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Illustration, zwei Männchen neben einem halbvollen Glas

Deuticke Verlag

Chill a mal, Newskonsument

Du bist irrelevant, ich bin irrelevant, Medien sind irrelevant. Not at all. Trotzdem ist was Wahres dran. Das Buch „Wirklich Wahr. Die Welt zwischen Fakt und Fake“ von Simon Hadler liefert eine Blaupause bei unserer täglichen Spurensuche nach der „Wahrheit“.

Von Paul Pant

Ich neige zur Abwehrhaltung und Skepsis, wenn wieder einmal ein Buch zum Medien-Diskurs-Überthema Fakenews erscheint. Nach den unzähligen, cleveren, bisweilen selbstironischen Witzeleien, den Debatten, den aufgeregten Artikel zum Untergang der postfaktischen Zivilisation und auch den mittlerweile gut gefüllten Bücherregalen zum Thema, fällt es mir schwer, nicht dem Eskapismus zu frönen. Falscher Ansatz, wirft mir Simon Hadlers Buch vor. Als Journalist sogar fahrlässig. Und wie Recht er hat!

Statistik, Daten, Wahrheit

Wer eine Auflistung von bunten Bildern und hübschen Grafiken erwartet, wie das Cover mit 80 Infografiken verspricht, wird überrascht sein. Die gibt es zwar und klären darüber auf ob „The Internet really was made for Porn“ oder ob „Naturdokus wirklich glücklich machen“. Vorangestellt ist dem aber ein 60-seitges Essay. Ein äußerst lesenswerter Ritt auf Don Quijotes Rosinante als roter Faden durch die Ideengeschichte über die Wahrhaftigkeit und gleichzeitig die Aussichtlosigkeit unseres Seins.

Buchcover "Wirklich Wahr"

Deuticke Verlag

Wirklich Wahr - Die Welt zwischen Fakt und Fake
illustriert von Stefan Rauter,
Deuticke Verlag

Die Analyse des Status quo wird auf die (immer-gültige) Suche nach Aufgabe und Sinn in unserem Leben zurück auf den Boden geholt, weg von den öffentlichen, virtuellen Scheinkriegen, wie es Hadler nennt. Diese lodern allerorts der westlichen Wohlstands-Demokratien, weil uns die tatsächlichen Bedrohungen fehlen, meint Hadler. Eine brisante These, die auch gleich nach der Veröffentlichung von rechten Blogs aufgegriffen und zerpflückt wurde. Seine Statistiken und Daten stützen allerdings Hadlers Befund. Moral hin oder her, Meinung hin oder her, Selbstwahrnehmung hin oder her.

Es geht uns also zu gut für die vernünftige Sinnsuche? Nicht ganz, aber drei Erzählungen buhlen um die aufklaffende Lücke und wissen sie bequem zu füllen: Die Rechten, die Linken und die Neoliberalen. Ein virtueller Krieg der Ideologien und Windmühlen, der mit allen Mitteln der Propaganda, oder wie es heute heißt: Fakenews, geführt wird.

Was tun gegen Fakenews?

Grundsätzlich ist Hadlers Rat runter gebrochen: Entspann dich, chill ein mal! Dazu ist es aber auch eine Anleitung, wie man genauer hinsehen kann bei den News, die jeden Tag auf einen einprasseln. Seinen Aufruf zur Gelassenheit sieht er sich bei Stéphan Hessels Schlachtrufen ab: So wird „Empört euch“ und „Engagiert euch“ um ein erleichterndes „Entspannt euch“ erweitert. Mit einmal mehr der dringlichen Forderung an die ängstliche Politik: Medienunterricht ab der ersten Klasse bis zum Ende der Ausbildungspflicht!

Das Buch „Wirklich Wahr. Die Welt zwischen Fakt und Fake“ kann also mehr als nur unterhalten mit launigen Infografiken und smarten querverweisen durch die Popgeschichte.

Und wer ein Buch über die Wahrheit mit einem Zitat des SiFi-Klassikers „Hitchhiker’s Guide to the Galaxy“ von Douglas Adams beginnt, hat meiner irrelevanten Meinung nach sowieso schon auf der ersten Seite alles richtig gemacht. Am Ende bleibt noch über: vielleicht sind doch die EssayistInnen, die herbeigeflehten RetterInnen des Qualitätsjournalismus und nicht die DatenjournalistInnen.

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