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Die österreichische Bundesliga in ihrem „House of Cards“

Teil 3 eines Reality Checks zur Zukunft des österreichischen Fußballs, für die in den letzten Wochen entscheidende Weichen gestellt wurden.

Von Martin Blumenau

Die österreichische Bundesliga ist die große Gewinnerin der letzten Wochen und Monate: bestdotierter TV-Vertrag aller Zeiten, beste Aussicht auf Champions-League-Fixplatz, knackige Liga-Reform mit Infrastruktur-Verbesserung und (auch dadurch) wiederbelebte Top-Vereine.

Siehe dazu auch Fodas Trippelschritte, Teil 1 eines dreiteiligen Reality Checks zur Zukunft des österreichischen Fußballs und Teil 2, Der ÖFB in der selbstverschuldeten Krise

Außerdem: Warum Franco Foda der richtige ÖFB-Teamchef ist. Not. vom 27. 10. und auch Das starke und das schwache Fundament vom 9. Oktober und Clowns of the Stone Age vom 11. Oktober.

Im Hintergrund zog die Liga auch die Fäden bei der Bestellung der neuen sportlichen ÖFB-Führung mit Liga-Vertretern/Vertrauten und hat einen Deal zur Lösung des drängenden Problems an der Schnittstelle zwischen 2. Liga und Regionalligen eingefädelt.

Außerdem ist mit der Ablöse von Koller/Ruttensteiner auch ein weiterer zentraler Punkt der Anfang 2015 im Projekt Universum Fußball ausgegebenen Vision für 2020 in Reichweite: ein verbessertes positives Image der Liga.

Dazu braucht es neben feschen Stadien, festbeleuchteter TV-Präsenz und guter Medien-Verpartnerung nämlich auch einen ÖFB, der die Liga-Spieler wieder verstärkt einbaut und nicht wie zuletzt fast ausschließlich auf Legionäre zurückgreift und die Bundesliga als Schattenexistenz, also als reine Ausbildungs-Liga wahrnimmt.

The daily blumenau bietet seit 2013 ebenso wie sein Vorgänger, das Journal, regelmäßig Einträge zu diesen Themenfeldern.

Mit dem Rapidler Schöttel, dem Sturm-Verbinder Foda und dem Austria-Vorstand Kraetschmer als neuem starken Mann hinter dem schwer kranken Liga-Präsidenten Hans Rinner sind die Positionen diesbezüglich gut bezogen. Und das nicht als reiner Selbstzweck, sondern um den Masterplan nachhaltig durchzusetzen.

Klingt alles all zu sehr nach einer heimischen Version von „House of Cards“? Ja und nein: Nichts von alledem läuft unsichtbar oder heimlich - alle erfolgreich absolvierten Vorgänge entspringen zielführender Lobby-Arbeit. Und dienen dem Masterplan: dem Etablieren der österreichischen Bundesliga in einem ökonomischen Mittelfeld, auf einem Top-10/12-Level mit Belgien, Holland, der Schweiz, vielleicht sogar Portugal. Ohne finanzielles Dauer-Harakiri wie in der Türkei oder Griechenland oder dem Risiko der von Oligarchen gesteuerten großen Ost-Ligen. Und das sind ehrenwerte Ziele.

Jungs, hier kommt der Masterplan

In den letzten Jahren lag das Augenmerk der von den Geschäftsführern Christian Ebenbauer und Reinhard Herovits sowie Rinner/Kraetschmer geleiteten Initiativen auf der Verbesserung von Infrastruktur, Familienfreundlichkeit, Fanarbeit, Social-Media-Kompetenz und Sponsoren-/Partner-Gewinnung, sprich: der Professionalisierung des Volkssports Fußball. Um wegzukommen vom vorherrschenden Denken vieler (vor allem altvorderer Funktionäre), der moderne Fußball würde immer noch ein denkbefreites Emo-Biotop mit fatalistischem Vertrauen auf den Zufall, der den gelernten Österreicher (den Kleinen, der nix reißen darf, im Konzert der Großen) nach oben spült.

Das Gegenkonzept der Liga: Rahmenbedingungen, die einen Erfolg garantieren und somit der Branche ein langfristiges Überleben sichern. Weg vom Herrenbauern-Gehabe, hin in die neoliberale Marktlogik des Spätkapitalismus.

