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Eva Zeglovits

Eva Zeglovits/IFES

Wahl 2017

„Dieser Wahlkampf ist besonders spannend“

Zehn Parteien und Listen sind es, die bundesweit antreten, je nach Bundesland kommen dann noch eine bis drei Listen dazu. Wer steht da für was und wie sollen sich die Wähler_innen da auskennen? Wir fragen Meinungsforscherin Eva Zeglovits.

Von Irmi Wutscher

Seit letztem Wochenende stehen alle Listen und Parteien fest, die am 15. Oktober zu Nationalratswahl antreten. Zehn sind es, die bundesweit antreten, je nach Bundesland kommen dann noch eine bis drei Listen dazu.

Bundesweit treten alle im Parlament vertretenen Parteien an, minus einer, weil das Team Stronach sich ja aufgelöst hat. Bleiben also: SPÖ, Liste Kurz/ÖVP, FPÖ, Grüne und NEOS. Dazu kommen die KPÖ Plus, die mit den Jungen Grünen antritt, und zwei Protestparteien, einmal Roland Düringers „GILT“ und „Die Weissen“ - eine Liste aus ehemaligen Team Stronach-Abgeordneten. Dann gibt es noch die Liste Peter Pilz, der sich von den Grünen abgespalten hat. Und die Freie Liste Österreichs vom ehemaligen Salzburger FPÖ-Politiker Karl Schnell. Zehn Listen sind es also, die teilweise Ähnliches versprechen oder sich von größeren Parteien abgespalten haben. Kommen die mit ihren Anliegen überhaupt durch bis zu den Wähler_innen? Und wie sollen die sich bei diesen ganzen neuen Listen auskennen?

Wir haben Eva Zeglovits vom Meinungsforschungsinstitut IFES gefragt, was am Stimmzettel für diese kommenden Nationalratswahlen besonders ist.

Zehn Listen treten also bundesweit an. Mit in einzelnen Bundesländern antretenden Gruppen sind es 16 Wahlwerbende Parteien oder Listen. Ist das ungewöhnlich, dass es so viele oder auch was für Kleinparteien das sind?

Die Anzahl der antretenden Parteien ist dieses Mal sehr hoch. Besonders in Wien und Vorarlberg ist der Stimmzettel sehr lang. Das ist schon eher ungewöhnlich. Was diesmal auch besonders ist: die 5. Spalte am Stimmzettel bleibt leer, weil das Team Stronach nicht mehr als Team Stronach antritt. Die Abspaltungen von verschiedenen Parteien erkennt man auf dem Stimmzettel auf den ersten Blick vielleicht gar nicht, zum Beispiel bei den Freiheitlichen, wo es die FPÖ gibt und die Freie Liste Österreichs FLÖ.

Die FPÖ und die FLÖ haben sie schon erwähnt: Wie sehr können solche Splitterlisten, bleiben wir konkret bei der FLÖ, der Mutterpartei Wähler_innen abspenstig machen?

In diesem Fall geht vermutlich im Bundesland Salzburg, wo diese Liste herkommt und Karl Schnell bekannt ist, die eine oder andere Stimme verloren. Es ist aber nicht damit zu rechnen, dass das der FPÖ bundesweit sehr stark schaden wird. Die FLÖ ist keine Liste, die man sehr gut kennt, wir müssen davon ausgehen, dass sehr viele Wählerinnen und Wähler zu ersten Mal auf dem Stimmzettel sehen, dass es diese Liste gibt.

Dann gab es eine sehr öffentlichkeitswirksame Abspaltung von Peter Pilz von den Grünen. Wie sehr kann der mit der Liste Pilz unter den Grün-Wähler_innen Stimmen fischen?

Bei der Liste Pilz ist das etwas anderes, Peter Pilz hat seine Kandidatur sehr medienwirksam bekannt gegeben. Darüber spricht man in ganz Österreich. Hier muss man davon ausgehen, dass das für die Grünen schon ein Problem darstellt. Nämlich, dass Wählerinnen und Wähler der Grünen, die unter anderem auch wegen Peter Pilz Grün gewählt haben, diesmal Liste Pilz wählen.

Wenn wir bei den Grünen bleiben, da gibt’s nicht nur die Liste Pilz, sondern auch ihre ehemalige Jugendorgansisation, die Jungen Grünen, treten mit der KPÖ als KPÖ Plus an. Schadet das den Grünen auch?

Das ist für die Grünen das wesentlich geringere Problem. Denn die Liste heißt KPÖ Plus und nicht Grün, ist im Gegensatz zu Peter Pilz nicht so eindeutig assoziiert mit den Grünen. Hier muss man nicht davon ausgehen, dass das einen großen Schaden verursacht für die Grünen. Das größere Problem der Grünen ist, wie man mit diesen Schwierigkeiten umgeht, weil der Eindruck entsteht, die Partei ist in Unruhe und hat keine klare Linie.

Wir wissen, dass sich ein Fünftel bis zu einem Viertel der Wählerinnen und Wähler erst in den letzten Tagen entscheidet. Die schwanken oft zwischen zwei oder drei Parteien.

Was es bei der kommenden Nationalratswahl erstmals gibt, sind so genannte Protestparteien. Roland Düringers GILT wäre so eine, oder „Die Weissen“. Sind solche Protestparteien an der Wahlurne dann erfolgreich?

KORR 27.8. Nur Düringer selbst kündigt an, sein Mandat nicht anzunehmen, er steht aber auch nicht auf der Bundesliste. Was genau die Mandatar_innen tun sollen, da bleibt man bei GILT unkonkret – es soll um direkte Mitbestimmung der Bürgerinnen und Bürger gehen. Auf der Pressekonferenz hieß es (Zusammenfassung APA): „Er (Düringer)sei mit G!LT gestartet, um aus ungültigen Stimmen gültige Stimmen zu machen. Was dann im Konkreten mit etwaigen Kandidaten und bei einem Parlamentseinzug passiere, darüber habe er damals nicht nachgedacht.“ Und später „Ziel sei die Schaffung von Bürgerparlamenten, die ebenfalls repräsentativ und nicht durch Berufspolitiker zusammengesetzt seien.“

Das wird man erst sehen. Bei Düringer weiß man schon seit Längerem, dass er das vorhat. Das Projekt ist so gedacht, dass die Kandidatinnen und Kandidaten - sofern sie den Einzug in den Nationalrat schaffen - ihr Mandat nicht annehmen. Statt ungültig wähle ich dann diese Liste und die sind dann auch nicht im Nationalrat vertreten. Das ist ein neues Modell von Protest. Ich halte das für ausgesprochen unwahrscheinlich, dass das in einem großen Stil aufgeht.

Bei „Die Weissen“ ist das etwas anderes, das sind ja ehemalige Abgeordnete aus dem Team Stronach. Die sind etwas überraschend auf dem Stimmzettel aufgetaucht, das hat viele irritiert. Hier ist es schwierig zu sagen, das ist eine reine Protestpartei. Das sind Nationalratsabgeordnete, die es schon gegeben hat. Da werden die meisten Wählerinnen und Wähler nicht wissen, wer das ist. Wichtig erscheint mir, dass es vielleicht zu Verwechslungen zwischen den kleinen Listen kommen könnte. Dass ich die Liste GILT von „Die Weissen“ unterscheiden kann, dafür muss ich mich schon gut informiert haben. Vielleicht erlebt da die eine oder der andere in der Wahlzelle eine Überraschung, wenn sie sich denkt: Wer ist das? Hier ist nicht davon auszugehen, dass das massenhaft Stimmen bringt.

Zusammenfassend: Es gibt sehr viele neue Bewegungen, kleinere Listen. Was wissen Sie aus Befragungen: Gibt es derzeit besonders viele Unentschlossene? Die noch überzeugt werden müssen?

Wir wissen, dass sich ein Fünftel bis zu einem Viertel der Wählerinnen und Wähler erst in den letzten Tagen entscheidet. Da ist es aber nicht so, dass die aus diesen zehn oder sogar 16 Listen komplett unentschlossen sind. Sondern die schwanken z.B. oft zwischen zwei oder drei Parteien. Da ist also ganz viel in Bewegung. Jetzt haben wir seit ein paar Monaten sehr viele Änderungen bei den Parteien, neue SpitzenkandidatInnen, Abspaltungen, neue Listen usw. Da müssen die Wählerinnen und Wähler erst sehen, wer wofür steht, wer macht was, zu wem habe ich Vertrauen… Da ist noch viel offen. Immer dann, wenn wir in Umfragen sehen, dass eine Partei stark dazu gewinnt oder verliert: Alles, was schnell in die eine Richtung ausschlägt, kann auch wieder schnell in die andere ausschlagen. Da ist sicher viel Bewegung drinnen im Moment, was für jede Partei heißt: Es gibt die Chance, Stimmen zu gewinnen, die noch nicht gefestigt sind. Das macht diesen Wahlkampf schon sehr spannend.

Für welche dieser neuen Listen ist es denn realistisch, dass sie in den Nationalrat einziehen?

Das ist sehr schwer zu sagen. Es gibt Umfragen, die die Liste Pilz relativ chancenreich sehen. Ich würde mich das zwei Monate vor der Wahl nicht zu sagen trauen. Es gibt hier nämlich eine Dynamik, die man beachten muss: Wenn man überall liest und hört, Liste Pilz schafft den Einzug, dann erhöht das das die Chance, dass Sympathisantinnen und Sympathisanten tatsächlich Liste Pilz wählen. Hört man überall, die Liste Düringer schafft den Einzug eh nicht, kann es sein, das potenzielle Wählerinnen und Wähler abspringen. Da muss man als Meinungsforschung und auch als Medien vorsichtig sein. Aus heutiger Sicht würde ich mich hier nicht trauen, eine Prognose zu machen.

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