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Filmflimmern

Was diese Woche neu in den Kinos anläuft und wie Schauspieler Ed Skrein gezeigt hat, wie man auch auf Hollywood-whitewashing reagieren kann.

Von Pia Reiser

Jugend ohne Gott

Ödön von Horvaths Oberstufen-Pflicht-Roman „Jugend ohne Gott“ aus dem Jahr 1937 wurde verfilmt, die Deutschlehrer jubeln, und wie so oft bei Literatur-Adaptionen hat man geglaubt, das ganze wird interessanter, wenn man die Handlung ins Jetzt bzw in die nahe Zukunft holt. Was bei der zeitlichen Versetzung verloren geganeg ist, sind die Motive, die im Roman so wichtig sind: die fehlende Empathie, die Gleichgültigkeit. Eine Zeit, die Horwath, angelehnt an die kalten Augen eines Schülers „Zeitalter der Fische“ nennt. Der Roman skizziert wie humanistische (und christliche) Werte verschwinden und der Nationalsozialismus zu regieren beginnt. In der aktuellen Verfilmung wird zwischen Sichtbeton und Drohnen eine Zwei-Klassen-Gesellschaft und Dystopie aufgezogen die Lars Kraume in „Die kommenden Tage“ weitaus überzeugender inszeniert hat. In einem „The Hunger Games“ light-artigen Camp treten SchülerInnen aus gutem Hause gegeinander an, um einen Platz auf einer Elite-Uni zu ergattern. Der Film wär gern eine Dystopie ist aber eher ein „Tatort“ mit großem Budget und Dialogen, die jetzt auch bei „Gute Zeiten schlechte Zeiten“ nicht auffallen würden. Da hatten wir dann auch nur 4 von 10 Fischaugen übrig.

Szenenbild "Jugend ohne Gott"

Constantin

The Limehouse Golem

Grausame Morde, rätselhafte Botschaften in Blut an die Wand geschmiert und Nebel im London des ausklingenden 19. Jahrhunderts. Hat man alles schon gesehen, doch das Gothic Horror Spektakel „The Limehouse Golem“ besticht (sic!) durch eine feministische Attitüde. Verhandelt zwischen abgetrennten Köpfen und abgesägten Gliedmaßen, wie Frauen von der Geschichtsschreibung stets vergessen wurden, erzählt von Sexismus, sexuellem Mißbrauch, wie Frauen nicht für voll genommen werden und sich Männer berufen fühlen, sie zu erretten. Bonuspunkte gibt es für ein bizarres Szenario mit Karl Marx (wobei irgendwie ja auch logisch, dass Marx einKapitalverbrechen begeht) als Mordverdächtigem und rauskommen dann 7 von 10 blutigen Botschaften.

Szenenbild "The Limehouse Golem"

Constantin

Magical Mystery

Alles, was man über deutschen Techno wissen sollte, auch wenn man sich ganz und gar nicht für deutschen Techno interessiert, hat die wunderbare Mockumentary „Fraktus“ gezeigt. Nun geht es auch mit „Magical Mystery“, der Verfilmung von Sven Regeners Roman, in die neonbunten Pillentage der 1990er Jahre. Ausführliches zum Film gibts es hiervon Christoph Sepin zu lesen, er vergibt 7 von 10 verkaterten Tage im Hotelzimmer und weil in „Magical Mystery“ auch Marc Hosemann mitspielt, nutze ich ich seinen Namen, um auf den wohl besten deutschen Film _ever_ hinzuweisen: „Long hello and short good bye“ mit Hosemann und Nicolette Krebitz und Soundtrack von Terranova.

Bjarne Mädel in "Magical Mystery"

Thimfilm

Killer’s Bodyguard

Zwischen Kugelhagel und Fluchtiraden versucht Ryan Reynolds als Bodyguard den Auftragskiller Samuel L Jackson heil zu einem Prozess zu bringen, bei dem der gegen einen Kriegsverbrecher aussagen soll. Der Bösewicht wird von Gary Oldman gespielt, das adelt die Actionkomödie, die übers Mittelmaß nie wirklich hinauskommt aber auch nicht sonderlich. Fürs den schnellen Hunger auf einen spektakulären Showdown reichts allemal und Samuel L Jackson mit italienischen Nonnen in einem Kleinbus singen zu sehen, ist auch nicht schlecht. Petra Erdmann vergibt 6 von 10 Verfolgungsjagden.

