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Cover eines Comics

Mesquita/Yun

Die unbekannte Geschichte koreanischer Gastarbeiterinnen

Lange vor Kimchi-Hype und Hi-Tech made in Korea holte man koreanische Gastarbeiterinnen nach Österreich. Der Comic „Homestories“ legt diese Geschichte nun offen.

Von Claudia Unterweger

Wien, 1972: Soo-Hyun landet am Flughafen Wien-Schwechat. Gemeinsam mit 50 anderen jungen Krankenschwestern aus Südkorea. Sie alle sind von der Stadt Wien angeworben worden und sollen helfen, den Pflegekräfte-Mangel an Österreichs Spitälern zu beheben.

Comic-Auszug

Fetz/Yun

„Das soll Europa sein?“

„Diese jungen Frauen hatten die Vorstellung, Österreich sei aufgeklärt und progressiv. Aber sie haben enttäuscht festgestellt: Wien war altbacken und noch vom Nachkriegsgrau überzogen,“ berichtet die Autorin Vina Yun im FM4-Interview.

Mit Liebe zum Detail und feiner Ironie webt die Wiener Journalistin teils dokumentarische, teils fiktive „Homestories“ über Kulturschock, Heimweh und Abenteuer der koreanischen Einwanderinnen ineinander. Von der belustigenden ersten Begegnung mit Frankfurter Würstchen bis zur gewöhnungsbedürftigen Weigerung der österreichischen Stationsschwester, „fremdländische“ Vornamen auszusprechen.

Erhellende Nachforschungen

Mehrere hundert Koreanerinnen kamen nach Österreich, genaue Zahlen gibt es nicht, berichtet Vina Yun. Für Teil 1 ihrer „Homestories“ führte sie Interviews mit einigen dieser ehemaligen Krankenschwestern, die bis heute in Wien leben - trotz der Erwartungshaltung an Gastarbeiterinnen, rasch wieder in ihre Heimat zu verschwinden.

Buchcover der Homestories

Radio FM4

Vina Yun: Homestories. Koreanische Diaspora in Wien, finanziert durch ein Stipendium von „kültür gemma!“ zur Förderung von migrantischer Kunst- und Kulturproduktion in Wien. Erschienen sind die Homestories Vienna im Eigenverlag.

Die Autorin forschte ebenso in ihrer eigenen Familiengeschichte („Da kamen spannende neue Informationen zu Tage!“), denn Yuns Eltern kommen selbst aus Korea. In Comic-Band 2 fließen Gespräche mit Angehörigen der zweiten Generation ein, die wie Yun selbst, in Österreich aufgewachsen sind.

Waldheim-Affäre, Elternsprüche und “X-Large”

Band 2 der „Homestories“ schildert die Coming-of-Age-Abenteuer der (fiktiven) Protagonistin Vina in Wien-Ottakring. Sie träumt von einer Karriere als Menschenrechtsanwältin, verknallt sich während der Waldheim-Geschichtsstunde in die Professorin und hasst es, für die Eltern Sachen ins Deutsche zu übersetzen.

Besonders lohnend ist der Comic für Lesende, die wie die Autorin, im Österreich der 80er und 90er aufgewachsen sind. Eigene Erinnerungen an frühe Popkultur-Momente finden sich hier aus anderer Perspektive wieder. Etwa wenn TV-Moderatorin Arabella Kiesbauer in der 80er-Jahre-ORF-Jugendsendung „X-Large“ verrät, dass Mark Moore, DJ der Londoner Acid House Band S’Express aus gutem Grund am liebsten Kimchi isst.

Comic-Ausschnitt

Patu/Yun

„In dieser Szene geht es um Popkultur, aber auch darum, wer zum Beispiel im Fernsehen repräsentiert ist“, sagt die Autorin Vina Yun. „Dass Erfahrungen der Zweiten Generation aus der koreanischen Community eigentlich nicht vorkommen. In der öffentlichen Debatte wurde nie gesprochen über Leute wie mich.“

4 Stile, 4 Stimmen

Gleich 4 verschiedene Illustratorinnen haben den Comic ganz unterschiedlich gezeichnet. Tine Fetz, Patu, Moshtari Hilal und Sunanda Mesquita verkörpern verschiedene Erzählstimmen. Die einjährige Schaffensphase beschreibt Vina Yun als „ebenso schmerzvolle wie empowernde Auseinandersetzung mit Selbst- und Fremdbildern“.

Ausschnitt eines Comics

Mesquita/Yun

Den Bogen ins Heute spannt „Homestories“ am Ende mit einem Spezialabschnitt: den FAQs. Die Art von frequently asked questions, die man als Angehörige/r der zweiten Generation immer wieder zu hören bekommt. Wo kommst du wirklich her? Warum sprichst du so gut Deutsch? Wie fühlt man sich so - zwischen den Kulturen?

„Diese FAQs sind Fantasien, die helfen sollen, mit diesen Fragen zu brechen und sich aus diesen Situationen zu befreien,“ sagt Vina Yun. Vielschichtige Erfahrungen der koreanischen Community, aber auch ein verborgenes Kapitel österreichischer Zeitgeschichte – all das macht Homestories sichtbar.

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