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Screenshot aus "Tacoma"

Fullbright

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Privates und Politisches

Das Portlander Gamesstudio Fullbright zeichnet eine unkonventionelle Zukunft: Im Jahr 2088 gibt es zwar einige Raumstationen, doch weiterhin tiefschürfende gesellschaftliche Probleme.

Von Robert Glashüttner

Immer wieder werden im Netz aktuelle Bilder und Videos von der International Space Station gepostet, um uns den alten Traum der Weltraumreise bequem ins Wohnzimmer zu bringen. Auf der ISS sieht zwar alles sehr aufregend und manchmal sogar etwas verspielt aus, aber es wird immer auch klar gemacht, wie viel Expertise ihre Crewmitglieder mitbringen müssen.

In rund 70 Jahren könnte das anders sein: Da braucht man für so manche Raumstation vielleicht gar keine Besatzung mehr, und fast alles wird von künstlicher Intelligenz erledigt. So ist es jedenfalls im aktuellen interaktiven Erlebnis „Tacoma“, das im Jahr 2088 spielt und das banale, aber auch bekanntermaßen gefährliche Leben im Weltraum zeigt.

ODIN und seine Crew

Tacoma schwebt im Orbit um die Erde. Eine Astronautin dockt mit Hilfe ihres Bordcomputers an die Raumstation an. Wir wissen erstmal nicht viel über diesen Ort, außer, dass die Crew ihn mittlerweile verlassen hat und wir herausfinden müssen, was passiert ist.

Die Station dient der Abwicklung von Transporten zwischen Erde und einer weiter entfernten Raumstation. Dennoch ist sie groß genug, dass neben der künstlichen Intelligenz ODIN eigentlich sechs menschliche Crewmitglieder aus Sicherheitsgründen und zwecks Kontrolle an Bord sein müssen, darunter eine Mechanikerin, ein Botaniker und eine Software- und Netzwerk-Expertin.

„Tacoma“ von Fullbright ist für Windows, Mac, Linux und Xbox One erschienen.

Weil niemand mehr da ist, können wir nur vergangene Konversationen der Crewmitglieder sowie ihre jeweiligen Positionen im Raum wiedergeben. Das funktioniert über spezielle Augmented-Reality-Module, die wir uns anstecken. Wenn wir vergangenen Konversationen der Crew lauschen, kommen wir uns vor wie das berühmte Mäuschen, das im Raum ist und alles mithört und sieht. Das macht aber auch klar: Mit Privatsphäre und Datenschutz nimmt es der Konzern, der die Raumstation betreibt, nicht so genau.

Screenshot aus "Tacoma"

Fullbright

Wir erfahren: Das Leben auf Tacoma ist erst mal eintönig. Obwohl die vier Frauen und zwei Männer speziell ausgebildete Fachkräfte sind, wird die relevante Arbeit alleine von der K.I. übernommen. Für alle sechs Besatzungsmitglieder ist Tacoma ein Job, der gutes Geld bringt, bei dem man sich aber freut, wenn man ihn hinter sich hat.

Doch dann passiert ein schlimmer Unfall, der dafür sorgt, dass der Sauerstoffvorrat massiv beeinträchtigt wird und die Kommunikation mit der Erde nicht mehr möglich ist.

Privates und Politisches

Durch die Orte, Gegenstände und Gespräche, die wir in „Tacoma“ betreten, sehen, nehmen und hören, entspinnen sich die individuellen Charaktere der Crewmitglieder sowie persönliche Geschichten und Beziehungen. Wir lesen und lauschen Gesprächen mit Freunden, Partnern und Kindern, lernen das soziale Gefüge auf der Raumstation kennen und erfahren nach und nach, wie die Crew nach dem Unfall reagiert hat.

Die Abwechslung von privaten Geschichten und politisch und gesellschaftlich hochaktuellen Themen wird gekonnt in Szene gesetzt. Durch herumliegende Bücher, Flyer und Memos werden auch Themen wie soziale Ungleichheit, Maschinenarbeit oder staatliche Regulierung verhandelt.

Darüber hinaus ist „Tacoma“ ein wirklich spannender Krimi mit fantastischen Dialogen und sehr guten SprecherInnenstimmen.

Screenshot aus "Tacoma"

Fullbright

Trotz der unkonventionellen Inszenierung ist „Tacoma“ - wie „Gone Home“, das vorige Spiel des zuständigen Entwicklerstudios Fullbright - ein Walking Simulator, bei dem man auf den Ablauf der Geschehnisse wenig Einfluss hat. Allerdings können wir bei den durch die von uns abgespieiten Aufzeichnungen der Crew beliebig vor- und zurückspulen sowie pausieren. Außerdem teilen sich die Crewmitglieder in den jeweiligen audiovisuellen Logs örtlich oft auf, sodass man sich erst mal entscheiden muss, mit wem man mitgeht, welches Gespräch man weiterverfolgt und welche Teile einer Szene man zunächst außen vor lässt.

Nach circa vier Stunden und einem sich kontinuierlich zuspitzenden Plot ist „Tacoma“ dann recht unverhofft vorbei - der einzige Wermutstropfen in einem ansonsten höchst empfehlenswerten narrativen Game, das einen sehr realistischen, aber nicht weniger faszinierenden Blick in eine mögliche Zukunft der Menschheit zeichnet.

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