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Bild aus der Serie "The Mist" - eine blutüberströmte Frau im Nebel

Spike

Matte Klischees, langsame Charakterstudie

Autor Stephen King dominiert wieder einmal den Bildschirm. Mit wechselhaften Ergebnissen. Ein Überblick mit Augenmerk auf die neuen Serien „The Mist“ und „Mr. Mercedes“.

Von Philipp L’heritier

Im Bücherregal ist ständig Hochsaison für Stephen King. Über 400 Millionen Bücher hat der Mann bislang verkauft. Und er denkt nicht daran, bald aufzuhören, Jahr für Jahr neues Material zu veröffentlichen.

Stephen Kings Bücher und Kurzgeschichten liefern seit Jahrzehnten schon Stoff für Fernsehverfilmungen – neben verbrieften Klassikern fürs Kino wie „Carrie“, „The Shawshank Redemption“ und „The Shining“ (die Stanley Kubrick-Version wird von King selbst notorisch gehasst) sind die vielen, vielen TV-Produktionen oft von zweifelhafter Qualität gewesen.

Die legendäre Miniserie „It“, die vor Jahren noch die halbe Welt die Angst vor Clowns lehrte, ist rasend schlecht gealtert: Die Effekte, das C-Movie-Soap-Opera-Acting, die Neunziger-Jahre-Weichzeichner-Ästhetik.

Der Clown "Pennywise" aus der ersten "It"-Verfilmung von 1990.

Warner Bros. Television

Der Clown „Pennywise“ aus der ersten „It“-Verfilmung von 1990

Ähnliches gilt für viele der Serien, die auf King zurückgehen: Die Fernseh-Adaption von „The Shining“ bleibt nach dem Kinofilm völlig blass, das immerhin amüsante, mit Starpower gewürzte Epos „The Stand“ glüht vor Cheesyness - daran kranken die meisten Übersetzungen von King ins TV.

Aktuell steht Stephen King auf dem Bildschirm wieder hoch im Kurs: Demnächst erscheint eine Neu-Adaption von „It“, Netflix hat sich die Rechte an Kings Roman „Gerald’s Game“ aus dem Jahr 1992 gesichert. Auch sein im September erscheinendes Buch „Sleeping Beauties“ ist bereits für die Fernsehbearbeitung in Planung.

The Mist

Zwei kürzlich angelaufene TV-Serien aus der Werkstatt des Meisters zeigen wieder die schwere Wechselhaftigkeit im Oeuvre: Die vor ein paar Wochen gestartete Serie „The Mist“ ist ein laues Malen-Nach-Zahlen geworden. Motive, Bilder, Nicht-Spannung.

„The Mist“ basiert auf der gleichnamigen Kurzgeschichte von King und ist bereits 2007 von Regisseur Frank Darabont mit solidem Nervenkitzel fürs Kino umgesetzt worden. Die Handlung folgt den mysteriösen Vorgängen in einer Kleinstadt im Bundesstaat Maine – bevorzugter Schauplatz für King. Ein unguter Nebel taucht das Städtchen Bridgesville in undurchsichtige Suppe, hinter dem Dunst warten fürchterliche Kreaturen und Erscheinungen.

Serie The Mist: 4 Hauptdarsteller im Nebel

Spike

Ein versprengtes Ensemble sieht sich an diversen Schauplätzen - einer Kirche, einem Krankenhaus, einer Shopping-Mall als schwachem Abklatsch von Zombie-Großmeister George Romero - mit dem Kampf gegen andere und eigene Dämonen, gegen die Schatten der Vergangenheit und für die Aufrechterhaltung von so etwas wie Zivilisation beschäftigt. Dazu kommen der alte Widerstreit zwischen Religion, Übersinnlichem und Wissenschaft, sowie der Versuch, die psychologischen Werte im Gemüt halbwegs stabil zu halten.

Die Dialoge bleiben in „The Mist“ hohl, die Figuren flache Pappkameraden – wenn sie sich nicht gerade um hochdramatisches Overacting ohne Erlösung bemühen.

Selbst die gewohnheitsmäßig verlässliche Frances Conroy („Six Feet Under“) scheint hier aus einer ihren vielen Rollen in der Anthology-Serie „American Horror Story“ ans Set gestolpert zu sein. Dort aber sind Trash und süße Überhöhung klar ausgewiesener Teil des Vergnügens. Erkennbarer Grusel findet in „The Mist“ nicht statt. Der Mist.

Mr. Mercedes

Vielversprechend hingegen - was auch am Ausgangsmaterial liegen mag - ist die diese Woche gestartete Serie „Mr. Mercedes“. In seinem 2014 erschienenen Roman setzt Stephen King nicht auf Außerweltliches, Gespenster oder sprechende Autos, sondern versucht sich an einer verstärkt im Realismus verankerten Hard-Boiled-Detektiv-Geschichte.

Showrunner der Serie ist der vielfach erprobte David E. Kelley, unter anderem Mitverantwortlicher bei „Big Little Lies“, „Boston Legal“ oder „Picket Fences“. Kelley inszeniert „Mr. Mercedes“ bislang als langsame, langsame Charakterstudie in blassen Tönen.

Der Detektiv aus der Serie "Mr. Mercedes" studiert einen Brief

AT&T Originals

Arg geschockt muss hier nicht werden. Außer in der betont um Gefühlregungen bemühten Eröffnungsszene: In einer zwei Jahre vor der Haupthandlung angesetzten Sequenz sehen wir, wie ein mit Clownmaske (why not?) verkleideter Mann mit einem Mercedes mit voller Absicht in eine Menschenmenge rast. Menschen werden überrollt und zerquetscht, Blut spritzt, 16 sterben, viele mehr bleiben schwer verletzt.

Danach wird es stiller. Im Zentrum steht Detective Bill Hodges, einst mit dem nie geklärten Zwischenfall beauftragt, mittlerweile im Ruhestand mit dem Trinken von Bier und deftigem Essen befasst. Brendan Gleeson („Braveheart“, „In Bruges“ u.v.m.) gibt diesen Hodges gewohnt souverän als liebenswerten Grantler, der sich einen soliden Pensionisten-Bart stehen hat lassen und seinem Vorgarten gerne beim Verwildern zusieht. Man ahnt es: Der Fall lässt ihn nicht los.

Der Bösewicht aus der Serie "Mr. Mercedes" lehnt sich aus einem Eiswagen

AT&T Originals

Der Attentäter von damals (verstörerisch-glupschäugig: Harry Treadaway) meldet sich von sadistischem Eifer getrieben nach Jahren abseits des kriminellen Radars wieder zurück und beginnt seinen Gegenspieler von früher zu belästigen und unter Druck zu setzen.

Für Prickeln sorgt der Umstand, dass dem Zuseher die Identität des Killers von Anfang an bekannt ist. So kann sich ein beklemmendes Katz- und Mausspiel entspinnen. Wie so oft ist Stephen King - und seine Welt - am Besten, wenn er in die engen, intimen Momente hineinzoomt.

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