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Dalias Late Night Jahresrückblick

12 Monate Pop-Musik zurück. Mit ganz vielen High- und einigen wenigen Lowlights. Hip Hop, RnB, Afrobeats und alles andere das 2017 „geslapt“ hat.

Von Dalia Ahmed

Ja! Endlich ist die Jahresrückblickszeit herangebrochen. Die Zeit, in der man sich auf die vergangenen Monate besinnt, die Playlists am Handy mit einer fast schon nostalgischen Freude durchscrollt und die Protagonist/innen der Musikwelt 2017 in die Kategorien, geil, ur geil und oh-mein-Gott-ich-packe-nicht-wie-geil-das-ist einteilt.




Karibischer Bubble Gum Pop

In die Kategorie „nur“ geil fallen für mich heuer die herrlich schönen Pop-Releases des Jahres. Ein Fifth Harmony Album, das den „Island Sound“ Trend aka Dancehall Einflüsse zu herrlich pickigem Pop schustert, der Melodien, eingängige Hooks, sassy vorgetragene Raps und ein stilsicheres Auftreten zu einem Paket schnürt, das Camilla Cabellos Entscheidung die Gruppe zu verlassen umso unverständlicher macht. So wie der Ex-One Directioner Zayn Malik, denke ich, dass sowohl Camila als auch der Bad Boy Superlight früher oder später auf die Nase fliegen werden. Für den großen Erfolg braucht es zwar nicht viel Substanz, aber halt schon ein bisschen davon oder zumindest eine Persönlichkeit, die nicht Christian Bale in „Insomnia“ sofort einschlafen lasst.

Dass 2017 die problematic-Pop-Powerhouses Katy Perry und Taylor Swift in Ungnade gefallen und kulturell (noch) irrelevanter wurden, rundet eines der musikalisch wohl „wokesten“ Jahre ab.

Apropos problematic:

Migos’ homophobe Reaktion auf iLoveMakonnens Coming Out, Post Malones ignoranter und undankbarer Umgang mit dem Hip Hop und Schwesta Ewas ganze Situation waren einige der unschönen Aspekte 2017s.

Aber zurück zum Pop, der berührt und gefallen hat. Lordes „Melodrama“ war der Pop Pomp Sound, der auch von Lana del Rey ausgeschenkt wurde. Während Lorde sich auf die lord’sche Essenz besann, große Gefühle, große Momente und große Teen-Angst, ist Lana del Reys „Lust for Life“ um einiges lebendiger dahergekommen, als wir es sonst von der Vintage Königin Los Angeles’ gewohnt sind.

Lorde hat nach Jahren der Vorbereitung endlich in Ruhe das Album veröffentlichen können, das von Anfang an in ihr geschlummert hat. Während Lana del Rey über die Hälfte ihres Albums Trap Beats geleert hat und damit riskiert, dass „Lust for Life“ in ein paar Monaten abgestanden klingt.

Die Zugangsweisen der beiden scheinen repräsentativ für das Pop-Game 2017s. Eine hat sich von aktuellen Hip Hop Strömungen inspirieren lassen, die andere ist es autonomer angegangen. Und das Resultat war in beiden Fällen ein Genuss.

Der Afrobeat Takeover

Die Beats der Kategorie „ur-geil“ klangen für mich in 2017 nach dem ghanaischen Pon Pon Sound. Während dem Afropop schon seit Jahren der Durchbruch in den Mainstream herein prophezeit wird, scheint es als würde das weniger in Form einer Explosion passieren, sondern eher als behutsame Infiltration. In der vordersten Reihe der Afro-Phalanx steht Nigerias Wizkid, der 2014 mit „Ojuelegba“ den Afropop in die Welt getragen hat. Heuer hat er es wieder geschafft, zwar nicht mehr im derartig großen Hitformat, aber dafür auf eine (hoffentlich) nachhaltigere Weise. Sein drittes Studioalbum „Sounds from the Other Side“ kam mit einer Featureliste, die sich wie die eines etablierten US Stars liest. Drake, Major Lazer, Chris Brown (pfui), Ty Dolla $ign und Trey Songz. Einen unabhängig veröffentlichten Future Track gab es auch und im Oktober bespielte er die Royal Albert Hall und war damit der erste Afropop Performer, der die ehrwürdige Spielstätte ausverkauft hat.

Ein neues Genre ward geboren

Aber auch die Londoner Künstler/innen afrikanischer Abstammung waren dieses Jahr geschäftig. Während Nigeria und Ghana die Welt mit den puristischen Afrobeats versorgt haben. Kochten uns die Kids im UK den frisch betitelten „Afro Bashment“ Sound. Eine Form des Bashments, die weniger „aggressiv“ und ohne Fokus auf ein kriminelles Narrativ daherkommt. Dafür aber mit einem größeren Hip Hop Einfluss und Vertreter/innen wie Dave, Ms Banks, Not3s, Avelino und allen Voran J Hus.



J Hus‘ Debütalbum „Common Sense“ war mein persönliches 2017 Highlight. Ein Album, das den Spirit des 22-jährigen Londoners zelebriert. Ein Album von und für „young black Kings“, das nebenher den Sound eines neuen Genres absteckt und so rund, eingängig melodiös und und gehaltvoll daher kommt, dass es auf den Straßen, in den Clubs und den Musikredaktionen gefeiert wurde.

