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APA-FOTO: HANS KLAUS TECHT

Dritte Winterspiele in Tirol?

Mit einam radikal verschlankten Konzept will sich Innsbruck/Tirol für die Olympischen Winterspiele 2026 bewerben. Doch für Kritiker setzt Tirol damit auf das falsche Pferd.

Von Simon Welebil

Am Sonntag den 15. Oktober wird in Tirol wie im übrigen Österreich gewählt. In Tirol gibt es aber neben der Nationalratswahl noch eine zweite Entscheidung zu treffen, die einige Konsequenzen für die Zukunft bereithält, nämlich ob sich das Land für die Durchführung von Olympischen Winterspielen 2026 bewerben soll. Kontrovers ist dabei nicht nur das Thema, sondern auch der Wortlaut der Befragung:

„Soll das Land Tirol ein selbstbewusstes Angebot für nachhaltige, regional angepasste sowie wirtschaftlich und ökologisch vertretbare Olympische und Paralympische Winterspiele Innsbruck-Tirol 2026 legen?“ steht auf den Stimmzetteln.

Die Plattform mehr demokratie! tirol möchte die Abstimmung wegen der „manipulativen“ und „suggestiven“ Fragestellung anfechten. Die Befürworter hingegen sehen in der Fragestellung auch eine Selbstverpflichtung für die weitere Bewerbung.

Innsbruck

Simon Welebil

Kommt der Olympische Gigantismus an sein Ende?

Olympische Spiele sind in den letzten Jahren ein Beispiel von Gigantismus gewesen, vor allem auch die eigentlich kleineren Winterspiele. Für die Olympischen Winterspiele in Sotschi 2014 werden Kosten von etwa 50 Milliarden Euro kolportiert, weil dort ein ganzes Wintersportressort erst aus dem Boden gestampft werden musste, inklusive Autobahnen, Flughafen etc. Die gleichen Voraussetzungen gelten auch für die Austragungsorte der nächsten beiden Winterpiele, das südkoreanische Pyeongchang 2018 und Peking 2022. Auch dort kommen Infrastrukturkosten in zweistelligen Milliardenbeträgen auf die Austragungsländer zu.

Diese Entwicklung gehen sogar dem Internationalen Olympischen Komittee zu weit, das sonst nicht dafür bekannt ist, auf die Kosten zu schauen. Doch gerade westliche, demokratische Staaten waren in den letzten Ländern immer weniger bereit, ein Angebot für Olympische Winterspiele zu legen. Für 2022 waren Peking und das kasachische Almaty die einzigen Kandidatenstädte. Mit seiner Agenda 2020 will das IOC unter anderem durch Kostensenkungen den Kreis der Bewerberstädte wieder erweitern.

Tirol im Zentrum der Reform von Olympischen Spielen

An diesem Punkt kommt nun die Tiroler Olympiabewerbung ins Spiel. „Die einzige Region der Welt, die so eine Umkehr, wie vom IOC zumindest einmal behauptet wird, durchführen kann, ist Innsbruck und Tirol.“, sagt Georg Spazier.

Spazier ist Geschäftsführer der Innsbruck Tirol Sports Gmbh, die der Stadt Innsbruck, dem Land Tirol und dem Österreichischen Olympischen Komittee gehört. Sie hat die Aufgabe, sportliche Großereignisse ins Land zu holen, zuletzt etwa das Crankworx Mountainbike Festival oder die Rad WM 2018. Ihr größter Erfolg wären wohl Olympische Winterspiele.

Innsbruck

Simon Welebil

Georg Spazier

Angeregt vom Österreichischen Olympischen Komittee hat die Innsbruck Tirol Sports GmbbH eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, die vor einigen Wochen präsentiert worden ist. Ihr Ergebnis: „Innsbruck/Tirol hätte das Potential, Vorreiter für moderne, nachhaltige und moderate Olympische und Paralympische Winterspiele 2016 zu sein.“

Eine Vorraussetzung dafür ist, dass man die Kosten für Olympische Winterspiele dramatisch reduziert. Laut Machbarkeitsstudie könnte man Olympische Spiele in Innsbruck mit knapp einer Milliarde Euro durchführen, Geld, das durch den Beitrag des IOC, durch Sponsoring und Ticketverkäufe wieder herein kommen soll. Möglich soll das vor allem dadurch sein, dass man komplett auf den Bau neuer Sportstätten verzichtet.

„Eine Benchmark für zukünftige Winterspiele“

Infrastruktur soll als Kostentreiber ausgeschlossen werden. „Alle Sportstätten, die notwendig sind, haben in den letzten Jahren Weltmeisterschaften durchgeführt und sind vorhanden.“, sagt Georg Spazier. Die Alpin-Bewerbe würden in St. Anton durchgeführt, die Nordischen Bewerbe in Seefeld, Biathlon in Hochfilzen. Was es nicht gibt ist ein Stadion mit Kapapzität für 40.000 ZuschauerInnen für die Eröffnungsfeier, Anlagen für Eisschnellauf - die würde man im bayrischen Inzell abhalten -, und die Eishockeyhallen, für die man in benachbarte Regionen ausweichen will, sind nach Olympiamaßstäben zu klein. Bauen will man trotzdem nicht: „In den Bereichen, wo wir vielleicht nicht internationale Kriterien nicht erfüllen, machen wir das ganz bewusst. Darum reden wir vom Innsbruck-Tirol Angebot. Unter diesen Umständen können wir es machen. Wenn das IOC das nicht will, werden wir unsere Bewerbung zurückziehen.“, so Georg Spazier, ein Test, um zu sehen, wie ernst es dem IOC mit seinen Reformbestrebungen ist: „Jetzt kann man der Welt zeigen, wie man’s besser macht. Und da heraus ergibt sich eigentlich eine viel größere Verantwortung als nur für die Region.“

Innsbruck

Simon Welebil

Sogar bei Ampelsignalen setzt man in Innsbruck auf Sport

Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube

Dieses „Innsbruck-Tirol-Angebot“ wird seit Wochen in Zeitungsinseraten und in einer landesweit angelegten Infotour beworben. Vor allem SportlerInnen und Personen aus der Wirtschaft argumentieren für die Austragung Olympischer Winterspiele in Tirol. Doch dass die Befragung dadurch positiv ausgeht, ist mehr als offen.

In Innsbruck hat sich die Bevölkerung schon zweimal gegen die Durchführung dritter Olympischer Spiele ausgesprochen, 1993 und 1997. Und wenn es nach Markus Koschuh geht, werden sie es auch 2017 wieder tun, trotz des wohlklingenden Angebots: „Das klingt total verlockend. Wir ziehen das IOC über den Tisch, wir brauchen kein Steuergeld für die Olympischen Spiele, wir sorgen dafür, dass danach der Reichtum über Tirol hereinbricht? Das ist alles schlimmer Lug und Trug.“ Egal welche Olympischen Spiele man sich anschaue sei noch jedes Durchführungsbudget extrem überschritten worden. „Man weiß nicht, in welches Risiko man sich begibt. Es werden Kosten veranschlagt zwischen 1,2 und 1,5 Milliarden Euro. Man kann schon jetzt sagen, dass man sich in Summe auf das Doppelte einstellen kann.“ Und dann kämen noch andere Kosten auf die Tiroler Bevölkerung dazu, höhere Wohnpreise etwa. „Es wird definitv nach dritten Olympischen Spielen nicht billiger.“

Innsbruck

Simon Welebil

Markus Koschuh

Markus Koschuh ist ein Tiroler Kabarettist, der mit seinen Programmen oft harte Kritik an den politischen Zuständen im Land übt. Seit Wochen engagiert er sich ehrenamtlich für die Nolympia-Bewegung in Innsbruck, die auch einen Anti-Olympia-Song aufgenommen hat. Bei der Olympia-Befragung stößt Markus Koschuh Einiges sauer auf. Dass die Sicherheitskosten in der Machbarkeitsstudie etwa nicht einberechnet würden, weil die ja nicht die Tiroler, sondern der Bund begleichen müsst, die Behauptung, dass man ohne einen Euro Steuergeld Olympische Spiele durchführen könnte und dass die „Informationskampagne“ eine reine PR-Kampagne für Olympia sei.

Mit einem Vertragspartner wie dem IOC sollte man auch aufpassen, weil die sicher nicht draufzahlen werden und sich auch nach zig Korruptionsfällen nicht reformieren werden: „Das ist wie ein Alkoholkranker nach dem x-ten Versuch, der immer wieder beteuert, jetzt wird’s ernst.“

Winterolympiade als falsche Zukunftsstrategie?

Abgesehen von den unklaren Kosten und den Abläufen rund um die Bewerbung stoßen sich Markus Koschuh und viele andere TirolerInnen aber an etwas ganz anderem. Sie bezweifeln, dass man angesichts des fortschreitenden Klimawandels noch weiter so sehr auf den Wintersport setzen sollte. „Wenn man jetzt so massiv auf das falsche weiße Pferd setzt, macht man grundlegend jegliche Bemühungen für einen Ausgleich zwischen Winter- und Sommer-Tourismus zunichte. Man betoniert sich im Winter ein und das geht sich finanziell in Zukunft einfach nicht mehr aus.“

Es gelte für Tirol Alternativen für den Wintersport zu finden, wie es übrigens auch das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in einer Studie festhält. Statt dem „sauteuren Einmalereignis“ brauche es laut Markus Koschuh eine neue Strategie für Tirol, die zukunftsfähiger sei.

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Simon Welebil

Politische Parteien zurückhaltend

Die politischen Parteien in Tirol liefern für die anstehende Befragung übrigens keine große Entscheidungshilfen. Massiv für die Bewerbung ist der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) und die Innsbrucker Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck), sie wollen aber keine Wahlempfehlung abgeben. Die Grünen, die im Land mitregieren, begleiten die Abstimmung mit einer „konstruktiven Skepsis“, die Innsbrucker Grünen empfehlen ein Nein. FPÖ und SPÖ sind mittlerweile eher gegen die Bewerbung. Einzig die Liste Fritz hat sich im Tiroler Landtag von Anfang an dagegen ausgesprochen.

Vor den anstehenden Wahlen in Tirol - neben dem Nationalrat dieses Wochenende wird 2018 auch der Landtag und der Innsbrucker Gemeinderat gewählt - vermeiden die meisten Parteien klare Ansagen. Niemand will sich mit der Olympiabefragung die Finger verbrennen und am Wahlabend vielleicht auf der Verliererseite stehen.

*Ergänzung vom 16.10.2017

Mittlerweile steht das Ergebnis fest, vor Auszählung der Wahlkarten lehnen 53,35% der TirolerInnen eine weitere Bewerbung für Olympische Winterspiele ab, in Innsbruck haben sich gar 67,41% der WählerInnen dagegen ausgesprochen.

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