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Tom Petty

AFP

He was an American boy... Zum Tod von Tom Petty

The daily blumenau. Tuesday Edition Edition 03-10-17.

von Martin Blumenau

Der intensivste Moment von Pop ist der, bei dem Musik und Zuhörer verschmelzen. Der intensivste Tom Petty-Moment findet also in Silence of the Lambs statt, als die von Brooke Smith gespielte Senatorentochter vor ihrer Entführung durch den Häuter bei American Girl im Autoradio mitsingt und dabei jedes Wort meint und auf sich bezieht: „After all it was a great big world, with lots of places to run to/ And if she had to die tryin’, she had one little promise she was gonna keep/ O yeah, all right, take it easy, baby, make it last all night - she was an American Girl“.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

Tom Petty, der gestern im Alter von 66 in Malibu gestorben ist, war einer der großen Chronisten dieser Alltags-Gefühlswelten, einer der es so ausdrücken konnte, dass die Menschen meinten, er habe direkt in ihre Herzen und Köpfe geblickt: „She was an American girl, raised on promises/ She couldn’t help thinking that there was a little more to life somewhere else“.

Diese amerikanischen Geschichten entstanden im Zeitalter von Bruce Springsteen oder Filmen wie „Badlands“, und Tom Petty und seine Band, „The Heartbreakers“, trafen den richtigen Ton, zwischen Folkrock, Psychedelia, Southern Soul, Outlaw-Country und schneidend-kühlen Gitarren-Sounds, die kurze Zeit später im Punk kulminierten. Später nannte man dieses Genre „Americana“.

Petty hatte eine Latte Hits, über das frühe Byrds-eske „American Girl“, das sehnsüchtige, gern mit Stevie Nicks gespielte „Refugee“ oder den MTV-Classic „Don’t Come Around Here No More“, ehe er dann aus dem 1989er-Album „Full Moon Fever“ gleich drei Riesen-Erfolge zog: „I Won’t Back Down“, „Runnin’ Down a Dream“ und vor allem „Free Fallin’“. Zwei Jahre später gelang Ähnliches mit „Learning to Fly“ und „Into the Great Wide Open“, ehe dann Rick Rubin 1994 sein recht frühes Alterswerk Wildflowers produzierte.

Pettys Oma väterlicherseits war Cherokee. Mit zehn wurde er Elvis-Fan, mit 14 sah er die Beatles in der „Ed Sullivan Show“. Sein Gitarrenlehrer in Gainesville, Florida war Don Felder, der später Mitglied der Eagles war. Eberhard Forchers frühe Punk-Band hiess Tom Pettings Hertzattacken

Viel wichtiger als die Charts-Hits war Pettys Job als musikalischer Zivildienstleistender für Bob Dylan, den er ab ’86 immer wieder begleitete. Petty war wie Dylan Teil der Supergroup Travelling Wilburys.

Noch viel wichtiger war der familiäre Umgang mit/in seiner Band. Tom Petty war aus dem nördlichen Florida, ebenso wie seine lifelong-Mitstreiter Mike Campbell und Benmont Tench. Mit denen hab’ ich einmal einen halben Tag damit verbracht, auf Petty und ein Interview zu warten, das dann nie stattfand; und es war ein echt lässiger halber Tag, mit vielen Einblicken ins Innenleben einer Rockband, die mehr ist als ein Job, mehr als nur eine berufliche Übereinkunft, sondern sich als Gang, als Bande begreift.

Fünf Petty-Momente

„American Girl“ (vom Debutalbum „Tom Petty and the Heartbreakers“ 1976) klang so nach den Byrds, dass es Roger McGuinn einfach covern musste, hier in einer Live-Version aus dem Rockpalast. Petty hat sich mit einer Version von So You Want To Be A Rock and Roll Star revanchiert.

Meine zweitliebste Live-Version ist die mit der Doppelhals-Gitarre. Meine Liebste ist die aus 1978:

Breakdown, noch so ein Stück vom Debüt, wurde zu einem Springsteen-esk anmutenden Live-Konzert-Klassiker. Hier, in einer Version von 1985, übergibt Petty nach der ersten Zeile an die Crowd und lässt sie die gesamte erste Strophe samt Refrain allein singen.

Vom zweiten Album „You’re Gonna Get It!“ aus 1978 hat es Listen to your Heart auf die Longlist. „You think you gonna take her away / with your Money and your cocaine“, die Identifikation mit dem Underdog, blue collar to the bone...

Aber ein Jahr später kam das „Damn the Torpedoes“-Album und setzte neue Standards. Vor allem mit „Refugee“, hier in einer Live-Version beim legendären Farm Aid-Konzert 1985

Vom gleichen Auftritt gibt’s auch eine wunderbare Version von Straight Into Darkness vom Long After Dark-Album

Mein Lieblingsalbum ist das vierte, von 1981, „Hard Promises“ heißt es, am Cover steht Petty ein wenig versonnen herum, hinter ihm die Ramschkisten eines Plattengeschäfts. Von „The Waiting“, dem Opener gibt es diese schiefen Live-Auftritt bei Saturday Night Live und außerdem diesen schön altmodischen Videoclip.

Vom zweiten Stück „A Woman in Love (It’s Not Me)“ empfehle ich diesen TV-Show-Auftritt mit dem wunderbaren Piano-Intro von Benmont Tench. Mein Lieblingsstück bleibt aber „Something Big“, diese kleine Skizze für einen Gangsterfilm von der Suche nach dem großen Coup.

Und dann doch noch ein Abstecher zum Spätwerk: diese abgespeckte Version von „I Won’t Back Down“ von 1994 entspricht dem Texte und Thema des Songs viel eher als das aufgeputzte fette Country-Ding. He Baby, there ain’t no easy way out.

Hier noch mit Bassist Howie Epstein, der 2003 an Heroin verlorenging. Was Petty selber auch fast passiert ist, in den späten 90ern (Scheidung, Depression etc). Ehe er die Kurve wieder gekriegt hat. Gestern blieb sein Herz stehen.

Petty hinterlässt zwei Töchter, eine davon, Adria, macht Videos für Beyoncé, Rihanna oder Regina Spektor.

PS: Das entführte American girl aus dem „Schweigen der Lämmer“ schafft es dank ihrer Klugheit und Clarice Starling (und Herrn Lecters Hilfe) zu überleben. „After all it was a great big world, with lots of places to run to“.

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