FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Borg in "Borg/McEnroe"

SF Studios

Spiel, Satz und Film

Perfekt getrimmtes Gras, propere weiße Shorts und Zigarre rauchende Kommentatoren. Das ist das Setting des 1980er Wimbledon-Tennis-Turniers. Doch „Borg/McEnroe“ richtet den Blick hinter die Kulissen und direkt in die Umkleidekabine. 




Von Dalia Ahmed

Links, rechts, links, rechts, links, rechts… Genauso kalkulierbar, wie der Blick der Tennisfans im Stadion erzählt der dänische Regisseur Janus Metz die Geschichte der beiden Tennisriesen Björn Borg und John McEnroe. Es geht um einen „Gentleman Sport“, über den zwei Working Class Jungs hereinbrechen. Es geht um den Rock’n’Roll Lifestyle, der sich in einer flashy filmischen Montage gegönnt wird, und es geht um ganz viel Druck. Druck auf Sportler, Druck auf zwischenmenschliche Beziehungen und Druck beziehungsweise Spannung auf Tennisschlägersaiten, damit sie ja fest sitzen beim Match. 



1980 trifft im Finale von Wimbledon der kühle, strebsame Schwede Björn Borg auf den New Yorker Hitzkopf John McEnroe. Die Presse bezeichnet das Match damals als einen Kampf zwischen Eis und Feuer. Für McEnroe war es der Start seiner Superstar-Karriere, in einer Zeit, als diese auch im Tennis zu florieren begannen. Für Borg war es der Versuch, seinen fünften Wimbledon-Titel in Folge zu erringen. 



Um genau dieses Duell herum baut sich „Borg/McEnroe“ auf. Während wir dem großen Ball-hin-und-her-schlagen entgegen fiebern, werden parallel Jugendschnipsel der beiden, vor allem von Borg preisgegeben (die schwedische Produktion läuft in Schweden unter dem Titel „Borg“). Man erlebt, wie der jähzornige Sohn einer schwedischen Arbeiterfamilie es in den elitären Tennissport schafft und ihm langsam aber sicher der Zorn ausgetrieben wird, was aber nicht ohne Folgen bleibt. Björn Borg wird zum Neurotiker. Die Tennisschlägersaiten müssen vor jedem Match auf eine ganz bestimmte Weise gespannt werden, das Hotelzimmer muss runtergekühlt werden, um seinen Herzschlag zu verlangsamen, die mitgetragene Anzahl an Handtüchern darf nie variieren und so weiter.

Zwänge unterdrücken oder ausleben?

Während Borg seine Anspannung in Zwängen und im Training entlädt, wird McEnroe als abseits des Courts entspannter Bad Boy präsentiert. Er trinkt Alkohol am Abend vor Matches und malt Wettkampftabellen auf die Hotelzimmerwand. Doch sobald er den Tennisplatz betritt, wird auch er zum Nervenbündel. Im Gegensatz zu Borg lebt McEnroe seine Anspannung frei sichtbar aus. Schiedsrichter werden angeschrien und Tennisschläger mutieren zu wild schwingenden Keulen. Aufgrund der Ausbrüche stellte sich damals das Tennispublikum auf Seite des kontrollierten Schweden. 



Borg & McEnroe im Film "Borg/McEnroe"

SF Studios

Doch für Regisseur Janus Metz sind die damals medial als gegensätzlich präsentierten Männer gar nicht so unterschiedlich. Im Interview erzählt er, dass er sie beide als Philosophen sieht: Männer, die alles dafür geben, den Sinn des Lebens zu ergründen, selbst wenn sie in dem Moment gar nicht wüssten, dass sie das tun. Tennis als Pars pro toto der Human Condition.

Diese Art des Zugangs zu einem Biopic verrät auch einiges über Janus Metz’ Perspektive: die Perspektive eines europäisch, dänischen Regisseurs, der Existenzialismus in einen Film bringt, der auf den ersten Blick, wie ein netter Fernsehfilm wirken kann. Das ist wohl auch der Grund, warum sich Shia LaBeouf für dieses Skript entschieden hat und warum Janus Metz auch in Hollywood tätig ist. Sein auf das Philosophische und große Ganze bedachter Blick brachte ihn auch in den Regiesessel einer True Detective Folge.



Nach dem Schlagabtausch

Was für „Borg/McEnroe“ spricht ist die Charakterstudie Björn Borgs. Auf McEnroe wird da nicht so genau eingegangen, obwohl Shia LaBeouf den kontroversen Hitzkopf ideal verkörpert und dafür auch reichlich aus seiner persönlichen Erfahrung schöpfen konnte. Und auch das crescendohafte Turnierfinale, bei dem uns in allen möglichen Einstellungen der Schlagabtausch der beiden präsentiert wird, ist fesselnd.

7 Days in Hell Poster

HBO Studio Productions

„Borg/McEnroe“ kommt am 13. Oktober in die Kinos. Bis dahin sei euch die HBO Tenniskomödie „7 Days in Hell“ ans Herz gelegt.

Nachdem aber die Schweißbänder ausgewrungen sind und das Preisgeld ausbezahlt wurde, bleibt nicht besonders viel übrig. „Borg/McEnroe“ ist ein solider Film über ein Duell zweier Männer, die unterschiedlicher, aber auch „gleicher“ nicht sein könnten. Dennoch presst Janus Metz doch nicht mehr als eine filmische Nacherzählung eines Wikipediaartikels aus der Geschichte heraus. Nette Sets, nette schauspielerische Leistung und eine nette Idee. Von den (Tennis-)socken haut es aber wohl niemanden.

mehr Dalia Ahmed:

Aktuell: