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Gewinner Platz 3 Martin Peichl

Jan Hestmann/FM4

wortlaut 2017

„Donau, Kanal, Treiben“

Martin Peichl gewinnt mit einer Geschichte über zwei Julias und keinen Romeo den 3. Platz bei Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb.

Von Zita Bereuter

„Burden in My Hand“ von Soundgarden dient in der Schreibgruppe als Impuls. „Was stimmt nicht mir dir, Julia?“ ist der erste Satz, der Martin Peichl „passiert“. In den folgenden 45 Minuten schreibt er von zwei Julias und keinem Romeo. Dafür von einem Erzähler, der eine besondere Beziehung zu Erdäpfelgulasch hat.

Martin Peichl

geb. 1983 im Waldviertel. Germanistik- und Anglistik-Studium in Wien. Unterrichtet hauptberuflich Deutsch und Englisch. Erste literarische Veröffentlichungen in Magazinen und im Rahmen des Münchner Kurzgeschichtenwettbewerbs. Organisiert seit 2016 regelmäßig Lesungen in Wien (auch wegen der Freigetränke). Verwendet Twitter als Notizbuch (@Untergeher83) und schreibt in Bars Gedichte auf Bierdeckel. Derzeitige Projekte: eine Kurzprosa-Sammlung mit dem Arbeitstitel „Was bleibt, ist Stille im 4/4-Takt“ und „Der Orpheus-Komplex“, ein Roman in Fragmenten.

Anschließend schleift er den Text ein wenig und reicht ihn bei Wortlaut, dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb, ein. Und so beginnt „Donau, Kanal, Treiben“:

„Was stimmt nicht mir dir, Julia? Ich meine, warum schreibst du mir 17 Nachrichten in einer Nacht? Wahrscheinlich weil du besoffen bist, deshalb auch der Strichpunkt am Ende von Nachricht 17. 16 Nachrichten ohne Satzzeichen, aber Nachricht 17 beendest du mit einem Strichpunkt. So als wär’s noch nicht vorbei, so als wären wir noch nicht vorbei.
17 Nachrichten, davon zwei Youtube-Links zu Songs, natürlich einer davon von Radiohead, ein Radiohead-Song ist immer dabei, wenn du mir schreibst, dieses Mal All I Need, ein wenig dramatisch, findest du nicht, Julia? I’m an animal trapped in your hot car, dabei habe ich nicht einmal ein Auto, aber daran hast du wahrscheinlich nicht gedacht. Hauptsache Radiohead. Und ich stelle mir vor, wie deine von den weißen Spritzern ganz glitschig gewordenen Fingerkuppen auf deinem Handy herumwischen, sich dazwischen immer wieder mal verwischen, stelle mir vor, wie das Licht deines Displays in deinen Augen versinkt und du auf Senden drückst, 17 Mal.“

Vor vielen Jahren hat Martin Peichl erstmals bei dem FM4 Kurzgeschichtenwettbewerb mitgemacht. Aber erst seit Herbst 2016 versucht er regelmäßig Texte zu schreiben. In einer Schreibgruppe, die sich alle vierzehn Tage trifft, oder auch bei den Übungen mit seinen SchülerInnen. Da schreibt der Lehrer für Deutsch und Englisch mit und liest dann auch manchmal seine Texte vor. „Das ist nur fair, wenn ich nur Sachen verlange, die ich auch selber bereit bin zu machen.“

Seit 2015 verwendet er Twitter als Notizbuch, nachdem er die Literaturszene auf Twitter entdeckt hat. Das Experimentieren mit Texten mit 140 Zeichen hat es ihm angetan. Einige dieser Sätze finden sich dann auch wieder in den Bierdeckelgedichten oder auch in längeren Texten. @Untergeher83 sei ein Trauma aus seinem Studium. „Ich hab meine Diplomarbeit über Thomas Bernhard geschrieben.“

Ich bin ein großer Fan des Freewritings – des einfach drauf los Schreibens und schauen, wohin der Text geht.

Er selbst schreibt seit 2015 Gedichte auf Bierdeckel, die er „zufällig“ in Bars verteilt – einige sind online auf bierdeckelgedichte.wordpress.com.

