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Interpol

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15 Jahre „Turn On The Bright Lights“

Bei Alben mit 2-stelliger Jubiläumszahl wird man ähnlich wehmütig wie bei Kindern. In beiden Fällen kann man sich daran erinnern, als sie noch ein kleines Wunder waren. Ehe man sich versieht, sind sie im Lauf der Zeit ziemlich schnell gewachsen.

Von Christian Holzmann

Einen ganz markanten Unterschied gibt es aber im Werden von Kindern und Alben: Viele LPs verschwinden in der Versenkung des ersten Hypes. Ich erinnere mich gut, als Kollege Christian Fuchs im Wissen ob meines Fanatismus um Joy Division mir das Debütalbum einer damals noch unbekannten Band namens Interpol in die Hand drückte. „Turn On The Bright Lights“ hieß es und Herr Fuchs kennt mich gut genug, um zu wissen, dass dieses Album absolut meinen Nerv treffen würde. Wie sich herausstellen sollte, nicht nur meinen.

Cover des Interpol-Albums "Turn on the Bright Lights"

Interpol / Matador

„Turn on the Bright Lights“ ist das Debütalbum von Interpol, das zum 10-jährigen Jubiläum 2012 neu aufgelegt worden ist.

Zum 15-jährigen Bandbestehen gibt es nun eine „Turn on the Bright Lights“-Tour, die am Donnerstag, 10. August, Station in der Arena Wien macht.

(Copyright Titelfoto ganz oben: Andrew Zaeh)

Dass ausgerechnet eine Band aus New York City im Jahr 2002 so dermaßen britisch klingen kann, hat natürlich überrascht, und nicht wenige hielten Interpol erst für eine Band aus England oder sogar gleich aus Manchester. Das klang alles viel mehr nach englischem Industriegebiet als nach urbanem Neonlicht. Interpol traten mit „Turn On The Bright Lights“ ein regelrechtes Revival des fast vergessenen Post-Punk los, dem später Bands wie zum Beispiel die Editors folgen sollten. Die Klasse dieses Albums hat allerdings keine von ihnen erreicht, nicht einmal Interpol selbst, auch wenn deren zweites Album „Antics“ später kommerziell sogar erfolgreicher war als das Debüt.

An sich beginnt das Album recht unspektakulär, wenn mit „Untitled“ in bester Johnny Marr-Manier flirrende Gitarren die folgenden 49 Minuten eines bis heute gültigen Meisterwerks einläuten. Spätestens mit „Obstacle 1“ wird man von der Wucht der an Joy Division erinnernden Dringlichkeit regelrecht überrollt. Die Kunst, die Interpol damals schaffte, war, dass nichts wie eine Kopie, sondern dass alles durch und durch eigenständig klang. Sich von den offensichtlichen Vorbildern später zu distanzieren, war zwar einerseits verständlich, weil man in Interviews immer wieder nach Joy Division gefragt wurde. Andererseits war das gar nicht notwendig, denn dafür waren Interpol schon mit ihrem Debütalbum viel zu eigenständig.

Hohe Erwartungshaltung nach Peel-Session

„Turn On The Bright Lights“ war ein Album, dessen Songs schon zwei Jahre vor dessen Veröffentlichung zum großen Teil bereits fertig geschrieben waren. Man meint dem Album das auch anzuhören, dass diese Songs einfach rausplatzen mussten. Schon 2001 wurde Interpol von John Peel eingeladen und spielte dort „NYC“, „Hands Away“, „Obstacle 2“ und „The New“, die allesamt später auf dem Album zu finden waren. Die Erwartungshaltung war daher im Vorfeld entsprechend hoch und heute weiß man, dass Interpol dieser hohen Erwartungshaltung mehr als gerecht wurden. Für die einen, die in den 80ern mit Joy Division, The Smiths und The Cure musikalisch sozialisiert wurden, klang das alles vertraut und gleichzeitig sehr eigenständig. Für die anderen gab es abseits von Samantha Fox und Rick Astley wesentlich mehr zu entdecken, was in den 80ern gut und teuer war.

Interpol

interpolnyc.com

Interpols Debüt ist bis heute ein Album, von dem man jeden einzelnen Song sofort zuordnen kann. Ein „richtiges“ Album, bei dem man einerseits zwar einzelne Highlights hat (in meinem Fall „Obstacle 1“ und „PDA“), andererseits hört man es sehr gerne komplett durch. Vor allem, weil es dazwischen Luft zum Atmen gibt und man die teils im ersten Moment vielleicht nicht ganz so spektakulären, aber teils umso wehmütigeren Perlen dazwischen nicht missen möchte. So soll das sein, denn sogenannte Lückenfüller in Form von schwächelnden Songs sind hier nicht auszumachen.

„Best served“ am Stück

Weitere vier Alben sollten Interpol bis 2014 abliefern. Allesamt zwar gelungen und sehr solide, ein solches Highlight wie „Turn On The Bright Lights“ war jedoch nicht mehr dabei. Auf einem Konzert könnte ich, im Gegensatz zum Debüt, einzelne Songs der Setlist nicht unbedingt zuordnen.

Für Nostalgie ist es nach 15 Jahren eigentlich fast noch ein wenig verfrüht, aber etwas wehmütig darf man nach dieser Zeit doch schon werden. „Groß sind sie geworden“, würde die Tante sagen. Groß ist dieses Album bis heute geblieben und es will auch live gerne im Ganzen gehört werden. Einen passenderen Rahmen als das Open Air in der Wiener Arena am 10. August kann es dafür eigentlich nicht geben.

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