Szenenbild "Killer's Bodyguard"

20th century Fox

Das ist unser Land

Als Regisseur Lucas Belvaux im Rahmen des Crossing Europe seinen Film „Chez Nous"/"Das ist unser Land“ präsentierte, da stand die Möglichkeit, dass Marine Le Pen die nächste französische Präsidentin wird, noch im Raum. In Belvaux’ Film wird eine Krankenschwester zur rechtspopulistischen Bürgermeisterkandidatin. Der Film erzählt, wie der Rechtspopulismus in der Mitte angekommen ist und die Chefin dieser Partei im Film hat nicht nur frisurenmässig Ähnlichkeit mit Marine Le Pen. Maria Motter vergibt 5 von 10 Protestschildern.

Szenenbild aus "Chez Nous"

filmladen

Die Liebhaberin

Auf der Diagonale als „Bester Spielfilm“ ausgezeichnet kommt „Die Liebhaberin“ von Lukas Valenta Rinner nun regulär in die österreichischen Kinos. Das wahrscheinlich spannendste was dem österreichischen Kino passieren kann, sind Filme von österreichischen RegisseurInnen, die nicht in Österreich spielen. Rinners zweiter Film spielt in Buenos Aires, und dreht sich um einen Haushälterin, die ein Nudistencamp entdeckt und nach und nach in der Gemeinschaft der Nudisten aufgenommen wird. Christoph Sepin vergibt 7 von 10 Nudisten, die durch den Wald hopsen.

Szenenbild aus "Die Liebhaberin"

polyfilm

Außerdem

Jetzt weiss jeder, wer Ed Skrein ist: Der Schauspieler, der für die Rolle des Major Ben Daimio im „Hellboy“-Reboot gecastet war, ist aus der Produktion ausgestiegen, mit der Begründung, dass er zunächst nicht wusste, dass Daimio in der Comic-Vorlage Asiate ist. Ihn mit einem Weißen zu besetzen, wäre ein weiterer Fall von Whitewashing, das Besetzen von nicht-weißen Rollen mit weißen Schauspielern. Die Welt, die das Hollywood-Kino in den meisten Fällen auf der Leinwand aufzieht, ist eine rein weiße.

In letzter Zeit hat die Besetzung von Scarlett Johansson in „Ghost in a shell“ und Tilda Swinton in „Doctor Strange“ für Protest gesorgt hatten. Skrein hat mit dem Zurücklegen der Rolle nun die Spielregeln geändert, er ist nicht einfach still und heimlich ausgestiegen, sondern hat ein Statement veröffentlicht, in dem unter anderem folgendes zu lesen steht: „It is our responsibility to make moral decisions in difficult times and to give voice to inclusivity.“ Nahm man bisher whitewashing als systemimmanetes Hollywood-Problem hin, das nur Produzenten und Drehbuchautoren ändern könnten, hat Skrein nun einen Schritt gesetzt, der es für künftige SchauspielerInnen schwierig macht, derartige Rollen anzunehmen.

Wer nicht dabei war, als Kate Moss, Alexander MacQueen und Marc Jacobs in London legendäre Ausgehnächte verbracht haben, der kann das bald in einer Tv-Serie nachholen: „Champagne Supernovas“ widmet sich dem Aufstieg der Mode-Ikonen.

Und wer immer schon mal wissen wollte, was der Urprung von McConaugheys grandioser „Alright Alright Alright“-Phrase in „Dazed and Confused“, der kann sich das hier von McConaughey selbst (gefilmt in dem unschmeichelhaftestem Winkel, den man sich so vorstellen kann), erklären lassen. Und apropos Macconnaissance, hier kommt die Vaughnaissance. Vince Vaughn, der Schauspieler, am besten bekannt aus komödiantischen Rollen (und Vaughn kann tatsächlich mit einzelnen Szenen mittelmäßige Filme veredeln, vor allem, wenn er motivierende Reden hält, siehe „The Internship“ oder „The Watch“), stellt sich nun mit dem zweiten Karriere-Standbein ins ernste Fach und gibt im Thriller „Brawl in Cell Block 99“ einen Ex-Boxer mit Glatze, der im Gefängnis landet. Der Film feiert bei den Filmfestpielen Venedig Premiere und dann, wenn alle Vaughn zu Füßen liegen, werden wir sagen, wir waren vorher da.

(Sommer)kino-Tipps

31. August: Train to Busan, Arena, Wien
31. August: Lolita, Open Air Kino im Zeughaus, Innsbruck
1. September: Suffragette, Baden
1. September: Maggies Plan, Klosterneuburg
1. September: The wrong man, Filmmuseum, Wien
3. September: Zorba The Greek, Open Air Kino im Zeughaus, Innsbruck
4. September: Siebzehn, Volxkino, Bujanplatz, Wien

In diesem Sinne: But it was the dancing — only the dancing that stopped the pain („Zorba The Greek“)

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