Bierdeckelliteratur

Martin Peichl

Seine lyrischen Versuche mit Biertrinken zu kombinieren ergab die Form – seither hat er gelegentlich leere Bierdeckel dabei. Nicht alles, was man nach dem dritten Bier aufschreibe, sei auch poetisch, erklärt er. Peinlich sind ihm die Texte dennoch nicht. „Ich glaub überhaupt daran, dass man beim Schreiben seinem ersten Gefühl vertrauen sollte. Ich bin ein großer Fan des Freewritings – des einfach drauf los Schreibens und schauen, wohin der Text geht.“ Kürzen und Streichen könne man danach immer noch.

Der Soundtrack zum Text:
Pavement: Gold Soundz
Lausch: Let’s Be Strangers
The National: This Is The Last Time

„Ich bin ja selber auch besoffen, Julia, sitze hier am Donaukanal mit einem Freund. Habe hier eine neue Julia kennengelernt, sie erzählt mir, dass sie Erdäpfelgulasch gekocht hat und zwar viel zu viel, einen ganzen Topf voll Erdäpfelgulasch. Ich glaube, sie will mich mit zu sich nach Hause nehmen, Julia, dort können wir uns gegenseitig mit Erdäpfelgulasch einreiben und ich kann die Erdäpfelstücke aus Julias Bauchnabel essen oder sonst wo raus.“

Einladung -  Flyer

Radio FM4

„Komm einfach her, du Trottel.“

Von allen autobiographischen Bezügen distanziert sich Martin Peichl sofort. Obwohl er selbst ein gutes Erdäpfelgulasch kochen kann und der Donaukanal für ihn einer der schönsten Orte – zum Fortgehen und Draußen sitzen ist. „Sehr inspirierend.“

Das hat auch die Jury - Sebastian Fasthuber (Kulturjournalist), David Fuchs (Wortlautgewinner 2016), Hosea Ratschiller (Kabarettist), Cornelia Travnicek (Autorin) und Yasmo (Rapperin und Autorin) - gewürdigt: „Donau, Kanal, Treiben“ wurde mit dem Prädikat „grundsympathisch“ ausgezeichnet, der beim Lesen sehr viel Spaß gemacht habe und auch sprachlich eine eigene Rhythmik in sich habe. Ein „schneller, dynamischer Text mit viel Atmosphäre“ und „mit einem sehr guten Schlusssatz“. „Und das Erdäpfelgulasch wird auf alle Fälle hängen bleiben.“

„In meinem Kopf treibst nur du, Julia, also nehme ich mein Handy. Keine neue Nachricht von dir. Ich nehme mein Handy und google Erdäpfelgulaschrezepte. Ich rufe dich an, Julia. Es läutet einmal, es läutet zweimal, dann deine Stimme, sie klingt wie angefeuchtetes Schmirgelpapier:
‚Komm einfach her, du Trottel.‘“

In diesem Sinn – Mahlzeit und herzliche Gratulation!

Martin Peichl liest seinen Text bei der Wortlautparty, wo auch die Texte von Platz 2 und 1 gelesen werden und die anderen großen Zehn ihre Preise erhalten.

Julius Meinl

WERBUNG

Alle drei Preisgelder werden von Julius Meinl zur Verfügung gestellt.

Martin Peichl gewinnt:

  • 500 Euro
  • Veröffentlichung im Wortlaut-Buch, das im Herbst im Luftschacht Verlag erscheinen wird.
  • je 100 Euro in Buchgutscheinen, zur Verfügung gestellt von der BUCH WIEN - Lesefestwoche und internationale Buchmesse
  • DER STANDARD Goodie Bag
  • Ein Jahresabo der Literaturzeitung Volltext
  • Ein Jahresabo der Zeitung Datum
  • FM4 Goodies der Saison
Der Standard

WERBUNG

mit freundlicher Unterstützung von DER STANDARD. Der Gewinnertext wird im Standard abgedruckt.

Die GewinnerInnen von FM4 Wortlaut 2017

Portraits der drei Erstplatzierten gib es in dieser Woche in der FM4 Homebase.

Platz 3: Montag, 25.9.
Platz 2: Mittwoch, 27.9.
Platz 1: Donnerstag, 28.9.

Und gleich im Anschluss immer für 7 Tage im FM4 Player

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