mir ein Märchen. Eines, in dem es Ungeheuer gibt und Prinzen und Not, Großmut, Schwerter in Steinen und Feenstaub.

Einer Band, die psychedelische Musik macht, nachzusagen, sie erfänden seltsame Geschichten, Traumzustände, ja eben solche Märchen, ist nichts Neues. King Gizzard And The Wizard Lizard aus Melbourne, deren herrlich obskurer Bandname fast so viele Wörter hat wie Bandmitglieder, erschaffen mit jedem neuen Album seit der Bandengründung 2010 eine völlig neue Welt.

Aber wie alle guten Geschichten beginnt auch diese erstmal mit großen Ambitionen: den acht Alben, die diese Band in den letzten vier Jahren hinausgepfeffert hat, sollen allein 2017 fünf weitere folgen.

Zuhause in Melbourne veranstalten KGATLW außerdem jährlich ihr eigenes Festival, das Gizzfest. Auch heuer wieder von 18. 11. bis 4. 12.

„I figured I’m no good at chilling“, erzählt Frontmann Stu Mackenzie. „Over the years I’ve tried to keep myself super busy so I don’t go insane. If I’m going to be a musician and a creative person, I may as well be a productive creative person.“

Die neue Dystopie

Das Album „Murder Of The Universe“ gesellt sich zum heurigen Vorgänger, „Flying Microtonal Banana“, auf dem sich ebenso Psychedelic Rock, Prog Jazz, Garage Punk Kraut und besänftigter Heavy Metal die Hände reichen.

Die aktuelle ist die schwerste und dunkelste Platte der Band up to date, eine Dystopie, eine düstere, 21-Stücke vereinende Sammlung wüsten Gedankenguts, voll verkopfter Erzählungen, futuristischen Dämonen und einem gespenstischen, weiblichen Bewusstsein, einer wispernden Stimme in unser aller Hinterkopf.

We’re living in dystopian times that are pretty scary and it’s hard not to reflect that in our music.“

Diese monotone weibliche Stimme nämlich, geborgt von Leah Senior, eine gruselige Version der iPhone-Siri, darf nach donnerndem Intro das Album eröffnen:

As soon as the dust settles you can see a new world in the place of where the old one has been.

"Murder Of The Universe" Albumcover

Heavenly Recordings

„The Murder Of The Universe“ ist das zweite von fünf Alben, die KGATLW heuer veröffentlichen werden.

Da, am Anfang, da ist noch alles gut. Eine neue Welt erhebt sich aus der Asche der alten, aber es soll nicht lange dauern. King Gizzard And The Lizard Wizard teilen ihr Album in drei Teile, die durch bestimmte Motive miteinander verbunden sind. Wie man in einem Computerspiel geht es von Level zu Level und man muss sich den Gefahren stellen. Dort huscht es, hier blitzt es. Stu Mackenzie wollte ursprünglich zum Film und empfindet seine Texte nach wie vor als auch visuell greifbares Ausdrucksmittel.

The Altered Beast

Veränderung und Verwandlung, das Urböse und das Mächtige: Das erste Kapitel fordert die Gegenüberstellung von Biest und Mensch, „Alter Beast“ gegen „Alter Me“. Zerstörungswut und Donnergrollen, es gibt keine Hoffnung, das Untier wird gewinnen, den Menschen einnehmen, bis dass er selbst zum Biest wird. Kind Gizzard preschen mit schreienden Gitarren und gellenden Schreien durch das erste Drittel ihrer Songs, ganz so, als säße ihnen das Monster schon selbst im Nacken. Die Nägel rollen sich auf, die Gänsehaut sitzt auf den Armen. Es sieht nicht gut aus.

The Battle

Auch der zweite Teil hält einen Kampf bereit: ein Balrog kämpft gegen den „Lord Of Lightning“, und unzählige Male wird der Name des Teufels aus der alten Welt dahingegrummelt: Balrog, Balrog, Balrog dröhnt Stimme wie Bass wie Trommelwirbel. Kehlkopfgesang reitet die Riffs solange, bis sie sich gegenseitig satt haben, am Ende obsiegt trotzdem der Lord in diesem Battle, es steht also 1:1 im Kampf Gut gegen Böse.

Han-Tyumi and The Murder Of The Universe

Weg von Urdämonen und hin zu mehr SciFi geht’s im dritten und letzten Teil auf „Murder Of The Universe“. Frankenstein’s Monster murmelt, artifizielle Intelligenz übermannt uns alle. Ein Cyborg predigt seine ungewisse Zukunft und den Ausblick in eine unbekannte, angsteinflößende Situation yet to come.

Besucht man die Website der Band, wird man in schrill-grünen Lettern von ihm begrüßt. Hi, I’m Han tyumi.

Dieser Han tyumi will so gerne zwei Dinge tun können, zu denen es kein digitales Äquivalent gibt, zu denen nur Menschen fähig sind: Sterben und sich übergeben. Und tatsächlich, am Ende soll es so sein, dass zwar nicht er, aber ein von ihm erbauter Roboter das Universum im wahrsten Sinn des Wortes zukotzt. Universe, murdered.

Große Geschichtenerzähler

Das liest sich am Papier wie das reine Chaos, wie der wunderbare Nonsens, den man viel zu selten zu konsumieren vorgesetzt bekommt, aber King Gizzard And The Lizard Wizard bestehen darauf, bestehen auf Trash, Quatsch, und das ganz ohne Bekenntnis zu einer bestimmten Ideologie.

Die Bandgeschichte umfasst mittlerweile unter anderem Spaghetti-Western (Eyes Like The Sky), Garage-Psych-Mindfuck (I’m In Your Mind Fuzz), eine ähnliche dystopische Phantasie (Nonagon Infinty, dessen Titel sogar im Song „Lord Of Lightning“ wieder als Referenz angeführt wird), die feine, instrumentallastige und fast schon poppige Seite (Paper Maché Dream Balloon) und schließlich die fröhlich erzählte Geschichte der nächsten Umweltkatastrophe (Flying Microtonal Banana).

King Gizzard And The Lizard Wizard

Lee Vincent Grubb

„Murder Of The Universe“ist eine zackig schnelle Performance, voll mit Songs, die nach vorne drängen, hinein ins nächste Abenteuer, das im Falle von King Gizzard and The Lizard Wizard eben wirklich bedeutet, ins nächste Album. Ein wildes Hin- und Herhüpfen zwischen Akkorden, Basslines und Drumsolos, ein dichter Duktus, gesalzen mit explosivem Klimax - und das auch nach der herbeigesungenen Apokalypse.

LIVE

King Gizzard And The Wizard Lizard spielen unvergesslich verrückte Livesets, und das nicht nur wegen ihrer beiden Drummer. Momentan leider nicht in Österreich, aber auf youtube oder hier zu sehen.

Die neue Darkness wird nicht nur durch übermäßig oft eingesetzte, klirrend-klimpernde Keys verdichtet, sondern vor allem auch durch die Spoken Word Passagen geprägt. Nicht nur Frankenstein’s Monster flüstert: I am your father, I am your god.

Wie Voodoo-Predigten prasseln die Wörter herab, das gut 47-minütige Album kommt keine zwei Minuten ohne rein gesprochene Passagen aus, manchmal klingt das gar nur mehr wie ein instrumentalisiertes Hörbuch. Das stört nur dann, wenn etwa „Alter Beast III“ zum Crescendo ansetzt- und die Wörter, die darübergestreut werden, sich nicht ganz ins instrumentale Gesamtbild fügen wollen.

Stu Mackenzie fasst zusammen: "It’s almost unavoidable. Some scientists predict that the downfall of humanity is just as likely to come at the hands of Artificial Intelligence, as it is war or viruses or climate change. But these are fascinating times too. Human beings are visual creatures – vision is our primary instinct, and this is very much a visual, descriptive, bleak record. While the tone is definitely Apocalyptic, it is not necessarily purely a mirror of the current state of humanity. It’s about new non-linear narratives.“

Und was kommt nach dem Ende? Ein neues Album von King Gizzard And The Lizard Wizard. Es soll dann diesmal mehr in Richtung Future-Jazz gehen.... aber das ist eine andere Geschichte.

Aktuell: