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Drogenfund des deutschen Zolls

APA/dpa/Oliver Berg

Das Darknet und die Drogen

Noch wird mit Drogen vor allem auf der Straße gedealt. Doch die digitalen Märkte im Darknet nehmen zu. Die Sozialwissenschafterin Meropi Tzanetakis forscht zu Darknet und Drogen und sie sagt: Oft bringen die PostbotInnen die illegale Ware - unwissend.

Von Maria Motter

Es ist ein Ort, dessen Bild an die Büchse der Pandora erinnert: Im Darknet wird mit allem gehandelt, was im regulären Internet illegal ist. Mit Drogen, mit Waffen, mit Menschen. Meropi Tzanetakis ist täglich im Darknet unterwegs. Sie hält sich stundenlang an diesen digitalen Orten auf und das aus wissenschaftlichen Gründen. Die Politikwissenschafterin ergründet das Phänomen, dass zunehmend illegale Drogen auf anonymen digitalen Marktplätzen ver- und gekauft werden.

Täglich - und das ein Jahr hindurch - hat Meropi Tzanetakis Daten von den unterschiedlichen Marktplätzen gesammelt. Sie hat Drogenkonsumenten wie Händler im Darknet befragt, um herauszufinden, wie das Geschäft auf den anonymen Drogenmärkten abläuft. Die beliebtesten illegalen Substanzen sind Cannabis, Ecstasy und Kokain. Das Phänomen ist noch jung, 2011 tauchte das Darknet erstmals in Zusammenhang mit Berichterstattung über Drogenhandel auf.

Merope Tzanetakis

Wilfried Moertl

Für ihre Forschungstätigkeit hat Meropi Tzanetakis vom Wissenschaftsfonds ein Erwin-Schrödinger-Auslandsstipendium erhalten. Erste Station: Die Universität Oslo.

Uns gibt Meropi Tzanetakis Einblick in eine Welt, die überraschende Ansichten bietet. Denn so anders wie auf legalen Handelsmärkten, wie vielleicht angenommen, läuft es auf den Märkten im Darknet gar nicht ab.

Maria Motter: Wie geht denn die URL zum Darknet?

Meropi Tzanetakis: (lacht) Die Frage höre ich oft! Es gibt eigentlich mehrere Darknets, also mehrere Netze, die im verborgenen Teil des Internets sind. Das Internet kann man unterteilen in Clear Net und Deep Web. Clear Net, das sind die Seiten und Inhalte, die von Suchmaschinen wie Google erfassbar sind. Das Deep Web sind zum Beispiel die Intranets, die erst nach Logins oder nach Bezahlung zugänglich sind. Und ein Teil dieses Deep Webs, ein verschlüsselter Teil, nennt sich Hidden Services: Das ist, was man unter Darknet versteht.

Das Darknet besteht in der Realität aber auch aus unterschiedlichen Netzwerken. Es gibt z.B. I2P-(Invisible Internet Project) oder das Tor-Netzwerk. Und um Zugriff auf diese versteckten Inhalte zu bekommen, braucht man Software wie z.B. den Tor-Browser, mit dem man dann sowohl anonym im regulären Netzwerk surfen kann, als auch Zugang zu diesen Marktplätzen im Darknet bekommen kann. Im Tor-Netzwerk enden alle Seiten auf .onion, „Onion“ steht für das Zwiebel-Prinzip. Das ist eine wilde Kombination aus Buchstaben und Zahlen, die überhaupt keinen Sinn macht, aber das Wichtige ist .onion.

Gibt es in dem Darknet auch etwas, das nicht illegal ist?

Der Name Darknet ist irreführend, weil eigentlich sagt er nur, dass die Inhalte verborgen sind, aber er sagt nichts darüber aus, ob sie strafrechtlich verboten sind oder nicht. Der Zugang ist legal, die Inhalte sind aber versteckt. Die Technologie kann auf unterschiedliche Weise genützt werden. Sie ist vor allem wichtig, damit Menschen ihre Privatsphäre, ihre Anonymität bewahren, nämlich da, wo sie unterdrückt werden oder wo sie nicht die Möglichkeit haben, frei ihre Meinung zu äußern.

Wie schwierig ist es, im Darknet zu surfen? Muss man programmieren können oder sonstige Computerkenntnisse haben?

Ja, man muss sich informieren. Die Antwort auf die Frage liegt in der Zielgruppe dieser Marktplätze. Es sind hauptsächlich junge, männliche, gut ausgebildete Menschen in Europa, Nordamerika und Australien, die da sämtliche Drogen kaufen.

Im Darknet surft man anonym. Bleibt deine echte Identität also auf jeden Fall gewahrt? Hast du ein Budget für diese Forschungen, bestellst du selbst Drogen und wie weit gehst du in deiner Recherche?

Ich gehe soweit, dass ich das Marktgeschehen einerseits beobachte und andererseits auch anonyme Online-Interviews mit Kunden, aber auch mit Händlern durchführe. Ich bestelle nichts. Mir ist auch kein Land bekannt, wo es legal wäre, sich mit Forschungsgeldern was zu bestellen! Das Wichtigste ist der Vertrauensaufbau. Wie in jedem normalen Interview auch geht es darum, dem Internetpartner zu vermitteln, dass ich nicht die Polizei bin, sondern forsche, und mit welchem Interesse ich forsche.

Wenn man sich die Zahlen anschaut, wie viele Leute die digitalen Marktplätze nützen, bist du dort dann schon bekannt? Und schreibst du die an, fragst du die Dealer, wie viel es kostet?

