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Bandportrait 5K HD

Astrid Knie

musik

„Ich muss mich erschrecken“

Die neue Band 5K HD von Mira Lu Kovacs und Kompost 3 haben ein Meisterwerk vorgelegt, bei dem sogar Björk neidisch werden könnte.

Von Andreas Gstettner-Brugger

FM4 Listening Session
Die Listening Session zu 5K HD im FM4 Player

Eine wabernde Synthesizer-Fläche und weißes Rauschen türmen sich zu einer wall of sound auf. Ein kurzer Stopp, dann setzt der fette Beat und Mira Lu Kovacs zarte Stimme ein. Gleich zu Beginn des ersten Songs „Anthem“ wird man weggeblasen. Über sehnsuchtvolle Akkorde und leise Trompetentöne, über vertrackte Rhythmik und flirrende Soundflächen schwebt der Gesang, alles glitzert und funkelt. 5K HD verzaubern und lassen einen nicht mehr los.

Perfektion und Freiheit

Die Nummer „Anthem“ war auch der Anfang der neuen Band. Denn das Jazz- und Impro-Quartett Kompost 3, bestehend aus Manu Mayr, Martin Eberle, Benny Omerzell und Lukas König, hat sich für diesen Song die Sängerin von Schmieds Puls Mira Lu Kovacs ins Studio geholt und eine neue musikalische Liebe war entfacht. Als dann ein Gig im Wiener Konzerthaus angestanden ist, haben die fünf in Windeseile ein Programm zusammengestellt.

5K HD live in Österreich:

  • 6.10. WUK, Wien
  • 12.10. Orpheum Graz
  • 18.10. Treibhaus, Innsbruck
  • 19.10. Spielboden, Dornbirn
  • 25.10. Container Fünfundzwanzig, Wolfsberg
  • 26.10. Stadtwerkstatt, Linz

„Wir haben sehr organisch gearbeitet, im Proberaum mit Instrumenten. Wie eine richtige Band halt. Es waren ganz viele Ideen da und wir haben super zusammen funktioniert. Wir sind alle Perfektionisten und haben die gleiche Art zu arbeiten“, erzählt Mira Lu Kovacs.

Und diese Art bedeutet Genregrenzen zu sprengen, sich jedes musikalischen Stilmittels zu bedienen, auf das sie gerade Lust haben, um daraus etwas ganz Eigenes, vielleicht noch nie Dagewesenes zu schnitzen. Daraus entsteht eine manchmal sehr gewagte, unglaublich abwechslungsreiche und in jedem Fall fordernde Fusion aus unterschiedlichen Elektronik-Gangarten, aus Post-Rock und improvisiertem Jazz, wobei man sich immer auch an das große Wort Pop anschmiegt.

Das eindrückliche, sehr trip-hoppige „What If I“ ist ein gutes Beispiel für die Diversität von 5K HD. Während zu Beginn ein swingender Schlagzeugrhythums dahingroovt und reduzierte Synthie-Melodien durch den Raum hüpfen, bricht der Song in sich zusammen und nur mehr Miras Engelsstimme und eine leise Trompete bleiben übrig. Doch dann bricht ein free-jazziges, post-rockiges Klanggewitter über uns herein, das sich in einen harmonisch ruhigen und sanften Schluss entlädt.

Intime Momente und Achterbahnfahrten

Diese extremen Dynamiken und ausgefuchsten Arrangements brechen auf grandiose Weise mit unseren durch das formatierte Musikbusiness abgeschliffenen Hörgewohnheiten. Eines der faszinierenden Stilmittel, die 5K HD einsetzen, um uns wachzurütteln und zu begeistern.

Albumcover von 5K HD mit einem Vogel, der nach unten hin in digitales Muster zerfließt

5K HD/Seayou Records

Das Debüt „And To In A“ von 5K HD ist bei Seayou Records erschienen.

Mira Lu Kovacs: „Wenn wir bei jeder Nummer einen Beat unterlegen würden, der gleichmäßig dahingeht, oder alles im gleichen Tempo spielen würden, würde es mich nicht mitreißen. Ich brauche Brüche und muss mich selbst überraschen. Ich muss mich erschrecken, um mich wo rauszureißen. Und das traue ich auch unserem Publikum zu. Deshalb kommt es bei uns oft vor, dass wir sehr intime Momente haben und dann zuckt man wieder aus. Ich glaube, das spiegelt viel eher eine Realität und Emotionalität wieder.“

Es gibt auch Songs, die nicht ganz so starke Kontraste besitzen. Das mit einem zarten Beat dahinpluckernde „Mute“ erinnert mit seinen warmen Keyboardklängen und dem immer wieder leicht anschwellenden Elektroniksound an eine Mischung aus Zero 7 „In The Waiting Line“ und Radioheads „Idioteque“, wenn man Referenzen heranziehen möchte. Doch bei dem darauf folgenden „Ice Bird“ verflüchtigen sich diese Anhaltspunkte. Es ist eine Nummer, die mit ihrer kecken Dringlichkeit und dem jazzigen Drive zwar in sich immer wieder kleine Brüche aufweist, aber gleichzeitig ein stimmiges, ganz eigenes Bandflair vermittelt, das man so vielleicht noch nicht gehört hat.

Dann wäre da noch die siebenminütige Klangachterbahn „Not A Love Song“, bei dem man langsam in schwindelerregende Höhen gezogen wird, um dann die ungebremste Fahrt in die Tiefe im Bauch zu spüren. Ein extremes Auf und Ab, wie es auch in Liebesbeziehungen vorkommt. Konterkariert wird dieses Stück von der darauf folgenden, extrem berührenden Ballade „Don’t Die“, die trotz ihrer filigranen Soundkonstruktion die volle Wucht der Melancholie transportiert. Die anfänglichen Disharmonien zwischen Stimme und Trompete werden nach wenigen Sekunden immer wieder aufgelöst, wodurch sich eine unglaubliche Spannung aufbaut.

Bandportrait 5K HD

Astrid Knie

Eine Name wie ein High-Tech-Produkt

Der Albumtitel „And To In A“ des 5K HD Debüts hat wie die Musik auch einen komplexen Hintergrund: Mira hat im Zimmer ihrer Schwester ein Plakat des schottischen Künstlers Edwin Morgan gesehen. Morgan hat einen Satz des Musikers John Cage genommen, die Reihenfolge der Worte vertauscht und aus dem ursprünglichen „I have nothing to say and I am saying it and that is poetry“ vierzehn Variationen gemacht. Das selbe hat Mira mit dem Satz „A poet brings sense to order and words“ gemacht. Sie hat Variationen daraus erstellt (zu Hören in dem reduzierten Titelstück der Platte) und dann die „Hauptbedeutungswörter“ weggelassen, sodass nur mehr Bindewörter und Präpositionen übrig geblieben sind.

So verhält es sich auch mit dem künstlerischen Universum von 5K HD. Die Oberfläche bietet schon eine große Projektionsfläche für Stimmungen und Gefühle, aber man kann auch tiefer gehen und erhält spannende Analogien zu unserem alltäglichen Wahnsinn. Schon allein der Bandname 5K HD birgt dieses Potential.

„5K HD - wenn man es auch auf Deutsch sagt - wirkt es gleich noch viel kälter. Es ist dann so wie ein High-Tech Produktname“, erklärt Manu Mayr.

Damit bezeichnen sich Mira Lu Kovacs und Kompost 3 gleich selbst als vermarktbares Bandkonzept, das als state of the art angepriesen und verkauft werden kann. Sie machen uns so aufmerksam auf die ausgetüftelte Konsummaschinerie, mit deren immer schneller werdenden technischen Entwicklungen wir uns irgendwann selbst überholen werden.

So könnte auch die Textzeile Gimme your life - I make it better than you im Kontext dieser Verkaufsmaschinerie gesehen werden. Das wundervoll zarte und tief stampfende „Gimme“ kann aber auch auf der Ebene zwischenmenschlicher Beziehung als trauriges Stück des Scheiterns gehört werden.

Die FM4 Listening Session zu 5K HD im FM4 Player

Welchen Zugang man zu der Musik und den Texten von 5K HD auch findet, man stößt immer auf ein unglaublich reichhaltiges Universum, das sich auch nach oftmaligem Durchforschen nicht erschöpft. Und vielleicht würde sich selbst Björk beim Durchhören von „And To In A“ wünschen, diese Platte selbst gemacht zu haben.

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