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Die Österreichische Frauenmannschaft freut sich nach dem Sieg gegen Island

DANIEL MIHAILESCU / AFP

#fußballjournal17

Die Sache mit dem Frauenfußball.

The daily blumenau. Friday Edition 28-07-17.

von Martin Blumenau

Es war klar, dass es anlässlich der medial schon im Vorfeld gut aufbereiteten Frauen-Fußball-EM einen fetten backlash geben würde; es war klar, dass all die Sackgassen-Argumente und schiefen Vergleiche aus der Mottenkiste geholt und mit Hilfe des grade günstig stehenden Feminismus-Backlash -Rückenwinds auf Kurs gebracht werden würden.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

Siehe dazu auch die Preview: Warum die Fußball-EM der Frauen eine feine Sache wird.

Was nicht so klar war: die machoiden Rülpser kommen nicht aus ihrer angestammten reaktionären Ecke, sondern aus dem progressiv-kritischen Milieu. Die Michael Jeannées und viele andere Wahlkämpfer dieses Landes drehten ihre Fahnen sofort in den Wind, als unkritische Jubelperser, die dann auch über die Tatsache hinwegsehen, dass die Frauen-Mannschaft die Bundeshymne immer richtig singt. Und reihen sich damit in die doch recht eventorientierte öffentliche Fröhlichkeit vieler Politikerinnen ein und übernehmen eine klassisch-österreichische Position: ein „wir“, wenn SportlerInnen etwas aufgeht, das bei Misserfolg sofort zum „die“ wird.

Die Zweifel kommen, punktgenau, zum historisch größten Erfolg ever, der Qualifikation für ein Euro-Viertelfinale (noch dazu als krasser Außenseiter, also unerwartet): man solle dem Hype nicht trauen und die Sportlerinnen auch in punkto Physis, Taktik, Technik kritisieren, anstatt sich in einem „für Frauen (Subtext: Tschapperln) eh super!“ zu ergehen. Und überhaupt: linke Patrioten, gesellschaftspolitisch motivierte Fans? Verdächtig.

Ein nicht komplett falscher Ansatz. Der sich dann aber durch seinen Glauben an den absoluten Vergleich komplett verrennt. Weil er (der Falter, im konkreten sein Redakteur Lukas Matzinger, auf der Meinungsseite) behauptet, im Leben wie im Leistungssport müsse nach Leistung geurteilt und nicht zwischen Männern und Frauen unterschieden werden. Weil er das, was im Tennis oder Skisport seit über bzw. fast hundert Jahren eh klar ist, feist ignoriert. Niemand wird Lindsay Vonn oder Serena Williams vorwerfen, dass sie den Männern unterlegen wären. So wie auch der Leichtgewichtler nicht gegen den Schwergewichtler boxt.

Niemand wird es Steffen Hofmann (den Matzinger im Falter jüngst als „Fußball-Gott“ portraitierte) ankreiden, dass er es weder bei Bayern, noch bei 60, noch ins deutsche Team geschafft hat, wenn er für Rapid Tolles geleistet hat. Niemand wird aufhören über österreichischen Männer-Fußball zu berichten, obwohl er im Vergleich zur Champions League wie ein ganz anderer (leistungsschwächerer) Sport aussieht. Wenn ein österreichisches Medium auf die Idee kommt, Frauenfußball am Männerwerten zu messen, dann muss es konsequenterweise auch aufhören über fast sämtliche, im (absoluten) Vergleich unterklassige österreichische Kultur oder Politik zu berichten.

Wenn nur noch das Absolute zählt, dann erscheint der Falter künftig als monatliches Flugblatt.

Apropos seit 2011 dran arbeiten: Frauenfußball ist ein altes FM4 & fußballjournal-Thema: Nina Burger war 2008 Gast, in einem Exkurs im Rahmen der Legionärsliste vom Herbst 2011 kommen schon zehn der heutigen EM-Teilnehmerinnen vor, und seit 2012 sind die spielerisch bemerkenswerte Ansätze der Frauen ein Thema.

Abgesehen davon ist die Frauen-Nationalmannschaft des ÖFB den Herren tatsächlich taktisch überlegen. Nicht unbedingt, weil Frauen schlauer oder teamfähiger wären (Klischee?), sondern weil dieses Team (mit dem Team dahinter) seit 2011 konstant und planvoll und mit guten Ideen an seinem Aufbau arbeitet.

Und so im Gegensatz zu Kollers Herren innerhalb eines Spiels bis zu vier strategische Varianten auf den Platz setzen kann. Was dann dazu führt, dass taktisch starre Teams (wie etwa Gegner Schweiz) ratlos zurückbleiben. Oder, anderes Beispiel: das gewagte 4-1-3-2 der deutschen Frauen unter Steffi Jones kursiert unter den Konzepttrainern bei den Herren gerade als heißester Scheiß (und veranlasst ihre Vorgängerin, die Old-School-Trainerin Neid, zu miesepetriger, man möchte sagen neidiger Nörgelei).

Zudem bewegt sich das fußballerische Niveau der Euro über zumindest meinen Erwartungen: selbst die Außenseiter fallen nicht ab (Jausengegner wie bei Herren-Turnieren: Fehlanzeige), Zweikämpfe, Technik und Physis – alles besser entwickelt als bei der letzten WM oder Olympia; Speed und Laufleistung nähern sich den Männerwerten an, Pass- und Schussquoten sind bereits besser, gefoult wird weniger. Nur das mit der von Fan Julian Nagelsmann (der beste deutsche Trainer sang unlängst ja ein Loblied ) höher eingeschätzen Nettospielzeit stimmt nicht. Ist ein Klischee, eine Zuschreibung, eine im Hype um einen neu entdeckten Sport hingewirbelte Chimäre.

Kritischer Journalismus ist der natürliche Feind solcher Trugbilder. Wenn er sich mit dem „jahrelang trainierten kollektiven Grant“ (Zitat Matzinger/Falter) verbündet, der Männer erfasst, wenn Frauen ihre für exklusiv gehaltenen Bastionen einnehmen, verkehren sich aber die ehrenwertesten Absichten ins Gegenteil und atmen den motzenden Ungeist von vor Bier und Schweiß dampfenden Fußball-Kantinenstammtischen. Und sind somit das Gegenteil der Leistung der Fußball-Frauen.

Die treffen im Viertelfinale auf die vor Turnierbeginn höher eingeschätzten Spanierinnen (am Sonntag um 18.00, live auf ORF 1). Dort, in Spanien, kümmert sich der Verband erst seit wenigen Monaten ernsthaft (zudem baut man zeitgleich eine professionelle Liga auf), die Mannschaft galt vor der Euro als Geheimtipp und rising star und schaffte es dreimal als eigentlich besseres Team keine guten Resultate zu erzielen.

Ganz im Gegensatz zu den Österreicherinnen, die gegen jeden Gruppen-Gegner Außenseiter waren, und jetzt als Gruppensieger dastehen. Dank gutem Coaching samt erstklassiger (und langjähriger) Mentalbetreuung, hoher Variabilität und guten Matchplänen, guter Physis und im gutklassigen Ausland erlernter Technik. Im Volksmund heißt das dann Teamgeist und Kampfgeist. Und das hat gereicht, um unter die besten Acht in Europa zu kommen, an die internationale Spitze anzudocken, ans aktuelle Limit des Sports zu gehen, also den bestmöglichen Job zu machen. Und sich so nicht nur eine gesellschaftspolitisch, sondern rein sportlich motivierte Fanbase erarbeitet zu haben.

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