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Sebastian Kurz und Unterstützerinnen

APA/ROBERT JAEGER

Wieso haben die Jungen diesmal Schwarz-Blau gewählt?

Laut der Wahltagsbefragung nach den Nationalratswahlen hat die FPÖ die meisten Stimmen der Unter-29-Jährigen geholt. Die Politikwissenschafterin Tamara Ehs versucht im Interview, diese Tatsachen aufzuklären.

Es gibt ein vorläufiges Endergebnis der Nationalratswahlen, die ÖVP steht als klarer Wahlsieger fest, dahinter SPÖ und FPÖ. Die Wahlkarten werden heute, Montag, und am Donnerstag noch ausgezählt, doch bei den ersten drei wird sich wohl nicht mehr so viel ändern. Eine Zitterpartie wird es hingegen bei den Grünen und der Liste Pilz - ihr Einzug in den Nationalrat wird noch spannend.

Interessant sind jetzt, nach den Wahlen, aber auch die Teilergebnisse. Nach der Wahltagsbefragung, ausgeführt von den Meinungsforschungsinstituten ISA und SORA für den ORF, liegen bei den Unter-29-jährigen-WählerInnen FPÖ und Liste Kurz deutlich vorne.

Wir haben die Politikwissenschafterin Tamara Ehs ins FM4-Studio geladanen, um mit ihr im Interview die Hintergründe dieser Wahlentscheidungen zu beleuchten.

Gerlinde Lang: Tamara Ehs, was waren die Motive der jungen Wähler, diesmal so zu wählen?

Tamara Ehs: Ganz stark bei jungen Wählerinnen und Wählern zieht das Motiv „Wir wollen was Neues. Wir wollen Veränderung, was Junges. Wir brauchen Bewegung.“ Und da haben sich Sebastian Kurz und die FPÖ draufgesetzt und konnten das am besten für sich in Wählerstimmen ummünzen.

Es war ja auch sehr monothematisch „Ich bin die Veränderung. Ich bin das Neue“. Sebastian Kurz hat sogar seine Partei in „Liste“ und „Bewegung“ umbenannt. Damit hat er auch hier bei den Jungen einen Trend aufgesammelt, zu sagen Partei, das ist eher gefühlsmäßig out, das ist langweilig. Bewegung, das kommt schon besser an.

Tamara Ehs

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Tamara Ehs ist Politikwissenschafterin am Institut für Rechts- und Sozialgeschichte der Universität Salzburg und Lehrbeauftragte an der Universität Wien im Rahmen des Lehramtsstudiums Politische Bildung. Sie ist Trägerin des Wissenschaftspreises der Lupac-Stiftung des österreichischen Parlaments.

Auffällig ist, dass die FPÖ zum ersten Mal bei Frauen unter 29 die Nummer 1 sein soll. Bei Männern unter 29 hat Sebastian Kurz die Nase vorn. Wie kann man sich das erklären?

Also auch hier stehen die Jungen im Gegensatz zum Trend, gegen die allgemeinen, bundesweiten Wahlergebnisse. Man muss aber auch sehen, bei den Jungen wären die Grünen fix im Parlament und die NEOS haben sich verdoppelt – wir sehen sie hier bei über 9, fast bei 10%. Also hier sind ganz andere Ergebnisse und Trends schlagend geworden, als wir in der Durchschnittsbevölkerung sehen.

Andererseits fällt das aber auch nicht so ins Gewicht. Wir haben zwar rund 300.000 Erstwähler und Erstwählerinnen, das ist aber trotzdem eine verschwindend geringe Anzahl an Wählerinnen und Wählern. Die unter 29-Jährigen machen vielleicht 15% der WählerInnen aus. Allein die über 70-Jährigen stellen 20%, alle Pensionistinnen und Pensionisten 25%. Man hat das auch im Wahlkampf gesehen, man hat sich nicht unbedingt um diese Wähler bemüht. Die einzige Message, die man für diese Gruppe rüberbringen musste war „jung, neu, Veränderung, Bewegung“. Und da sehen wir dann auch, wieso die ÖVP mit Sebastian Kurz und die FPÖ da vorn sind.

Die Wahlbeteiligung unter den jungen WählerInnen liegt diesmal bei 79 Prozent, entsprich also der Gesamtwahlbeteiligung. Warum gibt es immer noch den Vorwurf der politikverdrossenen Jugend?

Die hohe Wahlbeteiligung ist diesmal wirklich neu. 2013 sind nur 63 Prozent der Jungwähler zur Wahl gegangen. Auch neu ist, dass bei den Jungen viele Protestwählerstimmen gesammelt werden konnten und dieses „Neue Bewegung für die Jugend“-Argument unter ihnen zu mobilisieren scheint. Jetzt liegen die Jungen in der Wahlbeteiligung im allgemeinen Wählerbereich. Das ist generell positiv zu bewerten, dass junge Menschen zur Wahl gehen.

Bei den WählerInnen unter 29 haben ÖVP und FPÖ die Nase vorn. Wie sehen wir da aus im europäischen Vergleich?

Wir nähern uns da einem Trend in Zentral- und Osteuropa an, wo die Jugend eher rechte, autoritäre Kandidaten wählt. Ganz im Gegensatz zu Westeuropa. Wenn wir uns da z.B. Brexit anschauen: Hätten da nur die Jungen abgestimmt, wäre das Vereinigte Königreich noch in der EU. Oder bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich vergangenen Mai: Da war Jean-Luc Mélenchon, der linke Kandidat, im ersten Wahlgang bei den Jungen an erster Stelle, hat es aber, weil die Jungen zu wenige sind, nicht einmal in den zweiten Wahlgang geschafft. Wir haben also in Westeuropa bei den Jungen eher eine Linkslastigkeit. Da sticht Österreich heraus und geht eher einen Osteuropäischen weg.

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