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Bravo ist so Neunziger

Wie die Teen Vogue überraschenderweise zu einer der größten Trump-Kritikerinnen wurde und was das Brause*Mag für den deutschen Sprachraum verspricht.

Von Irmi Wutscher

Erinnert ihr euch noch an den Shitstorm #flirtennachbravo? 2015 hat Bravo Online eine List von hundert „Flirttips für Mädchen“ veröffentlicht, die sich teilweise wirklich gruselig anhörten: „Zieh nie zwei Tage hintereinander dieselben Klamotten an. Jungs fallen nur neue Eindrücke auf“ ist noch harmlos gegen die totale Selbstverleugnung, die hier gefordert wird: „Er steht auf eine bestimmte Band? Leg dir ein Shirt der Band oder ein Schlüsselband mit ihrem Logo zu – das lässt dich cooler auf Jungs wirken!“ oder das unterwürfige „Guck Jungs eher immer leicht von unten an. Das wirkt am süßesten auf Typen!“

Diese Tipps haben sich - zu Recht - einen Sturm an Häme und Verarschung aus dem Netz zugezogen. Aber auch Ratlosigkeit: Was ist mit der alten Bravo los? Seit den Siebzigern stand die Zeitschrift doch für eine von Alt-68-er Geist beseelte Aufklärungsidee, was sich vor allem in der Doktor-Sommer-Rubrik zeigte. Anstatt Selbstverleugnung wurden junge Menschen hier eigentlich bestärkt auf „ihren Körper zu hören“ und über ihre Wünsche und Ängste zu reden.

Das aktuelle Bravo-Cover

BRAVO

Die Flirttipps waren nur eine Station im Niedergang des deutschen Teenie-Magazin-Klassikers. Der Dinosaurier verliert seit Jahren an Reichweite und schon mehrmals hieß es, die Printausgabe werde bald eingestellt. Es scheint als hätte die Bravo da ein bisschen verschlafen, was andere Magazine (bisher eher im enschlischsprachigen Raum) verstanden haben: Politik ist den Jugendlichen zumutbar und schließt sich nicht aus mit „klassischen Teenie-Themen“ wie Mode, Freundschaft und der Frage „Was geht eigentlich ab in meinem Körper?“

So „woke“: TeenVogue

Dass es auch anders geht, beweist zum Beispiel das Rookie-Mag, ein Online-Magazin, das die Fashion Bloggerin Tavi Gevinson gegründet hat. Rookie wird vor allem gelobt, weil es Popkulturthemen und Modegeschichten flockig mit feministischen Themen verbindet.

Ähnliches kennt man seit 2016 von der TeenVogue – obwohl man das von einem Produkt, das als Ableger des Hochglanzmagazins Vogue gegründet war, so nicht erwarten würde. Zu verdanken ist das unter anderem einem ziemlich coolen Leitungsteam, mit Elaine Welteroth als Chefredakteurin auf der einen und Online-Chef Phillip Picardi auf der anderen Seite. In diesem Video erzählen sie über ihre Zusammenarbeit:

“Teen Vogue war vor allem bekannt als Magazin für das stylische Girl“ sagt Elaine Welteroth im Interview mit Channel One News. „Das hat auch lange funktioniert. Aber mittlerweile hat sich die Welt drastisch geändert!“ Deswegen hat die TeenVogue ab 2016 begonnen, vermehrt politische Themen einzubringen. Vor allem seit dem Wahlkampf von Donald Trump zum US-Präsidenten ist sie mit sehr hartem und kritischem Politikjournalismus aufgetreten. Einer der ersten Artikel, der viral gegangen ist, war „Donald Trump Is Gaslighting America“ über Trumps Strategie der Faktenverdrehung.

What’s there not to like?

Aber nicht nur um Trump geht es. Online-Chef Phillip Picardi betont, dass alle möglichen Themen rund um soziale Gerechtigkeit bei der Teen Vogue eine große Rolle spielen: “Wir haben über Sexualität und sexuelle Gesundheit berichtet, über Gender Identität, über Black Lives Matter und über Polizeigewalt. Viele andere Medienhäuser waren zu feige, hier aufzustehen. Wir haben das als Momente gesehen, unsere Leser_innenschaft bei diesen Themen zu bilden.“ Er und Welteroth sagen, sie würden ihre Leser_innenschaft gerne dazu ermuntern, sich zu engagieren in der Welt.

Die Titelseite des Internetauftritts der TeenVogue

Screenshot teenvogue.com

Die Klicks haben der TeenVogue Recht gegeben; Vor zwei Jahren hatte die Seite zwei Millionen Besucher_innen im Monat, im Mai diesen Jahres stand sie bei 12,5 Millionen Besucher_innen. Und nicht nur Mädchen lesen sie, sondern auch Jungs und etablierte Journalist_innen. Umso trauriger, dass wie seit letzter Woche bekannt ist, das Verlagshaus Condé Nast die gedruckte Version der TeenVogue einstellt. Welteroth soll im Verlagshaus Condé Nast bleiben. Phillip Picardi hat eine Seite gestartet, die sich mit LGBTIQ-Themen befasst, sie heißt „Them“. Besteht also Hoffnung, dass beide ihre gute Arbeit fortsetzen.

Eine Grafik von verschiednen, wild aussehenden Mädchen

Brausemag

Brause*Mag ist da!

Und Hoffnung gibt’s auch für den deutschsprachigen Markt: hier gibt es seit Anfang des Monats das Brause*Mag, das Rookiemag und Teen Vogue als Vorbild nennt. Gegründet wurde es von drei Frauen, die ein Teenie-Magazin mit mehr Hirn auch für den deutschen Sprachraum wollten. Melanie von Brause*Mag sagt: „Wir wollten ein Magazin, das ein wenig bunter ist, das sich an Mädchen richtet, schon auch Beauty und Lifestyle behandelt, aber auch Politik oder das, was die klassischen Dr.-Sommer-Themen sind.“

Derzeit gibt es auf Brause*Mag z.B. ein Rezept für vegane Cupcakes, einen Artikel zur Frage wie frau* eine_n Gynäkolog_in findet und ein Song von Princess Nokia wird vorgestellt. Einen Artikel zu Nagellack gibt es auch. Schminken ist durchaus Thema im Teenie-Universum, sagt Melanie. „Aber da gibt es ja auch eine große Spannweite zwischen: ‚Schmink dich, damit der süße Typ dich gut findet‘ oder ‚Ich mag bunte Farben und hätte die auch gern mal im Gesicht.‘“

Die Rubriken lauten u.a.: Mode und Beauty, Politik und Gesellschaft, DIY. Das alles liegt in einer Teeniewelt nicht so weit auseinander: „Wir sprechen über die Regierungsbildung, weil wir ziemlich sicher sind, dass das Teenies interessiert. Und dass man sich gleichzeitig fragen kann, warum die beste Freundin grad so komisch ist oder ob man verliebt ist. In einer Teeniewelt liegt das ganz nah beieinander.“

Klingt nach einer guten Mischung und als könnte die frische Brause eine spritzigere Alternative sein zum schalen Bravokaffee.

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