Das Interessante ist, dass ich im Darknet nicht anfragen muss, was es kostet, weil diese Angabe habe ich auf dem Marktplatz genau so, wie man es von Amazon Marketplace oder Ebay kennt. Ja, es gibt nicht so viele WissenschaftlerInnen, die sich mit diesem Thema befassen. In Europa gibt es fünf und weltweit sind es ungefähr fünfzehn ForscherInnen, die sich aus jeweils unterschiedlich disziplinären Perspektiven mit Drogenmärkten im Darknet befassen, und ich bin eine davon.

Jetzt wären deine Erkenntnisse besonders für die Exekutive interessant. Mit welchem Auftrag forschst du und mit welchem Ziel?

Den Strafermittlungsbehörden geht es darum, Täter ausfindig zu machen und Drogen zu beschlagnahmen. Mir geht es darum, zu verstehen, wie die Märkte funktionieren. Wie wird Vertrauen hergestellt in einem anonymen Umfeld, wo der eine nicht weiß, wer der andere Geschäftspartner ist. Wie werden Konflikte gelöst bzw. wie funktioniert die logistische Kette. Ich habe herausgefunden, dass der Postbote unfreiwillig zum Drogenkurier wird. Einfach deshalb, weil die Bestellungen über das Darknet tatsächlich per regulären Paket- und Zustelldiensten nach Hause oder an eine bestimmte Adresse geliefert werden.

Man muss dazu eben nicht mehr auf die Straße gehen, sondern kann Drogen so bestellen, wie man sich Schuhe oder einen Fernseher über das Internet bestellen kann. Die Konsumierenden kommen weniger mit Gewalt in Berührung, als wenn sie auf der Straße oder bei einem unbekannten Händler etwas kaufen. Die Qualität der Drogen ist relativ transparent auf diesen Marktplätzen, weil die Händler untereinander konkurrieren. Normalerweise verhält sich das so, dass über das Darknet die Drogenqualität höher ist als auf der Straße, dafür ist der Preis auch höher als am materiellen Markt. Für eine Drogenpolitik, die auf Entkriminalisierung setzt, bieten diese Kryptomärkte eine Chance. Das Risiko von Folgeschäden durch verunreinigte Drogen ist geringer. Da braucht es aber den Willen, eine progressive, auf Entkriminalisierung von Drogenkonsumierenden setzende Politik zu verfolgen, mit entsprechenden Begleitmaßnahmen. Weil im Darknet gibt es z.B. auch keine Altersbeschränkung. Ein siebenjähriges Kind kann sich genauso Drogen bestellen wie es eine 17jährige Frau kann.

Im Darknet wird auch mit Kinderpornografie und mit Waffen gehandelt. Kommen dir solche Angebote auch unter?

Seit dem Beginn dieses Phänomens der Marktplätze im Darknet, wo Drogen vertrieben werden – in der Forschungscommunity sagen wir dazu Kryptomärkte, weil es verschlüsselte Märkte sind, die mit technologischen Mitteln die Identität und den Standort der Nutzer verschleiern –, hat sich die Drogen-Community komplett getrennt von z.B. der Kinderpornografie-Community. Also sprich auf den Marktplätzen, wo mit Drogen gehandelt wird, wird und darf kein kinderpornografisches Material in irgendeiner Form vertrieben also weitergegeben werden.

Wie geht diese Selbstregulierung vonstatten?

Die Antwort klingt jetzt vielleicht absurd, aber im Grunde verhalten sich die Märkte im Darknet genauso wie reguläre Märkte für elektronische Artikel, für Kleidung, für was immer man im Internet bestellen kann und möchte. Es funktioniert auch nach denselben Mechanismen wie z.B. Produktbewertungen, an denen sich die anderen Kunden orientieren. Auf dem größten Marktplatz hat es an die 2.000 Händler gegeben. Das ist eine ziemliche Auswahl, auch wenn nicht alle z.B. nach Österreich zustellen, sondern nur fünfzig Prozent. Und im Fall von Konflikten gibt es Selbstregelungsmechanismen. Wenn ich bei den Bezahlmethoden z.B. das Treuhandverfahren wähle, zahle ich ein bisschen mehr für die Transaktion, aber dafür habe ich ein Streitschlichtungsverfahren im Falle eines Konflikts: Der Administrator vom jeweiligen Marktplatz vermittelt dann zwischen Händler und Kunden, bis eine Einigung erzielt wird.

Ist das Darknet „on the rise“? Wird sich der Drogenhandel in der nahen Zukunft von der Straße ins Darknet verlagern?

Die europäische Drogenbeobachtungsstelle schätzt den Umsatz am Markt für illegale Drogen in Europa auf 24 Milliarden Euro. Der Umsatz von 100 Millionen Euro im Darknet ist verglichen damit gering. Konkrete Zuwachsraten kann ich nicht nennen, doch mittlerweile gibt es zwei Dutzend unterschiedliche Marktplätze für Drogen im Darknet. Australien ist ein interessanter Fall, weil die AustralierInnen einerseits geografisch abgeschieden sind und andererseits eine sehr restriktive Drogenpolitik haben. Das heißt, es ist schwer, auf einem konventionellen Weg an Drogen zu kommen, deshalb hat sich der Drogenhandel in Australien ins Internet und besonders ins Darknet verlagert. Wieviele ÖsterreicherInnen Drogen im Darknet kaufen, lässt sich nicht genau eruieren.

Fußt das Ganze nicht auf einer Vertrauensbasis und Gutgläubigkeit?

Jein. Auch jede legale Geschäftsbeziehung basiert auf Vertrauen. Wenn ich mir im Internet eine Hose bestelle, schaue ich mir die Plattform auch genau an, zahle nicht per Vorauszahlung, sondern mit Kreditkarte. Genau so funktioniert das auch bei den Drogen im Darknet.

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