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Bilder aus "Baby Driver"

Sony

Don’t believe the Hype!

Eine Abrechnung mit „Baby Driver“. Entgegen dem Hype, der auch die FM4 Filmredaktion zum Teil gepackt hat.

Von Jan Hestmann

Ein Film von „Shaun of The Dead“- und „Scott Pilgrim vs. the World“-Regisseur Edgar Wright mit Topbesetzung (u.a. Kevin Spacey, Jamie Foxx, Jon Hamm) und einer ordentlichen Ladung guter Musik. Was soll da schon schiefgehen? Irgendwie alles.

Baby (Ansel Elgort) ist ein junger, talentierter Fluchtwagenfahrer. Und er hat einen Tinnitus, weshalb er ständig Musik hört, um ihn zu übertönen. Die Playlist seines iPods wird zum Soundtrack von „Baby Driver“. Wenn er Kaffee für seine Ganoven-Kollegen holt oder wenn er gerade wieder unzählige Polizeiwagen abhängt und ebenso viele Autowracks hinter sich lässt. Ein Film wie ein Mix Tape. Klingt nach Konzeptfilm, klingt an sich spannend, vong Idee her. Aber...

Bilder aus "Baby Driver"

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„Baby Driver“ hat schon vor Kinostart massive Vorschusslorbeeren geerntet. Hier und dort ist schon „Coolster Film 2017“ gerufen worden. Und auch vor der FM4 Filmredaktion macht der fette Hype nicht halt. So haben wir diese Woche ein Kino unter Freunden: Baby Driver veranstaltet, das bis auf den letzten Kinosessel belegt war. Und auch im Radio hat die geschätzte Kollegin 8/10 Überholspuren vergeben. Schön, dass man sich gepflegt uneinig sein kann.

Hier soll der Heist-Film neu erfunden werden. Das Rezept dafür: Wrights „Baby Driver“ ist eine furiose Kreuzung aus unterschiedlichsten Genres, ein bisschen „La La Land“ (es gibt natürlich auch eine Lovestory), eine Ladung „The Fast and the Furious“ (die Verfolgungsjagden sind, zugegeben, packend inszeniert) und zwischendurch wird auch ordentlich Blut vergossen.

„Your name is Baby?!“

Also alles dabei, leider wird aber nie so wirklich der richtige Ton getroffen. Die versucht skurrilen Dialoge haben dabei überraschend wenig von der Komik eines „Shaun of The Dead“ oder der Liebenswürdigkeit eines „Scott Pilgrim vs. the World“, wirken hölzern. Das kommt von den unausgereiften Charakteren. Baby wirkt nie wirklich authentisch, versprüht keinen Charme, ist pure Kunstfigur. Seine einzige Charaktereigenschaft scheint das Hören von Musik zu sein. Und ein „lustiger“ Nickname.

Die von Kevin Spacey und Jamie Foxx dargestellten Bösewichte sind Fleisch gewordene Cartoonfiguren, deren Entwicklung den Film hindurch nicht nachvollziehbar bleibt. So viel verschenktes Star-Potential tut schon weh. Den meisten Spaß hat man da noch mit Jon Hamm, der sich vom Gangster-Charmeur zum rastlosen Rambo hochschwingt.

Bilder aus "Baby Driver"

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Ein Film für all die Songs

Aber da ist ja noch die Musik, also vor allem die Musik, das eigentliche Kernelement des Films. Der rote Faden. So essentiell wie der Song zu einem Musikvideo. Und diese Musik ist feinstens selektiert, da gibt’s nix. Auch hier geben sich die Genres und Jahrzehnte die Klinke in die Hand: Simon and Garfunkel, T.Rex, Queen, Beck bis Run the Jewels (der Soundtrack zum Nachlesen).

Und hier kann man als ZuseherIn zwei Wege einschlagen. Entweder man kippt tatsächlich rein in diesen ruhelosen Soundtrack und versinkt in der folgenden Bilder- und Song-Flut, die den Plot nebensächlich macht. Oder das Gegenteil trifft ein. Die ständige und kontrastreiche Beschallung geht bald auf die Nerven und unterstreicht die schwache Story und die banalen Charaktere. Zweites ist eingetreten.

Und so bleibt dann am Ende nicht wirklich etwas Positives übrig von diesem Hype-Film. Außer vielleicht der Wunsch, den Soundtrack kaufen zu wollen. Um ihn sich dann in aller Ruhe anzuhören, ohne den Film drumherum.

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