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Eine alte Jukebox

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I am not your Jukebox

Wenn betrunkene Menschen mit gezückten Handys und Zetteln Richtung Bühne torkeln, bekommen DJs meist Gänsehaut. Über Musikwünsche im Club und wie man es richtig macht.

Von DJ Phekt

Seid ihr schon einmal in einem Restaurant in die Küche gegangen, um dem Koch zu erklären, wie man eine Suppe würzt oder wie man das Salat-Dressing machen soll?

Nehmt ihr dem Zahnarzt den Bohrer aus der Hand um ihr oder ihm zu zeigen, wie man Zähne richtig behandelt? Wahrscheinlich nicht.

Titelbild: flickr.com, User anonymouscollective, CC BY 2.0

Aus irgendeinem Grund fühlen sich Menschen im Club ab einer gewissen Uhrzeit jedoch dazu berufen, den Job des DJs als Einflüsterer zu übernehmen. Ja, ich weiß, euer Lieblingssong würde die Tanzfläche jetzt ultimativ zum Kochen bringen. Wie bin ich nur hinter diesem DJ-Pult gelandet? Ich hab offensichtlich keine Ahnung von Musik.

„Hast du was mit Stimmung?“

Stimmung? So heißt mein Lieblingsgenre.

Unlängst hab ich in Linz aufgelegt, die Tanzfläche war gut gefüllt, es war ein angekündigtes Hip-Hop-Set. Eine Besucherin hat sich offensichtlich verirrt, denn sie wollte „was mit Stimmung!“

Manche wünschen sich was mit „Pfeffer“, „etwas, das fährt“ oder „keine Schaumschlägermucke“. Oder „was Schnelles“, „was Langsames“, „alte Klassiker“ oder „den neuen Shit“. „Was zum Tanzen“ finde ich auch immer super, vor allem, wenn gerade alle tanzen. Oder ich soll doch bitte endlich aufhören, „Rap“ zu spielen und ein bisschen mehr „Hip Hop“. Seriously, ich hab’ das alles schon gehört.

Ihr könnt euch sicher das Dilemma vorstellen, wenn man in kurzer Zeit so eine subjektive Bandbreite abdecken soll. Während man konzentriert an seinem DJ-Set arbeitet und eigentlich das Gefühl hat, eh alles im Griff zu haben.

Hängen geblieben ist mir das Mädchen im Club Roxy in Wien vor ein paar Jahren, die während einer Frank-Ocean-Nummer („Lost“) auf meinem Plattenteller meinte, ich soll endlich was zum Tanzen spielen (während die Tanzfläche voll war). Danach hab ich Kendrick Lamar „Bitch don’t kill my vibe“ gespielt und diesen Zettel bekommen.

Zettel

Alex Hertel

Danke. Der Zettel hat in meiner Wohnung übrigens einen Ehrenplatz über meinen Plattenspielern bekommen.

Happy Birthday und die Scorpions

Wenn ihr euch bei einer Hip-Hop-Party mitten im Set „Wind of Change“ von den Scorpions wünscht, weil das „grad so geil wäre“, dann seid bitte nicht böse, wenn der DJ verwirrt reagiert und den Wunsch nicht erfüllt.

„Happy Birthday“ ist auch so ein Klassiker, bei dem DJs schlechte Laune bekommen. Gratuliere. Irgendwer hat immer Geburtstag im Club. Sorry, dass ich die Torte vergessen habe.

Spielt es doch bei eurer Privatparty oder wo auch immer. Wenn ich privat zu eurer Feier als DJ eingeladen werde, ist das was anderes. Das gilt auch für Hochzeiten. Aber nicht im Rahmen eines Club-Sets vor vollem Haus, das mit eurem Geburtstag überhaupt nichts zu tun hat.

Wie mache ich es richtig?

Prinzipiell ist ein Musikwunsch im Club nicht verboten. Es kommt halt immer darauf an, wie man ihn deponiert und wie man mit einer eventuellen Zurückweisung umgeht. Vorsingen im Club ist keine gute Idee. Dem DJ den leuchtenden Handy-Screen vor die Nase zu halten übrigens auch nicht. Sollte der DJ gleich am Beginn signalisieren, dass er keine Wunschtitel spielen möchte, dann respektiert das bitte.

Nein, wir sind keine Jukeboxes, die jederzeit immer und überall auf jeden Song zugreifen können. Wir kommen mit vorselektierten Plattentaschen oder einem durchdachten Set in Form einer vorbereiteten digitalen Musikliste. Wir spielen nicht von YouTube, nicht von eurem Handy und auch nicht aus dem soundtechnisch schlecht aufgelösten Internet. Akzeptiert ein „Nein, danke“ oder „Hab’ ich nicht dabei“ und alles ist gut.

Bleibt bitte nicht vorm DJ stehen, um ihn dann gelangweilt mit den Augen zu fixieren und bei jedem Übergang demonstrativ enttäuscht zu schauen. Das macht den Vibe für alle schlecht. Den DJ wüst beschimpfen hilft genauso wenig, wie den Daumen nach unten zu halten. Und auch wenn du dich besonders hübsch fühlst, weil dir alle Männer im Club den Hof machen, macht es deinen unpassenden Musikwunsch nicht besser, wenn du mir zuzwinkerst.

Sollte euer Wunsch passend sein und ich ihn zufällig dabei haben, werde ich den Song unter Umständen spielen. Das passiert durchaus und kann die Stimmung tatächlich auch positiv beeinflussen. Es liegt aber in erster Linie daran, wie respektvoll man mich fragt.

Wer sich wirklich aus tiefstem Herzen dazu berufen fühlt, selbst aufzulegen, soll das bitte gerne machen. Zeigt uns anderen DJs, wie es geht, und „rockt das Haus“. Aber bitte dann, wenn ihr selbst gebucht werdet. Ich komme dann und wünsch’ mir die B-Seite von der einen Lord-Finesse-Maxi aus den 90er Jahren. Wie? Die hast du nicht dabei?!

Songs, die in letzter Zeit oft gewünscht wurden

Als kleinen Bonus füge ich hier noch ein paar Musikwünsche an, die in letzter Zeit an mich herangetragen wurden und die ich auch gerne gespielt habe:

  • Mura Masa ft. Desiigner „All around the world“
  • Kendrick Lamar „DNA“
  • SZA ft. Travis Scott „Love Galore“
  • A Tribe Called Quest „We the people“
  • Kroko Jack „Bledsinn“
  • Action Bronson „Let me breathe“
  • Future ft. Kendrick Lamar „Mask Off“ (Remix)
  • alles von Mobb Deep

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