FM4-Logo

jetzt live:

Aktueller Musiktitel:

Verweifeltes Legomännchen im Lego-Büro

CC0 Public Domain

12 Stunden arbeiten?

Die von ÖVP und FPÖ geplante Möglichkeit eines 12-Stunden-Arbeitstages sorgt bei Arbeitnehmervertretern für Empörung. Bedenken gibt es auch hinsichtlich geplanter Aufweichungen, die auf den ersten Blick gar nicht so offensichtlich sind.

Von Christoph „Burstup“ Weiss

Die Pläne für den heftig umstrittenen 12-Stunden-Arbeitstag finden sich in den Koalitionsvereinbarungen unter der Überschrift „Wirtschaftsstandort und Entbürokratisierung“. Das Kapitel enthält auch eine neue Höchstgrenze für die wöchentliche Arbeitszeit, die auf 60 Stunden erhöht werden soll. Noch sind Ansagen, wie das genau aussehen soll, vage.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine verlängerte Arbeitszeit schon jetzt möglich - auch an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen. In Firmen mit einem Betriebsrat braucht es dafür eine Betriebsvereinbarung. Gibt es keinen Betriebsrat, dann muss ein arbeitsmedizinisches Gutachten vorliegen, das besagt, dass die höhere Arbeitszeit bei der jeweiligen Tätigkeit unbedenklich ist.

Christoph Klein, Direktor der Arbeiterkammer Wien, hat Bedenken hinsichtlich einer Lockerung dieser Bestimmungen: „Wenn man das völlig freigibt, ist zu befürchten, dass die Betriebe auch dann Gebrauch davon machen, wenn es nicht unbedingt sein muss. Der Arbeitgeber sitzt am längeren Ast. Arbeitnehmer sind angewiesen auf ein angenehmes Betriebsklima und auf das Behalten des Arbeitsplatzes – also tendieren sie dazu, ja und Amen zu sagen.“

Es drohe eine „Einbahnstraße“, in der Arbeitgeber uneingeschränkt mehrere 12-Stunden-Tage hintereinander anordnen könnten. Gesundheitliche Schäden sowie Einschränkungen des Familienlebens wären die Folgen.

Tricks mit Überstunden-Zuschlägen

Zuschläge für Überstunden sollen unverändert bleiben, kündigen ÖVP und FPÖ an. Die Arbeiterkammer gibt aber zu bedenken, dass die Vereinbarungen für Zuschläge von der Kollektivvertragsebene auf die betriebliche Ebene verschoben werden sollen. Das heißt die Überstundenzuschläge werden nicht mehr für die gesamte Branche verhandelt - sondern von ArbeitnehmerInnen im jeweiligen Betrieb - also direkt mit den Vorgesetzten.

Wenn man derzeit eine neunte und zehnte Stunde arbeitet, dann zählen diese zwei Überstunden im Zeitausgleich für drei Stunden. Davon kann derzeit nur mit einem Kollektivvertrag ausgegangen werden, sagt Christoph Klein, denn so gibt es ein gewerkschaftliches Mitspracherecht, wenn ein Betrieb davon abgehen will.

„Wenn das direkt im Betrieb ausgemacht wird, dann kann der Arbeitgeber sagen: ‚Leute, heute arbeiten wir zehn Stunden. Ich gebe euch dann irgendwann einmal zwei Stunden frei. Einverstanden?‘ Das heißt: Aus den Überstunden mit 50 Prozent Zuschlag, also drei Stunden Freizeit, die frei einteilbar ist, werden plötzlich nur mehr zwei Stunden zu einer Zeit, wenn es dem Arbeitgeber recht ist, wenn weniger zu tun ist. Da kann sein, dass die Leute nichts davon haben, weil es draußen regnet oder die Familie und die Freunde keine Zeit haben. Mit dieser plötzlich angeordneten Freizeit können die Arbeitnehmer in der Regel nichts anfangen.“

Eingegriffen wird auch in die Regelung der Ruhezeiten: In der Tourismusbranche sollen auf Wunsch von ÖVP und FPÖ zwischen den Schichten nur noch acht statt wie bisher elf Stunden Ruhezeit gesetzlich vorgeschrieben sein.

Christoph Klein bedauert, dass die Arbeiterkammer in die derzeitigen Koalitionsgespräche nicht eingebunden ist. In früheren Koalitionsverhandlungen seien Vertreter der AK als Fachleute miteinbezogen worden. Er werde den Dialog mit einer neuen Bundesregierung suchen, sagt Klein, schließt im Fall eines schrankenlosen Zugangs zu 12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche aber auch Proteste nicht aus: „Wenn die Ausdehnung der Arbeitszeit zur Regel wird, dann wissen Eltern nicht mehr, wie sie mit den Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen zurechtkommen sollen. Oder wie sie den Wunsch nach ausreichend Kontakt zu den eigenen Kindern umsetzen. Dann kann man keine Freizeit mehr planen, kein Leben mit Freunden, mit Sport und Kulturangeboten. Wenn das so ausufert, dann bin ich ganz sicher, dass eine breite Protestbewegung ins Rollen kommt, die natürlich von uns und den Gewerkschaften mitgetragen werden würde.“

Weitere Reaktionen

Für den Vorsitzenden der Produktionsgewerkschaft ProGe Rainer Wimmer haben „die industriellen Wahlkampf-Großspender der türkisen ÖVP ihr Ziel nun erreicht".

ÖGB-Präsident Johann Kalliauer sieht in dem Plan von ÖVP und FPÖ zur Einführung des 12-Stunden-Arbeitstages einen „massiven Angriff auf Arbeitnehmer“.

Wolfgang Katzian, Vorsitzender der FSG (Fraktion der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen), interpretiert die Pläne von ÖVP und FPÖ als „mehr Arbeit für weniger Geld“.

SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek erinnert daran dass „in den meisten Regionen Österreichs die Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen gar nicht auf 12-Stunden-Tage der Eltern ausgerichtet“ sind.

Monika Vana, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion im Europaparlament, sieht in den türkis-blauen Plänen einen „massiven Angriff auf die Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“.

Aktuell: