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Plädoyers für mehr Menschlichkeit

An der Grenze von Mexiko zu den USA schaut jetzt ein riesiges Baby über den Zaun. Hingesetzt hat es der französische Künstler JR.

Von Natalie Brunner

Vielleicht habt ihr letzte Woche in den Nachrichten das riesige Baby gesehen, das über den Grenzzaun zwischen Mexiko und den USA schaut. Es ist eine meterhohe Installation des französischen Fotografen JR, der mit seiner Porträt-Fotographie nicht nur simpel und sehr treffend weltpolitisches Geschehen dokumentiert, sondern auch nicht zu übersehende Plädoyers für mehr Menschlichkeit setzt.

Baby Installation von JR in Mexiko

APA/AP/Gregory Bull

JR arbeitet mit Brüchen, er bringt zutiefst Menschliches an Orte, wo uns Routinen oder Abläufe darüber hinwegtäuschen sollen, dass hier etwas nach moralischen Gesichtspunkten schwer daneben ist. Und JR tut das meistens mit Gesichtern, mit riesigen Portraits.

Seine erste medienwirksame Aktion war in Paris im Jahr 2005. Als der damalige Premier Nicolas Sarkozy die Banlieues mit einem Kärcher reinigen wollte. Menschen aus den Banlieues wurden von den Medien als bedrohlicher Mob inszeniert. Da ging JR in die Vorstadt, um eine Portraitserie zu machen, den Gesichtslosen ein Gesicht, eine Identität zu geben. Die Portraits plakatierte er in den inneren Bezirken von Paris, wo die Lebenshaltungskosten so hoch sind, dass mehr und mehr Menschen in die Vorstädte abwandern mussten.

Der bürgerliche Namen von JR ist nicht bekannt: Fragt man ihn wofür die Abkürzung steht gibt er als seinen Namen Juste Ridicule, zu Deutsch nur lächerlich an.

Gentrifizierung war in den Anfangsjahren verstärkt ein Thema seiner Arbeit. Er fotografierte die BewohnerInnen von Häusern, die abgerissen werden sollten, um Bürobauten zu weichen und plakatierte ihre Gesichter metergroß an deren Fassaden. Das gleiche tat er in Rio, als im Zuge der Olympiade Favelas geräumt werden sollten. JR porträztierte die Menschen, die da wohnen, und plakatierte sie an so viele Hauswände, dass sie von der vielbefahrenen Stadtautobahn unübersehbar waren.

JR hat bis dato auch zwei sehr empfehlenswerte Dokumentationen gedreht: „Women are Heroes“, ein Film über Frauen, die nicht nur in Slums leben und über-leben, sondern auch die Infrastruktur dieser informellen Siedlungen aufrechterhalten.

Seine zweite Dokumentation trägt den Namen „Visages, villages“. Er hat sie gemeinsam mit der französischen Regisseurin Agnes Varda gemacht und sie wurde diese Jahr in Cannes prämiert.


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