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Frau in Wahlkabine

APA/ HELMUT FOHRINGER

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Die Balkanisierung der österreichischen Politik

Meine Mutter macht sich Sorgen um die Zukunft der kritischen Medien in Österreich. Vielleicht hat sie recht?

Von Todor Ovtcharov

Meine Mutter rief mich nach der österreichischen Nationalratswahl besorgt an. Sie befürchtet, dass FM4 bald zugesperrt wird. Kritische Medien wären immer das erste Opfer. Besonders, wenn sie auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Regierungen mögen es nicht, von denen kritisiert zu werden, die staatlich gefördert sind. Ich versuchte sie zu beruhigen, dass Österreich nicht die Türkei oder Nordkorea ist. Dass Kurz nicht Erdogan oder Kim ist. Er ist ja viel dünner als Kim. Meine Mutter ist grundsätzlich dauernd besorgt. Ob ich gut gefrühstückt habe, ob ich die richtigen Schuhe anhabe wenn es regnet, ob ich aufpasse beim Überqueren der Straße...

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Meine Mutter war in Bulgarien lange Zeit Journalistin. Sie ist einer der Menschen, die die freien Medien in meinem Geburtsland nach 1989 gegründet haben. Dank ihrer Arbeit wurden einige Minister gestürzt. Sie erlebte die Blütetage der bulgarischen Medien in den 90er Jahren, einer Periode viel größerer wirtschaftlicher Instabilität als heute.

Damals, meint meine Mutter, waren die Medien in Bulgarien freier als jetzt. Sie wurde mehrmals von verschiedene Zeitungen aufgrund ihrer kritischen Berichte über alle Regierungen gefeuert. Irgenwann hatte sie keine Kraft mehr weiterzukämpfen und gab den Beruf auf. Die heutigen Medien in Bulgarien zensieren sich selbst. Ihre Führung bedient meistens wirtschaftliche Interessen und man ist immer nett zur Macht. Egal, wer diese Macht gerade innehat.

Todor auf einem Werbesujet für die Pass-Egal-Wahl

SOS Mitmensch

Die Pass-Egal-Wahl brachte für die SPÖ 37% der Stimmen, gefolgt von den Grünen mit 32% und der KPÖ plus mit 12%. Weiters schafften die Liste Pilz und die ÖVP die Hürde von 4%, die NEOS erhielten 3,8%, die FPÖ 2% der Stimmen.

Ich sagte meiner Mutter, dass Österreich nicht Bulgarien sei und beendete das Gespräch. Aber dann erschienen in meinem Kopf Bilder aus dem österreichischen Wahlkampf. Obwohl ich nicht wählen darf, habe ich ihn aufmerksam verfolgt. Er war gemein und hässlich, voll mit persönlichen Angriffen und populistischen Aussagen. Man bewarf die politischen Gegner mit Gatsch und die Augen der Wähler mit Staub. Man sprach nur selten sachlich über etwas Wichtiges.

Das alles ähnelte viel zu sehr den Wahlkämpfen, die ich aus Bulgarien kenne. Die Politiker hier haben sich eindeutig Know-How aus dem Osten geholt. Osteuropäische Politiker wie Orban wurden gelobt. Es gab ein Thema, das viele Parteien vereint hat - sie waren sich einig, dass „die Ausländer“ schuld sind. Man stritt nur darum, ob sie an allem oder nur teilweise verantwortlich sind.

Vielleicht hat meine Mutter Recht? Vielleicht werden bald auch hier die kritischen Medien so behandelt wie in Bulgarien? Man wird nur sagen: Niemand hört euch, und die Förderungen werden gestrichen. In diesem Moment klingelte es an der Tür.

Außer Atem vom Stiegensteigen stand da der Pizzabote und lächelte mich an: „Sind sie Todor Ovtcharov von FM4?“ „Ja“, sagte ich. „Alle in unserer Pizzeria hören und lieben Sie und ihren Radiosender!“

Ich werde meine Mutter beruhigen. Falls FM4 zusperrt, habe ich die Adresse von der Pizzeria. Vielleicht geben sie mir einen Job.

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