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Washed Out

Alexandra Gavillet

Artist of the week

Mister Mellow

Mit seinem neuen Album „Mister Mellow“ bleibt Washed Out sommerlich, entspannt, verwaschen, aber er hat diesmal ein bisschen ein schlechtes Gewissen dabei.

Von Katharina Seidler

Leider werden wir älter. Wir können nicht mehr so wie früher gemütlich nach der Vorlesung ins Kaffeehaus radeln, Limonade trinken, keinen Sport machen, die Abendnachrichten ausblenden, denn die Welt wird immer düsterer, und wir sind abends müde von der Arbeit. Wir vertragen keine Partys mehr, wir haben Kinder, Schulden, Verantwortung, und gleichzeitig ein schlechtes Gewissen wegen unseres Unbehagens, weil es uns trotzdem noch tausendmal besser geht als so vielen anderen Menschen.

Mit diesen first world problems sind wir ganz und gar nicht alleine, die Soziologie hat für uns den Namen Millennials oder Generation Y gefunden. Musik ist meistens da als absoluter Trost, als Zuflucht und Ventil, und zwischen Bass, Beat und Melodie lässt sich das schlechte Gewissen zumindest taktelang erleichtern oder ausschalten.

"Mister Mellow" Washed out Albumcover

Stones Throw

„Mister Mellow“ von Washed Out ist am 30.6.2017 via Stones Throw erschienen

Soweit das Grundgefühl, aus dem Ernest Greenes neues Album entstanden ist, das dritte unter seinem Alter Ego Washed Out, mit dem er vor acht Jahren das Genre Chillwave mitbegründet hat ohne es zu wollen. Den Stempel wird er nun nicht mehr los, er heißt aber schließlich auch Washed Out und hat seinem neuen Longplayer den Titel „Mister Mellow“ gegeben. Mister Mellow. Auf dem Cover tummeln sich Smileys, Blumen, Spielsachen und sogar eine Kappe, auf der „Chillwave“ steht.

„Diesen Gefühlen der Zukunftsangst begegnen wir alle früher oder später im Leben, zumindest in meiner Generation,“ meint Ernest Greene im Interview, „da kann man sich also auch gleich darüber lustig machen oder das zumindest ironisch verarbeiten." Dieses Augenzwinkern findet sich außer im Titel und im Cover also auch im verspielten Zugang zur Musik wieder, in luftigen Easy-Listening-Passagen, loungigen Downbeat-Interludes, Greenes eigenem, nostalgischem Singsang-Gemurmel und Songtiteln wie „Time Off“, „Instant Calm“ oder „I’ve been daydreaming my whole life“.

Stilistisch dreht Washed Out seinen sommerlichen, entspannten Sound einen Tick mehr in Richtung Hip Hop und Psychedelik light als das auf seinen früheren Veröffentlichungen der Fall war. Damit einher geht auch der Labelwechsel von der Seattler Indie-Pop-Institution Sub Pop zur kalifornischen Hip Hop-Spielwiese Stones Throw, die „Mister Mellow“ als audiovisuelles Album herausgebracht hat.

Greene hat die Songs darauf von elf verschiedenen Trickfilm-Artists bebildern lassen, aus deren Arbeiten er sich beim Komponieren umgekehrt immer wieder Inspiration geholt hat. Mit voller Absicht nämlich zelebrieren nämlich sowohl die Visuals als auch die Musik das Selbstgebastelte, Chaotische, dem man beim Entstehen zusehen oder zuhören kann.

Life goes by
Each and every day
I need some time
So I can find a way

(„Burn Out Blues“)

In den Videoclips wechseln sich Fotos mit Karton-Collagen, Vintage-Film-Sequenzen, Zeichnungen und Stop-and-Go-Animationen ab, und Washed Out lässt dazu in den Interludes Stimmsamples aus anonymen Youtube-Clips aufblitzen: „It’s been a long day and I’m not in a good mood…“. Die Songs selbst verhalten sich wie schwimmende, pulsierende Lebenwesen, sie tauchen unter und hallen oder schälen sich an die Oberfläche, sie wandeln sich von zusammengebasteltem Cut-Up-Pop zu vernebelten Hip Hop-Schwaden, durchsetzt von stolprigen Beats, oft auch wie unfertig in der Luft hängend.

Wenn zwischen der Unzahl an Ideen die wenigen „richtigen“ Songs klarer hervortreten, ist „Mister Mellow“ am besten, etwa innerhalb der vier Minuten Deep-House-Glücksseligkeit von „Get Lost“. Entspannung und Langeweile liegen oft nur einen Gedanken weit voneinander entfernt, wenn man in der Hitze des Nachmittags auf dem Sofa oder vor dem Laptopbildschirm vor sich hin sinniert.

„Ich hoffe, dass die Menschen mit positiven Gefühlen aus der Platte herausgehen“, sagt Greene. Er hat ein Album gemacht, das zumindest alles dafür tut, sie ihre Sorgen eine knappe halbe Stunde lang vergessen zu lassen.

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