Millennial Pink Pop

Auch abseits des Afro-Bashments ist in Großbritannien musikalisch avantgardistisches passiert. Mabel, Raye und allen voran Charli XCX haben am Konzept des „alternative“ Pop Stars gewerkelt. Und dabei zwar das Rad nicht neu erfunden, aber zumindest den Geist der britischen Pop Girl Power neu heraufbeschworen. Mura Masa hat West-afrikanisches und Karibisches zum Calypso Sound 2.0. verwoben und NAO hat 90s RnB produziert, der old-school und frisch zugleich klingt.

¡Dale Reggaeton!

Nicht nur die afrikanischen Rhythmen Nigerias, Ghanas und der Karibik haben den Pop 2017 geformt, auch der süd-amerikanische Reggaeton war maßgeblich beteiligt. Aus dem Reggae und US-Trap in den frühen Nullerjahren geboren und anfangs noch als „Prolo-Musik“ verschrien, dominierte er in einer Cumbia Hybridform mit „Despacito“ die Charts und via MCs wie Ms Nina, Tomasa del Real und Talisto die undergroundigeren Tanzflächen.

Sänger/innen und Producer/innen wie Kali Uchis, Cuco, Rosalía oder Nathy Peluso haben sich dabei den anderen Formen der Lateinamerikanischen Musik angenommen. Kali Uchis, machte uns mit Releases wie „Tyrant“ auf ihr 2018 erscheinendes Debüt hungrig. Cuco träumte auf Produktionen, die so unglaublich herrlich nach „Internet-“ und „Tumblrästhetik“ klingen vor sich hin. Rosaía hauchte dem Flamenco neues Leben ein und Nathy Peluso produzierte und sang sich mit einer Art Darkwave Hip Hop à la Abra tief in unsere Magengruben hinein, wo sie deftige Gefühlswallungen freisetzte.

Ohne in Klischees abzudriften, scheinen es Latinos und Latinas dieses Jahr doch generell geschafft zu haben, große Gefühle in kompakte Alben zu schnüren. Heuer haben mich Ibeyi zum Weinen und Arca hat mich zum Heulen gebracht.

2017er Sad Boys

Herrlich schön traurig war es auch bei Sampha, der den Ernst in den kontemporären RnB und Soul brachte. Und seinem Landesmann Hak Baker, der den Grime an den Nagel hing und auf „7 am“ und „Conundrum“ in der schönsten Singer/Songwriter Tradition die Gesichten der schwarzen Working-Class East-Londons erzählt hat.

Meme’s schon Hot

Und dann gab es noch die viralen Hits von 2017. Der Meme-gewordene „Grime“ Track „Man’s Not Hot“, der zum Leidwesen einiger in Form einer Persiflage das Grime-Genre in die Welt trägt. Aber auch tatsächlich auf der Tanzfläche „slapt“ und somit irgendwo eine Legitimation hat. Cardi Bs ganzes Jahr samt „Bodak Yellow“ Speerspitze. Ein Song, der sowohl in Frauen, wie Männern beim Mitrappen ungeahnte Energien entfesselt hat. Der Schlagerhit der Bronx. Und meine persönliche Hymne des Jahres. 

Und dann gab es ja noch die Beefs im female Hip Hop Game. Remy Ma, Azealia Banks, Nicki Minaj und irgendwie auch Cardi B waren zu unterschiedlichen Graden involviert und raubten vor Aufregungen Black Twitter den Schlaf.

Doch auch abseits der Streiterein florierte der Hip Hop weiblicher MCs. Stefflon Don kam aus dem Nichts und haute alles in London kurz und klein. Leikeli47 feierte ihre Rückkehr mit „Wash & Set“. Kamaiyah reppte Oakland. Während Princess Nokia und Haiyti die Freakfahne bzw Arty-Fahne hoch und stolz hissten.




Der einfühlsamste Sound 2017s

Kein Revuepassieren der letzten 12 Monate wäre ohne der Erwähnung SZAs komplett. Neben Kelela, H.E.R., Daniel Caesar und Syd servierte uns SZA einfühlsamen RnB, der ihr einen raketenhaften Aufstieg sicherte. Noch Anfang des Jahres war die Kendrick Lamar Labelkollegin als Support Act von Bryson Tiller gebucht. Am Ende des Jahres sang sie bei SNL und heimste Unmengen an Grammy Nominierungen ein. Und das alles mit ihrem Debüt „Ctrl“. Ein Album, das vor allem durch SZAs Songwriting brilliert. Authentisch, mutig und mit all den anderen wuchtigen Adjektiven beladen, hat Ctrl ganz vielen Identifikation- und Projektionsfläche geboten.

Dalia’s Late Night Lemonade gibt’s jeden Samstag um 21 Uhr mit mehr von den Pop, Hip Hop & RnB Schmankerln.

Achja, und dann war da noch DJ Khaleds (aber eigentlich Rihannas) „Wild Thoughts“. Ein Song dem ich jetzt nicht wirklich irgendeine pop-kulturelle Gravitas überstülpen kann, außer, dass er halt ein mega Hit war, aber ohne den mein persönlicher Jahresrückblick nicht auskommt.

Ok, und hier noch einige der Vielen auf die ich vergessen habe, die 2017 aber auch ur toll waren:



Yaeji, Juls, Ed Sheran, JLin, King Crule, 21 Savage, Giggs, Drake, Khalid, Demi Lovato, Tiwa Savage, Done’o, Perfume Genius, Ace Tee, Klein, Wiki, Sevdaliza, Tyler, The Creator, Mr Eazi, Mavi Pheonix, GoldLink, Jorja Smith, Rin, Maleek Berry



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