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Ein vollgeräumter Kleiderschrank

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Ich mag neue Sachen

„Kauf dich glücklich!“ ist der Imperativ des Spätkapitalismus. Und einer Modekette. Im Hirn winkt ein Belohnungsgefühl und auch das Selbst will bedient werden.

Von Irmi Wutscher

Gestern bin ich im Internet einer gebrauchten Tasche nachgejagt. Ich habe lange nach einem bestimmten Modell gesucht, das nicht mehr hergestellt wird. Gefunden, gefeilscht, zugesagt, abgeholt. Mit der Tasche nach Hause und dann hab ich mir gedacht: War das jetzt eigentlich notwendig?

Das Gefühl war wie eine Ernüchterung oder ein Realitäts-Check nach der Aufregung und dem Erfolgserlebnis. Immerhin konnte ich mein Gewissen damit beruhigen, dass es kein neu gekauftes Produkt, sondern Second-Hand-Ware ist. Aber warum musste die Jagd überhaupt sein?

Ich nehme hier das Beispiel Kleiderschrank weil es in meinem Fall am Plakativsten ist. Zeug horten gibt’s aber natürlich auch in Sachen Bücher, Musik, Elektronik-Gadgets, Schmuck...

Ich kaufe ein. Nicht total exzessiv, aber trotzdem platzt mein Kleiderschrank aus allen Nähten. Ihr wollt nicht wissen, wie viele Sommerkleider ich zum Beispiel hab. Aber da hängen auch T-Shirts aus den 90er-Jahren, Kleider von der Oma und ein Frack aus dem Caritaslager, den ich mal für eine Verkleidung gebraucht habe. Ein bisschen Sammlerinnen-Leidenschaft ist also auch dabei: die Freude an besonderen Stücken oder Erinnerungen. Ich stelle mir gerne vor, ich hätte ein persönliches Mode-Archiv. Aber wenn ich ehrlich bin: Kein Mensch braucht 30 oder mehr T-Shirts.

Die Shopping-Fallen

Das seltsame daran: Ich bin eigentlich nicht gern in Geschäften. Schon gar nicht in Malls oder Einkaufszentren. Ich kann mich an keinen einzigen Tag erinnern, an dem ich beschlossen hätte, jetzt mal ein paar Stunden shoppen zu gehen. Im Kaffeehaus, im Wald oder im Museum, ich bin an einem Samstag eigentlich überall lieber als in einem stressigen Geschäft.

Auch Online-Shopping mag ich nicht – es dauert lange, man muss Pakete herum schleppen und meistens sind die Sachen dann auch nicht so, wie ich mir die vorgestellt habe.

Wie kommt dann trotzdem das ganze Zeug in meine Wohnung?

Ich weiß schon ein paar Gründe. Einer ist Langeweile! Zwischen zwei Terminen, wenn ich frei habe und sonst niemand Zeit, dann streife ich manchmal in Geschäften herum. Und irgendwas gibt’s doch immer - weil es grad im Angebot ist, mir überraschenderweise total gut steht, ich das eh irgendwie immer schon wollte... Ein anderer Grund ist das, was unter dem Schlagwort „Self-Care“ oder „Self-Love“ läuft. Sich mal was Gutes tun. Sich was gönnen. Eine Belohnung, wenn man was Cooles erreicht oder was Schwieriges geschafft hat.

Konsum macht nicht glücklich! - Macht er doch!

Letztere Phänomene fallen unter den Faktor „Erlebniswert“: Konsum macht nämlich doch glücklich, sagen die Forscher. Anfang der Zehner-Jahre ging eine Studie durch die Medien, die besagte, man solle das hartverdiente Geld statt in Dinge in Erlebnisse stecken. Denn an die Erlebnisse erinnert man sich länger und besser, während es bei Gegenständen einen Gewöhnungseffekt gibt.

Aber neuere Forschungen zeigen: diese „Erlebnisse sind besser“-Regel gilt auch nicht immer. Wenn es sich um einen Gegenstand handelt, der für eine_n große Bedeutung hat oder auf den man vielleicht lange gespart hat, dann gibt es doch einen „Kaufen macht Glücklich“-Effekt. Ich hab einen Friesennerz aus Hamburg, gekauft hab ich ihn als ich dort eine Runde in einem Auswahlverfahren gewonnen habe. An diesen Tag denke ich echt gern zurück, wenn ich den Regenmantel anziehe. Und nach langem Drübernachdenken besitze ich seit ein paar Monaten eine „gute“ Yogamatte - und bin immer noch total happy wenn ich auf diese Matte steige.

Soll heißen: Kaufen macht glücklich, wenn wir die Dinge auch benutzen. Siehe Regenmantel, siehe Matte. Nur: Wie viele solcher Gegenstände kommen auf die vielen, zu denen wir ein „Solala“-Verhältnis haben? Es ist nur ein Bruchteil. Und alle anderen könnten wir uns sparen.

Kleidung hängt im Kl
eiderschrank

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Haben wollen! Der FM4 Black Friday

Konsumverhalten zwischen Kaufrausch und Post-Shopping-Depression

Am „Black Friday“ – immer der Freitag nach Thanksgiving – lockt der US-Handel EinkäuferInnen mit Sonderangeboten in die Geschäfte. Es ist dort der Startschuss für das Weihnachtsgeschäft. Und man kennt Bilder von Menschen, die sich um Waren prügeln. Über Online-Angebote schwappte der Black Friday in den letzten Jahren auch zu uns und ist jetzt sozusagen ein Vorspiel zur Materialschlacht um Weihnachtsgeschenke an den Adventsamstagen.

Anlässlich des Black Friday und des darauffolgenden Kaufnix-Tag stellen wir uns auf FM4 die Frage: Kaufen wir zu viel? Und warum bringt uns Kaufen eigentlich eine (vermeintliche) Befriedigung?

Wir gehen also am Freitag in den Kostnixladen und ins Shoppingcenter, reden über eine aktuelle Studie zu Kaufsucht und fragen uns, wie sehr unser Hirn darauf trainiert ist, immer Neues zu wollen. Mit Beiträgen quer durchs ganze FM4 Programm.

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The Bombardment of Ads

Chris Cummins interviewt Bill Posters von der werbekritischen Aktion Brandalism über seine Kritik am Kommerzialismus.

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