Stabilisierende Faktoren

Die langfristige Mateschitz-Initiative in Salzburg, die Stadion-Neubauten bei Rapid und Austria, die Beruhigung des vormaligen Patienten Sturm Graz, eine Zwölfer-Liga, die schlafenden Riesen wie Innsbruck oder dem LASK Sicherheit in der Entwicklung gibt - all das sind stabilisierende Faktoren. Um öffentliches Interesse zu lukrieren, Medienpräsenz, Imagegewinn, was wiederum zu besserem Zuschauer-Zuspruch, höheren Einschaltquoten, mehr Sponsoring und besseren TV-Verträgen führt, die sich durch die Möglichkeit verstärkter Investitionen dann auch in besseren Leistungen auf internationalem Niveau niederschlagen sollen - Stichwort: CL-Fixplatz.

Auch der künstlich befeuerte und wohl abgesprochene Streit um den Rekordmeister-Titel ist so Teil dieser Strategie: Es geht darum, den heimischen Fußball interessant zu machen, im Gespräch zu halten, und die Aufmerksamkeit nicht mehr nur in die großen Ligen abfließen zu lassen.

Kontrolle und Medienpräsenz

Als sich Anfang des Jahres beim ÖFB ein massives Machtvakuum auftat, konnte die Liga ihre Interessen auch dort durchsetzen: Man arrangierte sich mit den Landespräsidenten (obwohl sie in ihrer herrenbäuerlichen Verfasstheit keine natürlichen Verbündeten sind) und brachte so die sportliche Leitung unter Kontrolle.

Ein Einschub, um eine mögliche Betroffenheit klarzustellen: Ich denke, dass die Herstellung einer nachgereichten, wahrhaft analytischen Hintergrund-Spieltag-Show der ORF-TV-Sportredaktion ein höheres Alleinstellungs-Merkmal bringt als die teilweise (siehe gestern) öden Live-Einzelpartien. Und eine sonntag-mittägliche, halbwegs niveauvolle Diskussions-Sendung würde auch nicht schaden...

Das Tüpfelchen auf dem I ist der letzte Woche präsentierte, neue TV-Vertrag, der ab der Saison 2018/19 gelten wird: deutsche Verhältnisse - alle Liga-Spiele exklusiv bei Sky, Highlight-Show (Sportschau) und vier Live-Spiele (Saisoneröffnung, Derby, Saisonfinale...) bleiben, so wie es aussieht, dem ORF. Die Liga bekommt (hier Erläuterungen von Liga-Vorstand Ebenbauer) 34 (bis später über 40) statt 24 Millionen pro Saison - eine Erhöhung, die auch wichtig war, um die künftig eher weniger beleuchtete 2. Leistungsstufe der Bundesliga mit durchzufüttern.

Langfristig sollen die Dorfvereine, die in der letzten Dekade das Image der Liga geprägt haben, genau dort, in Liga 2 verstaut werden, während die Bundesliga wieder Leben in die wenigen tauglichen Stadien bringen möchte.

Die Welt ist ein Kartenhaus

Wie alle Masterpläne kann aber auch der der Liga wie ein Kartenhaus zusammenstürzen. Man ist einerseits komplett abhängig von Salzburg bzw. Red Bull: Sollte es im Mateschitz-Imperium krachen, bricht ein Stützpfeiler weg. Der winkende CL-Fixplatz etwa ist fast komplett vom FC Salzburg erspielt worden. Außerdem werden die Wiener Vereine und Sturm die Rolle der eifrigen Europacup-Punktesammler übernehmen müssen, wenn Salzburg dann tatsächlich in der Champions League spielen und dort vergleichsweise wenig Punkte machen wird. Auf die Dauer wird man da mit strategisch schwachen, wegen deren Namen oder Popularität engagierten Coaches nicht mithalten können. Was wiederum zu einem Absinken im UEFA-Ranking und entsprechender Verunsicherung führen würde - und einen Backlash auslösen kann, wie er 2011 zur Installierung von Marcel Koller geführt hat.

Die Liga muss also ihre Mitte zwischen tatächlichem Anspruch und großspurigen Marketing-Getöne, zwischen medialer Hochjubelung und klassischer Fan-Matschkerei finden müssen. Und braucht dazu dringend kritische Begleitung.

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